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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:3. Abteilung
Rechtsgebiet:Alters- und Hinterlassenenversicherung
Entscheiddatum:25.08.2021
Fallnummer:5V 21 93
LGVE:2021 III Nr. 4
Gesetzesartikel:Art. 5 Abs. 1 AHVG, Art. 5 Abs. 2 AHVG, Art. 5 Abs. 4 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG; Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV; Art. 3 Abs. 1 lit. a FamZG, Art. 3 Abs. 1 lit. b FamZG, Art. 3 Abs. 2 FamZG, Art. 5 Abs. 2 FamZG, Art. 8 FamZG; § 11 BVO, § 15 Abs. 1 BVO.
Leitsatz:Gemäss Art. 5 Abs. 4 AHVG können Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmenden vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausgenommen werden. Für die Qualifikation einer Lohnzulage als Familienzulage im Sinn von Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV ist massgebend, dass dieser Zulage ein Sozialleistungscharakter zukommt (E. 2.2). Darüber hinaus ist für die Beitragsbefreiung einzig vorausgesetzt, dass die Familienzulage im orts- oder branchenüblichen Rahmen ausgerichtet wird. Die durch Rz. 2170 und 2171 WML eingeführte zusätzliche Voraussetzung eines auf gesetzlicher oder gesamtarbeitsvertraglicher Grundlage beruhenden Anspruchs ist vom Wortlaut sowie von Sinn und Zweck von Art. 5 Abs. 4 AHVG und Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV nicht gedeckt. Den betreffenden Bestimmungen der WML bleibt die Anwendung versagt (E. 5.3).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

2.
2.1.
Nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) werden vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden Lohn, Beiträge erhoben. Als massgebender Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören begrifflich sämtliche Bezüge der Arbeitnehmenden, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder aufgelöst worden ist, und unabhängig davon, ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (BGE 128 V 176 E. 3c, 126 V 221 E. 4a, 124 V 100 E. 2 mit Hinweisen).

2.2.
Art. 5 Abs. 4 AHVG sieht vor, dass auf dem Verordnungsweg Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmenden vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausgenommen werden können. Der Gesetzgeber bezweckte mit dieser Regelung, die Arbeitgebenden zu entsprechenden Leistungen zu motivieren und insoweit mit Zuwendungen sozialer Art Notlagen von Arbeitnehmenden zu vermeiden. Mithin sollte damit die Gewährung freiwilliger Sozialleistungen durch die Arbeitgeber begünstigt werden (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 24.5.1946, BBl 1946 II 365 S. 391). Hintergrund bildete die Überlegung, dass diese Form des Entgelts vollumfänglich der aus sozialpolitischer Sicht zu fördernden Familie zur Verfügung stehen solle (Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, N 3.47). Die AHV-rechtliche Beitragsbefreiung gilt daher immer nur, wenn und soweit der fraglichen Zulage der Charakter einer Familienzulage beizumessen ist (BGE 110 V 229 E. 3c). In Anbetracht dieser Ausgangslage hat das Bundesgericht präzisiert, dass für die Qualifikation einer Lohnzulage als Familienzulage im Sinn von Art. 6 Abs. 2 lit. f der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV; SR 831.101) massgebend ist, dass dieser Zulage ein Sozialleistungscharakter zukommt (BGE 119 V 385 E 4.b).

2.3.
Gestützt auf die Delegationsnorm von Art. 5 Abs. 4 AHVG bestimmt Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV, dass Familienzulagen, die als Kinder- oder Ausbildungs-, Haushalts-, Heirats- und Geburtszulagen im orts- oder branchenüblichen Rahmen gewährt werden, nicht zum Erwerbseinkommen gehören. Zur Vermeidung der Gefahr der Beitragsumgehung wurden auf dem Verordnungsweg mithin Grenzen der zu berücksichtigenden Zuwendungen festgelegt, die vom massgebenden Lohn auszunehmen sind (Kieser, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: SBVR XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 1284, N 275, Fn. 691; vgl. auch BBI 1946 II 365 S. 391). Um den Anforderungen einer Familienzulage zu genügen, muss die fragliche Zulage nebst einem Sozialleistungscharakter deshalb zusätzlich den besonderen Anforderungen der Orts- oder Branchenüblichkeit genügen. Mit den nicht näher eingegrenzten Begriffen der Orts- bzw. Branchenüblichkeit sollen Missbräuche verhindert werden, welche darin bestehen können, Bestandteile des Erwerbseinkommens durch eine geeignete Bezeichnung von der Beitragserhebung auszunehmen (Käser, a.a.O., N 3.46). Die Formulierung in Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV belässt den Durchführungsorganen im Einzelfall zwar einen Ermessensspielraum. Ob die von einem Arbeitgeber ausgerichteten Familienzulagen in den massgebenden Lohn einzubeziehen sind, ist jedoch nicht generell-abstrakt nach der einschlägigen Besoldungs- oder Zulagenordnung, sondern konkret nach Massgabe von Gesetz, Verwaltungspraxis und Rechtsprechung zu beurteilen (BGE 119 V 385 E. 4b).

2.4.
In Konkretisierung dieser Ausgangslage legt die Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML; gültig ab 1.1.2019, Stand: 1.1.2020) Folgendes fest:

Als Familienzulagen gelten: (1.) Kinder- und Ausbildungszulagen für Kinder, Adoptivkinder, Stiefkinder, Pflegekinder und Geschwister oder Grosskinder der bezugsberechtigten Person, sofern sie überwiegend für deren Unterhalt aufkommt (Rz. 2165); (2.) Haushaltszulagen (zuweilen auch Familienzulagen genannt), die gewährt werden an verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende Arbeitnehmende, die mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner und/oder Kindern zusammenleben, an ledige, verwitwete oder geschiedene Arbeitnehmende, die mit Kindern zusammenleben. Als Haushaltszulagen gelten nur Leistungen, die zum Lohn hinzu gewährt werden; es ist nicht zulässig, einen Teil des Lohnes als Haushaltszulage zu bezeichnen, um ihn so von der Beitragserhebung auszunehmen. Haushaltszulagen sind feste, von der Höhe des Lohnes unabhängige Leistungen. Sie müssen für alle anspruchsberechtigten Arbeitnehmenden eines Betriebes gleich hoch sein (Rz. 2166); (3.) Heiratszulagen bzw. Eintragungszulagen, die bei der Eheschliessung bzw. der Eintragung der Partnerschaft gewährt werden (für Hochzeits- bzw. Eintragungsgeschenke [Rz. 2167]); (4.) Geburts- oder Adoptionszulagen, die den Arbeitnehmenden bei der Geburt oder der Adoption eines Kindes gewährt werden (Rz. 2168).

Die Familienzulagen sind in jedem Fall vom massgebenden Lohn ausgenommen, wenn sie aufgrund einer gesetzlichen oder gesamtarbeitsvertraglichen Verpflichtung ausgerichtet werden (Rz. 2170). Die nachstehend erwähnten, von den Arbeitgebenden darüber hinaus ausgerichteten Familienzulagen, die in einem Personalreglement der Arbeitgebenden vorgesehen sind oder auf welche die Arbeitnehmenden einen Anspruch haben, sind beitragsfrei bis zur Höhe des: (1.) einfachen Betrags der Ausbildungszulage nach Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Familienzulagen (FamZG; SR 836.2) für Kinder- und Ausbildungszulagen (vgl. Rz. 2165) je Kind; (2.) fünffachen Betrags der Ausbildungszulage nach Art. 5 Abs. 2 FamZG für Geburts- und Adoptionszulagen (vgl. Rz. 2168) je Kind (Rz. 2171). In der ab 2021 gültigen Fassung wurde diese Randziffer ergänzt mit: Diese Regelung gilt nicht für Zulagen nach Rz. 2166 und 2167. Gemäss Vorwort zum Nachtrag 2 (S. 4 WML Stand 1.1.2021) handelt es sich dabei (lediglich) um eine Präzisierung. Wohl deshalb stützt sich die Ausgleichskasse bereits ab 1. Januar 2020 darauf ab.

2.5.
Verwaltungsweisungen richten sich an die Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE 133 V 587 E. 6.1 mit Hinweisen).

3.
Die Beschwerdeführerin richtet aufgrund von Ziff. 5.2 ihrer Allgemeinen Anstellungsbedingungen nebst den gesetzlichen Familienzulagen zusätzlich eine besondere Sozialzulage an ihre Mitarbeiter aus. Diesbezüglich verweist sie auf die entsprechenden Reglemente und Weisungen der A-Gruppe. Der Weisung für besondere Sozialzulagen kann unter Ziff. 1 entnommen werden, dass die A-Gruppe per 1. Januar 2001 eine freiwillige besondere Sozialzulage von Fr. 250.-- (100 %-Pensum) pro Monat eingeführt hat. Grundsätzlich orientiert sich die A-Gruppe an den Rahmenbedingungen des Kantons Luzern (§ 11 der kantonalen Besoldungsverordnung [BVO; SRL Nr. 73a]). Es ist der A-Gruppe jederzeit vorbehalten, davon abweichende Regelungen zu definieren. Nach Ziff. 3 haben Mitarbeiter Anspruch auf die besondere Sozialzulage, wenn sie eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

- Verantwortung für den Unterhalt von mindestens einem eigenen oder adoptierten Kind durch Pflege und Erziehung
- Verpflichtung zur Unterhaltszahlung für mindestens ein eigenes oder adoptiertes Kind (mind. Fr. 6'000.--/Jahr)

Die besondere Sozialzulage darf nur durch einen Elternteil bezogen werden. Der oder die Mitarbeitende hat auch dann keinen Anspruch auf Vergütung der besonderen Sozialzulage durch die A-Gruppe, wenn der andere Elternteil eine gleichwertige Zulage von einem A-Gruppen-internen oder -externen Arbeitgeber bezieht. Teilzeitmitarbeitende und Mitarbeitende im Stundenlohn erhalten die besondere Sozialzulage anteilsmässig. Alleinerziehende (geschieden oder getrennt lebend) mit einem Teilzeitpensum erhalten die volle besondere Sozialzulage (nach Vorlage von Trennungs- oder Scheidungsurteil). Ist der oder die Mitarbeitende länger als drei Monate unbesoldet beurlaubt, entfällt die besondere Sozialzulage (Ziff. 4).

4.
Streitig und zu prüfen ist nachfolgend, ob die von der Beschwerdeführerin an ihre Mitarbeitenden ausgerichtete besondere Sozialzulage der AHV-Beitragspflicht unterliegt oder nicht.

5.
5.1.
Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der von der Beschwerdeführerin ausgerichteten besonderen Sozialzulage ein Sozialleistungscharakter zukommt. Dies ist nicht zu beanstanden. Mit den im Streit stehenden besonderen Sozialzulagen sollen jene zusätzlichen Aufwendungen abgegolten werden, welche den Bezügern im Zusammenhang mit ihrer Familie und insbesondere mit der Erziehung ihrer Kinder bzw. deren Unterhalt entstehen. Als solche sollen sie letztlich die mit dem Familienunterhalt verbundenen Mehrauslagen zu ersetzen helfen.

5.2.
Zu prüfen ist dagegen die weitere Qualifikation der besonderen Sozialzulage. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, bei der besonderen Sozialzulage handle es sich um eine Kinder- und Ausbildungszulage gemäss WML Rz. 2165, da die Ausrichtung der Zulage an die Unterhaltspflicht des Mitarbeitenden für eigene oder adoptierte Kinder und nicht an den gemeinsamen Haushalt anknüpfe. Demgegenüber stellt sich die Ausgleichskasse auf den Standpunkt, dass die besondere Sozialzulage als Haushaltszulage zu qualifizieren sei, da diese nicht pro Kind, sondern pro Haushalt ausgerichtet werde.

Der Ansicht der Beschwerdeführerin kann vorliegend nicht gefolgt werden. Zwar knüpft die von ihr ausgerichtete besondere Sozialzulage an die Unterhaltspflicht für mindestens ein eigenes oder adoptiertes Kind an (vgl. E. 3). Das allein führt aber noch nicht dazu, dass der Zulage die Eigenschaft einer Kinder- und Ausbildungszulage zukommen würde. Denn auch die unter die Familienzulagen fallenden Haushaltszulagen stellen – mit ihrem Sozialleistungscharakter – letztlich einen Ausgleich für besondere Aufwendungen dar, die durch die jeweilige Familienkonstellation entstehen. Kinder- und Ausbildungszulagen werden, in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 lit a und b FamZG, jeweils pro Kind ausgerichtet. Im Fall einer Unterhaltspflicht sind sie zusätzlich zu den Unterhaltsbeiträgen zu entrichten (Art. 8 FamZG). Dies ist bei der von der Beschwerdeführerin geleisteten besonderen Sozialzulage gerade nicht der Fall. Gemäss der Formulierung in Ziff. 1 der Weisung für besondere Sozialzulagen, wonach eine freiwillige besondere Sozialzulage von Fr. 250.-- (bei einem Pensum von 100 %) pro Monat ausgerichtet werden könne, wird pro Mitarbeiter lediglich eine besondere Sozialzulage ausbezahlt. Weiter wird in den Einschränkungen gemäss Ziff. 4 der Weisung für besondere Sozialzulagen präzisiert, dass lediglich ein Elternteil eine Zulage beziehen dürfe. Daraus kann geschlossen werden, dass die besondere Zulage pro Familie bzw. pro Haushalt ausgerichtet wird. Zu diesem Schluss gelangte auch der Revisor anlässlich der Arbeitgeberrevision am 25. November 2019. Weiterer Ausführungen bedarf es hierzu nicht.

Auch Haushaltszulagen gelten im Bereich des Beitragsrechts als Familienzulagen (vgl. E. 2.3 und WML Rz. 2166). Die strittige besondere Sozialzulage ist damit grundsätzlich unter Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV zu subsumieren, zumal Haushaltszulagen in dieser Bestimmung auch ausdrücklich aufgeführt werden. Vorliegend nicht beachtlich ist – da nicht Delegationsnorm für Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV – Art. 3 Abs. 2 FamZG.

5.3.
Fraglich und zu prüfen ist weiter, ob die im konkreten Fall ausgerichtete besondere Sozialzulage vom massgebenden Lohn auszunehmen ist. Die Ausgleichskasse verneint dies im Wesentlichen mit der Argumentation, dass die Familienzulagen gemäss WML Rz. 2170 in jedem Fall vom massgebenden Lohn auszunehmen seien, wenn sie aufgrund einer gesetzlichen oder gesamtarbeitsvertraglichen Verpflichtung ausgerichtet würden. Die von der Beschwerdeführerin geleistete besondere Sozialzulage erfülle diese Voraussetzungen nicht, da sie lediglich in einem Personalreglement geregelt sei. WML Rz. 2171 komme hier schliesslich nicht zur Anwendung, da es sich um eine Haushaltszulage nach WML Rz. 2166 handle. Demgegenüber ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV sehe die von der Ausgleichskasse geltend gemachte Beschränkung der Beitragsfreiheit auf Zulagen mit einer gesetzlichen oder gesamtarbeitsvertraglichen Grundlage nicht vor. Es sei unzulässig, die Beitragsfreiheit zusätzlich an die Voraussetzung einer gesetzlichen oder gesamtarbeitsvertraglichen Verpflichtung zu knüpfen.

Vorliegend ist daran zu erinnern, dass die Frage, ob die von einem Arbeitgeber ausgerichteten Familienzulagen in den massgebenden Lohn einzubeziehen sind, nicht generell-abstrakt nach der einschlägigen Besoldungs- oder Zulagenordnung, sondern konkret nach Massgabe von Gesetz, Verwaltungsweisung und Rechtsprechung zu beurteilen ist (vgl. E. 2.3 und BGE 119 V 385 E. 4b). Für die Beitragsbefreiung ist gemäss der massgebenden Verordnungsbestimmung von Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV einzig vorausgesetzt, dass die Familienzulage – als welche dem Gesagten zufolge auch die hier strittige besondere Sozialzulage mit Sozialleistungscharakter gilt (vgl. E. 5.1 und 5.2) – im orts- oder branchenüblichen Rahmen ausgerichtet wird. Die Anforderung eines auf gesetzlicher oder gesamtarbeitsvertraglicher Grundlage beruhenden Anspruchs (WML Rz. 2170) ist, soweit sie – wie von der Beschwerdegegnerin – als zwingende zusätzliche Voraussetzung für die Beitragsbefreiung einer Haushaltszulage interpretiert wird, vom Wortlaut sowie von Sinn und Zweck von Art. 5 Abs. 4 AHVG und Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV nicht gedeckt. Selbst wenn sich die Orts- und Branchenüblichkeit durch eine gesetzliche oder gesamtarbeitsvertragliche Grundlage nachweisen bzw. begründen lässt, ist der Umkehrschluss, wonach beim Fehlen solcher Grundlagen keine Beitragsbefreiung zum Zug kommen könne, nicht statthaft. Zu Recht legt die WML in Rz. 2171 denn auch die betraglichen Voraussetzungen fest, unter denen Familienzulagen beitragsbefreit sind, die nicht auf gesetzlicher oder gesamtarbeitsvertraglicher Grundlage, sondern beispielsweise auf einem Personalreglement beruhen. Dass sich die von der Beschwerdeführerin ausgerichtete Sozialzulage innerhalb dieses Rahmens bewegt, ist zwischen den Parteien an sich unbestritten und ergibt sich zweifelsfrei aus den Akten. Indessen schliesst der letzte Satz von Rz. 2171 der WML (Stand 2021) Haushaltszulagen von dieser Regelung gerade wieder aus, womit die von der Beschwerdeführerin ausgerichtete Zulage (Haushaltszulage, vgl. E. 5.2) in systematischer Auslegung der WML letztlich nicht beitragsbefreit wäre. Nachdem Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV als Voraussetzung einzig die Orts- oder Branchenüblichkeit vorsieht, erweisen sich die von der Beschwerdegegnerin angerufenen Bestimmungen der WML (Rz. 2170, 2171 letzter Satz), jedenfalls in der Interpretation der Verwaltung, als gesetz- und verordnungswidrig. Ihnen bleibt deshalb die Anwendung versagt. Es ist denn auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Orts- und Branchenüblichkeit von Haushaltszulagen nach anderen (engeren) Kriterien zu beurteilen sein sollte als dies bei den Kinder- und Ausbildungszulagen der Fall ist (vgl. nachfolgende E. 5.4). Die Veröffentlichung im Kantonsblatt vom 4. Januar 2020 vermag daran nichts zu ändern. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich Verwaltungsweisungen an die Durchführungsstellen richten und für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich sind (vgl. ausführlich E. 2.5).

5.4.
Entsprechend bleibt zu klären, ob die von der Beschwerdeführerin ausgerichtete besondere Sozialzulage orts- oder branchenüblich ist. Diesbezüglich verweist die Weisung für die besondere Sozialzulage in Ziff. 2 auf die Besoldungsverordnung des Kantons Luzern. Der im kantonalen Recht vorgegebenen Höhe der Sozialzulagen ist die von Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV geforderte Orts- bzw. Branchenüblichkeit geradezu inhärent. Die von der Beschwerdeführerin ausgerichtete besondere Sozialzulage richtet sich denn auch in der Höhe mit Fr. 250.-- exakt nach der kantonalen Bestimmung gemäss § 15 Abs. 1 BVO. Zwar behält sich die A-Gruppe gemäss Ziff. 2 der Weisung für die besondere Sozialzulage vor, jederzeit abweichende Regelungen zu definieren. Eine vom kantonalen Recht massgeblich abweichende Ausgestaltung der besonderen Sozialzulage hätte allenfalls zur Folge, dass die von der Beschwerdeführerin ausgerichtete Zulage nicht mehr vom massgebenden Einkommen ausgenommen werden könnte. Es stünde der Ausgleichskasse diesbezüglich frei, die Voraussetzungen – insbesondere der Orts- oder Branchenüblichkeit – im Rahmen einer Arbeitgeberrevision erneut zu überprüfen. Ziff. 2 der Weisung für die besondere Sozialzulage, wonach die A-Gruppe abweichende Regelungen treffen kann, steht dem Umstand, dass die jetzt ausgerichtete besondere Sozialzulage die Voraussetzungen der Orts- bzw. Branchenüblichkeit erfüllt, jedenfalls nicht entgegen. Ein allfälliger Missbrauch, Bestandteile des Erwerbseinkommens durch eine geeignete Bezeichnung von der Beitragserhebung auszunehmen, kann zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden. Da die ausgerichtete besondere Sozialzulage den Anforderungen von Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV genügt, ist sie vom massgebenden Erwerbseinkommen auszunehmen.

5.5.
Zu ergänzen ist im Übrigen Folgendes: Soweit WML Rz. 2166 und BGE 110 V 229 bzw. 119 V 385 Haushaltszulagen lediglich dann von der Beitragspflicht ausnehmen, wenn die Zulagenempfänger entweder mit den Kindern im gleichen Haushalt leben oder aber verheiratet sind, kann dieser Praxis – jedenfalls mit Blick auf die hier interessierenden Zulagen, die an die Unterhaltspflicht für Kinder anknüpfen – nicht gefolgt werden. Denn der Status des Verheiratetseins führt für sich alleine noch nicht zu besonderen finanziellen Verpflichtungen, die durch die Haushaltszulage abgedeckt werden müssten. Umgekehrt entstehen einem Elternteil derartige Verpflichtungen nicht nur dann, wenn er oder sie verheiratet ist oder mit den Kindern zusammenlebt. Die von der Rechtsprechung und WML Rz. 2166 formulierten Kriterien gründen demnach auf einer Unterscheidung, die sich bezogen auf die hier interessierenden Zulagen nicht als sachgerecht erweist (vgl. Art. 8 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101]). Die von der Beschwerdeführerin ausgerichteten Sozialzulagen erfüllen jedenfalls – unabhängig vom Zivilstand der Zulagenempfänger – die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV, weshalb sie ungeachtet der zitierten Rechtsprechung und Verwaltungsweisung von der Beitragspflicht auszunehmen sind.

6.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die von der Beschwerdeführerin an ihre Mitarbeitenden ausbezahlte besondere Sozialzulage als orts- und branchenübliche Familienzulage im Sinn von Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV beitragsbefreit ist. Der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse vom 29. Januar 2021 hält der gerichtlichen Überprüfung damit nicht stand. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist begründet und gutzuheissen.