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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Entscheiddatum:27.09.2021
Fallnummer:2C 21 50
LGVE:2021 I Nr. 5
Gesetzesartikel:Art. 80 SchKG, Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG, Art. 279 SchKG; Art. 47 LugÜ, Art. 53 f. LugÜ
Leitsatz:Die Arrestlegung nach Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG gestützt auf einen LugÜ-Titel ist, sofern dessen Vollstreckbarkeit in der Schweiz glaubhaft gemacht wurde, auch vor der Exequatur möglich.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

6.3.2
(…)
Mit der Revision 2009 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) wurde der Arrest zu einem allgemeinen Durchsetzungsverfahren für Urteile über Geldleistungen ausgebaut, sofern diese Urteile in der Schweiz oder im (europäischen) Ausland aufgrund des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen [LugÜ; SR 0.275.12]) ergangen sind. Zu diesem Zweck wurde in Art. 271 Abs. 1 mit Ziff. 6 ein neuer Arrestgrund (das Vorliegen eines definitiven Rechtsöffnungstitels) eingeführt und dieser gleichzeitig mit einem Vollstreckbarkeitsverfahren für Lugano-Urteile kombiniert (Stoffel, Basler Komm., 2. Aufl. 2010, Art. 271 SchKG N 10). Dass aber der Arrest nur nach erfolgter Vollstreckbarerklärung (unter vorgängiger Anhörung des Schuldners) möglich ist, geht so nicht aus dem Gesetzestext hervor. Das Bundesgericht hat in BGE 144 III 411 E. 6.3.1 festgehalten, dass der Gläubiger glaubhaft machen müsse, dass ein Arrestgrund vorliege. Berufe er sich darauf, dass er gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitze (Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG), müsse er bei einem ausländischen Entscheid glaubhaft machen, dass der Anerkennung und Vollstreckung dieses Titels dem ersten Anschein nach nichts entgegenstehe. Demnach hat er bloss die gemäss Art. 53 f. LugÜ verlangten Voraussetzungen glaubhaft vorzutragen (BGer-Urteil 5A_697/2020 vom 23.3.2021 E. 6.2.1). Die genauere Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen und der Anerkennungsverweigerungsgründe erfolgt gemäss Bundesgericht im Verfahren betreffend die Einsprache gegen den Arrestbefehl (BGE 139 III 135 E. 4.5.2). Über das ganze Arrestbewilligungsverfahren hinweg, also auch im Einspracheverfahren, prüfe der Richter die Vollstreckbarkeit des Entscheids, auf den sich der Arrestgläubiger als Arrestgrund im Sinne von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG berufe, nur unter dem Blickwinkel der Glaubhaftmachung. Zu einer rechtskraftfähigen Entscheidung über die Vollstreckbarkeit komme es erst im Verfahren der Arrestprosequierung (Art. 279 SchKG), im Falle des Arrestgrunds nach Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG üblicherweise im Rahmen der Beurteilung eines Gesuchs um definitive Rechtsöffnung nach Art. 80 f. SchKG. Auch wenn das Bundesgericht sich noch nicht zum genauen Vorgehen bei einem LugÜ-Entscheid ausgesprochen hat, wäre es stossend, wenn für Nicht-LugÜ-Entscheide keine vorgängige Vollstreckbarerklärung nötig wäre und eine vorfrageweise summarische Prüfung der Vollstreckbarkeit genügte, um Arrest zu legen, bei LugÜ-Entscheiden hingegen eine Vollstreckbarerklärung (mit Anhörung des Schuldners) und somit eine Exequaturerteilung vorliegen müsste. Denn Sinn und Zweck der Revision von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG war, das in Art. 47 LugÜ geregelte, unbedingte Sicherungsmittel des Gläubigers gesetzlich zu regeln (BBl 2009 S. 1815). Im Resultat wurde somit in der Schweiz ein allgemeines Sicherungsverfahren für Urteile über Geldleistungen eingeführt, das neben dem definitiven Rechtsöffnungsverfahren immer dann zur Verfügung steht, wenn ein schweizerisches oder ein "Lugano"-Urteil vorliegt. Der Gläubiger kann damit sein Durchsetzungsverfahren mit dem «Donnerschlag» des Arrestes anheben, muss allerdings das definitive Rechtsöffnungsverfahren im Prosequierungsstadium trotzdem durchlaufen, wenn der Schuldner seinen Widerstand aufrechterhält. Die Sicherung durch Arrest bildet somit einen dem Rechtsöffnungsverfahren vorgelagerten Verfahrensabschnitt (Stoffel, a.a.O., Art. 271 SchKG N 14). Würde nun neu bei LugÜ-Entscheiden ein vorgängiges Exequaturverfahren mit zwingender Anhörung des Schuldners verlangt, bestünde die Gefahr, dass der Schuldner Vermögenswerte beseitigen kann, bevor der Gläubiger diese erfolgreich mit Arrest belegen könnte. Dies würde aber dem beabsichtigten Revisionsgedanken, nämlich dem Ausbau der Sicherung von Urteilen auf Geldleistung, diametral entgegenlaufen. Wenn demnach vorliegend die Arrestlegung nach blosser Glaubhaftmachung der Vollstreckbarkeit erteilt wurde, die Vorinstanz dann im Arresteinspracheverfahren prüfte, ob die Arrestschuldnerin Gründe gegen diese Glaubhaftmachung vorgetragen hatte, entspricht dieses Vorgehen dem Sinn und Zweck von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG, weshalb der Vorinstanz keine Rechtsverletzung vorgeworfen werden kann.