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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:26.01.2023
Fallnummer:7H 21 199
LGVE:2023 IV Nr. 4
Gesetzesartikel:Art. 27 RPG; § 85 Abs. 2 PBG; § 146 Abs. 1 VRG.
Leitsatz:Bedeutung einer (noch nicht rechtskräftigen) Revisionsvorlage des BZR während Hängigkeit eines Beschwerdeverfahrens; Frage der Wirkung der Planungszone; Berücksichtigung der Dauer des Bewilligungsverfahrens (E. 4). Anwendbarkeit von neuem kommunalem Recht, das während Hängigkeit des Beschwerdeverfahrens in Kraft tritt (in casu: Parkplatzreglement) (E. 8).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
Entscheid:Sachverhalt (gekürzt):

Zwei Aktiengesellschaften planen seit Jahren die Überbauung eines Grundstücks in der Stadt Luzern (zweigeschossige Wohnzone). Das Baugesuch umfasst den Abbruch der zwei bestehenden Mehrfamilienhäuser und den Neubau zweier Mehrfamilienhäuser mit Einstellhalle. Gegen die im Februar 2019 erteilte Baubewilligung wehrten sich zwei Nachbarn beim Kantonsgericht. Mit Urteil vom 18. August 2020 stellte das Kantonsgericht fest, dass die geplanten Attikageschosse aufgrund der fehlenden baulichen Unterordnung im Vergleich zu den darunterliegenden Vollgeschossen optisch als Vollgeschosse in Erscheinung treten und deshalb bei der Berechnung der Anzahl Vollgeschosse zu Unrecht nicht mitgerechnet worden sind. Die Beschwerde wurde in dieser Hinsicht gutgeheissen und die Baubewilligung aufgehoben. Weiter wurde festgestellt, dass die Berechnung der internen Erschliessungsfläche nicht aus den Akten hervorgeht.

Gestützt auf das Urteil des Kantonsgerichts liess die Bauherrschaft das Projekt überarbeiten. Im August 2021 erhielt sie wieder die Baubewilligung von der Stadt Luzern, wogegen sich dieselben Nachbarn erneut an das Kantonsgericht wandten. Das Gericht hatte in verschiedener Hinsicht zu prüfen, welches kommunale Recht im konkreten Fall anwendbar ist.

Aus den Erwägungen:

4.
Im Zusammenhang mit den inhaltlichen Rügen, die gegen das Bauprojekt vorgetragen werden, ist – wie erwähnt – vorab zu klären, welche Tragweite und Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die Stadt Luzern ihr Bau- und Zonenreglement geändert und in Zusammenhang mit der IVHB unter anderem die Bau- und Nutzungsvorschriften des revidierten PBG und der totalrevidierten PBV übernommen hat. Die geänderte Bau- und Zonenordnung wurde vom 24. Oktober bis 22. November 2022 – und damit während der Hängigkeit des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens – öffentlich aufgelegt (Luzerner Kantonsblatt Nr. 42 vom 22.10.2022 S. 3883).

4.1.
Das geänderte Bau- und Zonenreglement ist nach dem Gesagten noch nicht in Kraft. Nach § 85 Abs. 2 PBG gelten jedoch neue Nutzungspläne und neue Bau- und Nutzungsvorschriften ab dem Zeitpunkt ihrer öffentlichen Auflage als Planungszone. Die Planungszone ist bundesrechtlich in Art. 27 RPG geregelt. Art. 27 RPG und die §§ 81 ff. PBG bezwecken die Sicherung der Entscheidungsfreiheit der Planungsbehörden. Künftigen Nutzungsplänen und -vorschriften wird durch den Erlass einer Planungszone eine sogenannte negative Vorwirkung zuerkannt, indem Baubewilligungen nur noch erteilt werden, wenn dadurch die Realisierung der vorgesehenen Neuordnung nicht erschwert wird. Unzulässig ist dagegen die positive Vorwirkung, d.h. die Anwendung des künftigen, noch nicht in Kraft gesetzten Rechts unter Nichtanwendung des geltenden Rechts (BGE 136 I 142 E. 3.2 mit Hinweisen). Der Inhalt der konkreten Planungszone ist auf den Sicherungszweck auszurichten und zu beschränken (Ruch in: Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung [Hrsg. Aemisegger/Moor/Ruch/Tschannen], Zürich 2016, N 29 zu Art. 27 RPG). Mit anderen Worten hat eine Planungszone nicht zur Folge, dass eine künftige Nutzungsordnung strikt (vor-)angewendet würde, wie wenn sie bereits in Kraft stünde. Zu verhindern ist bloss eine Vereitelung der beabsichtigten Planung (Waldmann/Hänni, Raumplanungsgesetz, Bern 2006, N 27 zu Art. 27 RPG; zum Ganzen: BGer-Urteil 1C_518/2016 vom 26.9.2017 E. 5.5). Die Planungszone führt dazu, dass im betroffenen Umfang die Anwendung des (noch) geltenden Rechts im Hinblick auf das Inkrafttreten des neuen Rechts ausgesetzt wird. Die damit bewirkte öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung ist mit Art. 26 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) nur vereinbar, wenn sie gemäss Art. 36 BV auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (BGer-Urteile 1C_275/2021 vom 29.3.2022 E. 2.3, 1C_441/2019 vom 7.1.2020 E. 4.3.1 mit Hinweisen; LGVE 2022 IV Nr. 10 E. 8.6).

4.2.
Nach allgemeinen übergangsrechtlichen Grundsätzen beurteilt sich die Anwendbarkeit von Planungszonen, die während eines Rechtsmittelverfahrens in Kraft treten, aufgrund einer Abwägung der betroffenen privaten und öffentlichen Interessen, unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BGE 118 Ia 510 E. 4; BGer-Urteil 1C_612/2014 vom 26.8.2015 E. 2.6, 1P.539/2003 vom 22.4.2004 mit Hinweisen; Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 03 239 vom 18.6.2004 E. 10c). Obwohl der Grundeigentümer keinen Anspruch darauf hat, dass seine baulichen Nutzungsmöglichkeiten dauernd bestehen bleiben, muss er doch bei der Ausarbeitung eines Bauprojekts auf geltende und auf voraussehbare künftige planungsrechtliche Vorschriften abstellen können. Das private Interesse des Eigentümers kann in solchen Fällen nur aufgewogen werden, soweit besondere öffentliche Anliegen in Frage stehen (Waldmann/Hänni, a.a.O., Art. 27 RPG N 17 mit Hinweis auf BGE 118 Ia 510 E. 4; Ruch, a.a.O., N 13 zu Art. 29 RPG). In diesem Sinn lehnt das Bundesgericht einen Automatismus bezüglich der hemmenden Wirkung von Planungszonen auf vorher eingereichte Baugesuche ab; stattdessen nimmt es in dieser Hinsicht jeweils eine Abwägung zwischen den betroffenen privaten und öffentlichen Interessen vor (vgl. BGer-Urteile 1C_358/2020 vom 9.7.2021 E. 5.6, 1C_91/2011 vom 26.10.2011 E. 2.7; LGVE 2022 IV Nr.10 E. 8.6).

4.3.
In Konstellationen, in denen eine revidierte Nutzungsplanung während Hängigkeit des Rechtsmittelverfahrens aufgelegt wird, gilt es § 85 Abs. 2 PBG i.V.m. Art. 27 RPG zu beachten. Das kantonale Recht regelt aber die Frage nicht, ob eine Planungszone, welche erst im hängigen Rechtsmittelverfahren eingereicht wird, auch für das entsprechende Bauvorhaben wirksam ist. Ausserdem ist mit Blick auf die Vorgaben des übergeordneten Rechts, namentlich das teilrevidierte RPG, die IVHB, das teilrevidierte PBG sowie die totalrevidierte PBV, eine Revision der kommunalen Ortsplanung geboten. Darüber hinaus stellen die Anliegen der Raumplanung im Allgemeinen ein öffentliches Interesse dar. Schliesslich ist in Bezug auf die revidierten, jedoch noch nicht rechtskräftigen Änderungen der Zonenordnung auch Folgendes zu beachten: So gilt es mit der laufenden Revision einerseits die IVHB auf kommunaler Stufe umzusetzen und andererseits den bundesrechtlichen Vorgaben, wie z.B. Dimensionierung der Bauzonen sowie weiteren umweltrelevanten Anliegen, nachzukommen. Deshalb ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Abwägung zwischen den betroffenen privaten und öffentlichen Interessen im konkreten Einzelfall vorzunehmen (LGVE 2022 IV Nr.10 E. 8.6).

4.4.
In Bezug auf diese Interessenabwägung ist vorab festzuhalten, dass das vorliegende Bauvorhaben in der geplanten Ausgestaltung nicht gegen gewichtige, im revidierten Bau- und Zonenreglement der Stadt Luzern (nachfolgend: BZR) neu geregelte Umweltbelange oder Grundsätze des RPG (z.B. Rückzonungen, Auszonungen) verstösst. Gegenteiliges machen auch die Beschwerdeführer nicht geltend. Infolge geänderter Definitionen und Berechnungsweisen gestützt auf die IVHB und die revidierten kantonalen Grundlagen (PBG und PBV) können sich gewisse Anpassungen ergeben. Selbst wenn aber die projektierten Bauten aufgrund neuer Berechnungsweisen die neu zulässigen Masse geringfügig überschreiten würden, wäre mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen das öffentliche Interesse an der sofortigen Wirkung derartiger – nicht unmittelbar umweltrelevanter oder RPG-widriger Normen – dem privaten Interesse der Beschwerdegegnerinnen an der Realisierung ihres Bauvorhabens gegenüberzustellen. Wesentlich ist vorliegend, dass die öffentliche Auflage der revidierten Bau- und Nutzungsvorschriften erst im Rechtsmittelverfahren erfolgte und dem angefochtenen Bauvorhaben bereits eine längere Prozessgeschichte vorangeht:

Die Beschwerdegegnerinnen haben im November 2017 ein erstes Baugesuch eingereicht, welches im Oktober 2018 bewilligt wurde. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Kantonsgericht im August 2020 gut. Daraufhin überarbeiteten die Beschwerdegegnerinnen das Bauvorhaben und reichten im Oktober 2020 ein neues Baugesuch ein, welches entsprechend dem zuvor ergangenen Urteil angepasst wurde (Änderung der Attikageschosse und Berechnung der internen Erschliessungsflächen). Mit Entscheid vom 2. August 2021 bewilligte die Vorinstanz die (geänderten) projektierten Bauten. Vom 24. Oktober bis 22. November 2022 fand schliesslich die öffentliche Auflage der revidierten Bau- und Zonenvorschriften der Stadt Luzern statt. Obgleich davon auszugehen ist, dass der Bauherr bereits im Zeitpunkt der Einreichung seines abgeänderten Baugesuchs im Oktober 2020 damit rechnen musste, dass eine Revision der Ortsplanung ansteht, die allenfalls auch sein Grundstück betreffen könnte, kannte er den konkreten Zeitpunkt der Ortsplanungsrevision nicht. Zudem ist insbesondere zu berücksichtigen, dass er im Rahmen der Ausarbeitung seines neuen Bauprojekts in Bezug auf die Berechnung der anrechenbaren Grundstücksfläche dem Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 18. August 2020 Folge leistete. Diesem Umstand ist unter dem Titel der Rechtssicherheit erhebliches Gewicht beizumessen, insbesondere der Tatsache, dass die (abgeänderte) Gesuchseinreichung bereits vor über zwei Jahren erfolgte und die (provisorische bzw. beabsichtigte) Rechtsänderung erst im Rechtsmittelverfahren eingetreten ist. Da wie erwähnt nicht erkennbar ist, dass das Bauvorhaben gewichtigen Anliegen oder Grundsätzen des Umweltschutzes und der Raumplanung entgegensteht, lassen die dargelegten Umstände auf ein überwiegendes privates Interesse des Bauherrn an der Beurteilung der Sache entsprechend der diesbezüglichen Rechtslage im Zeitpunkt der Bewilligungserteilung schliessen, weshalb im vorliegenden Fall die noch gültigen Normen zur Anwendung kommen (vgl. LGVE 2022 IV Nr.10 E. 8.6).

4.5.
Daran ändert die kantonal-verfahrensrechtliche Vorschrift, wonach grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheids massgebend sind, nichts (vgl. § 146 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40]). Diese generelle Verfahrensregel muss gegenüber besonderen Normen zurücktreten, die materiell-rechtlich von diesem Grundsatz abweichen. Dies mag besonderen Übergangsregelungen geschuldet sein oder eben speziellen Grundsätzen der Praxis, nach welcher rechtlicher Ordnung ein Baugesuch zu beurteilen ist. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 146 Abs. 1 VRG, der nicht absolut formuliert ist, sondern ausdrücklich die Natur der Streitsache vorbehält. Schliesslich ist nicht zu verkennen, dass es sich bei den im Zeitpunkt ihrer öffentlichen Auflage als Planungszone geltenden neuen Bau- und Nutzungsvorschriften nicht um definitiv gültiges neues Recht handelt. Vielmehr ist es ein neues Recht sui generis mit dem Moment des Provisoriums; denn es steht nicht fest, ob die entsprechenden Bau- und Nutzungsvorschriften und neuen Nutzungspläne dereinst in Kraft treten werden (LGVE 2022 IV Nr. 10 E. 8.6).

Dieser verfahrensrechtlichen Optik steht das Urteil 7H 14 245 vom 22. April 2015 nicht entgegen (publiziert in LGVE 2015 IV Nr. 8). Dieses Urteil betraf eine Baubewilligung, die die Gemeinde Vitznau erteilt hatte. Praktisch gleichzeitig mit der Zustellung der Baubewilligung wurde der Entwurf der Revision der kommunalen BZO aufgelegt. Dazu kam, dass das Baugrundstück in einem Gebiet mittlerer Gefährdung lag und neue Normen hierzu im Rahmen der Revision erlassen wurden, die im öffentlichen Interesse lagen. Darüber hinaus hatte der Bauherr gewusst, dass die öffentliche Auflage unmittelbar bevorstand, und als Fachperson (ortsansässiger Architekt) konnte er sich angesichts der konkreten Umstände nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Entsprechend war dieser Fall anders gelagert als der vorliegende.

4.6.
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass die lange Dauer des Baubewilligungsverfahrens und der Umstand, dass es sich um den zweiten Rechtsgang vor Kantonsgericht handelt, rechtfertigen, die Beschwerde ausschliesslich unter dem Aspekt des geltenden Rechts zu prüfen. Diese Interessenabwägung zugunsten des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit greift umso mehr, als das konkrete Bauprojekt weder gegen wichtige Anliegen der Raumplanung bzw. der örtlichen Nutzungsplanung verstösst noch dessen allfällige Realisierung die mit der Revisionsvorlage angepeilte Nutzungsordnung insgesamt unterlaufen oder eminent öffentliche Interessen missachten würde.

Nachstehend sind daher die materiellen Rügen gestützt auf das (noch) geltende Baurecht der Stadt Luzern zu prüfen. Wo es angezeigt ist, wird auf die abweichende Auffassung der Beschwerdeführer bei den konkreten Rügen eingegangen.

[...]

8.

8.1.
Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die minimalen und maximalen Pflichtabstellplätze für Autos und Velos hätten anhand des neuen Parkplatzreglements der Stadt Luzern berechnet werden müssen. Die Sache sei zwecks Einholung der Berechnungsgrundlagen und deren Überprüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

8.2.
Grundsätzlich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides massgebend (§ 146 VRG). Diese generelle Verfahrensregel gilt jedoch nicht absolut und muss gegenüber besonderen Normen zurücktreten, die materiell-rechtlich von diesem Grundsatz abweichen. Dies mag allfälligen besonderen Übergangsregelungen geschuldet sein oder eben speziellen Grundsätzen der Praxis, nach welcher rechtlicher Ordnung ein Baugesuch zu beurteilen ist. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 146 Abs. 1 VRG, der nicht absolut formuliert ist, sondern ausdrücklich die Natur der Streitsache vorbehält (vgl. E. 4.5).

Hinsichtlich der Berechnung der Pflichtabstellplätze geht es nicht um die Anwendung von "provisorisch gültigem Recht" (wie bei der öffentlichen Auflage des BZR mit Wirkung einer Planungszone), sondern um Rechtsvorschriften, die nach Erteilung der Baubewilligung definitiv in Kraft getreten sind. Grundsätzlich wird nach dem anwendbaren kantonalen Prozessrecht auf die im Zeitpunkt der kantonsgerichtlichen Beurteilung geltende Rechtslage abgestellt. Dies kann zur Folge haben, dass die Rechtsmittelinstanz bauliche Massnahmen gestützt auf Normen prüft, welche vor der erstinstanzlich zuständigen Baubewilligungsbehörde noch keine Gültigkeit hatten. Diese Konsequenz ist unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der (prinzipiell) sofortigen Anwendung des neuen Rechts vertretbar, erscheint indes aus funktionaler Sicht nicht immer unbedenklich. Von vornherein unproblematisch ist derlei dann, wenn die Streitsache nach alter und neuer Rechtslage gleich zu beurteilen ist, Änderungen von anwendbaren Normen letztlich also keinen Einfluss auf den Entscheid haben. Vom erwähnten Grundsatz der sofortigen Anwendung geänderter Normen kann und soll aber abgewichen werden, wenn z.B. ein Verfahren ungebührlich lange gedauert hat und die Anwendung des neuen (aus Sicht der Bauherrschaft) strengeren Rechts unverhältnismässig wäre – insbesondere, wenn die Verzögerung durch Einsprachen und Beschwerden Dritter verursacht wurde – oder aber bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten einer der Parteien (vgl. Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 17 134 vom 3.1.2018 E. 1.6.1 [publiziert in LGVE 2018 IV Nr. 7]). Das anwendbare Recht, das während eines Rechtsmittelverfahrens in Kraft tritt, beurteilt sich somit gleichermassen aufgrund einer Abwägung der betroffenen privaten und öffentlichen Interessen und berücksichtigt insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Obwohl der Grundeigentümer keinen Anspruch darauf hat, dass seine baulichen Nutzungsmöglichkeiten dauernd bestehen bleiben, muss er doch bei der Ausarbeitung eines Bauprojekts auf geltende und auf voraussehbare künftige Vorschriften abstellen können.

8.3.
Das neue Parkplatzreglement ist am 1. September 2021 in Kraft getreten und damit nach dem Baubewilligungsentscheid vom 2. August 2021. Wie bereits erwähnt, geht dem angefochtenen Bauvorhaben bereits eine längere Prozessgeschichte voraus (siehe E. 4.4). Daher ist anzunehmen, dass der Bauherr weder im Zeitpunkt der Einreichung seines ersten Baugesuchs (November 2017) noch bei Einreichung des abgeänderten Baugesuchs (Oktober 2020) vom Inkrafttreten des neuen Parkplatzreglements wusste. Diesem Umstand ist unter dem Titel der Rechtssicherheit erhebliches Gewicht beizumessen, insbesondere der Tatsache, dass selbst das abgeänderte Baugesuch bereits vor über zwei Jahren eingereicht worden und das Parkplatzreglement erst während des Rechtsmittelverfahrens in Kraft getreten ist. Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz würde das Verfahren erneut erheblich in die Länge ziehen. Die Anwendung des neuen Reglements erscheint unter diesen Umständen unverhältnismässig und keineswegs sachgerecht. Darüber hinaus ist keine Verletzung von gewichtigen öffentlichen Interessen durch die Anwendung des bisherigen Rechts ersichtlich. Die Beschwerdeführer erwähnen auch nicht, inwiefern das neue Parkplatzreglement eine Veränderung der Anzahl Parkplätze mit sich bringen würde und öffentliche Interessen beeinträchtigt. Zwar machten sie in der Replik geltend, die Anwendung des neuen Parkplatzreglements führe bei den Baugrundstücken an dieser Lage mit guter Anbindung an den öffentlichen Verkehr zu einer Herabsetzung der Einstellplätze. Sie hätten ein schutzwürdiges Interesse an der Minimierung des mit dem zusätzlichen Verkehr verbundenen Lärms. Mit diesen allgemeinen Hinweisen vermögen sie aber nicht eine nochmalige Beurteilung der Parkplatzfrage unter der aktuell gültigen Ordnung zu rechtfertigen. Die dargelegten Umstände lassen vielmehr auf ein überwiegendes privates Interesse des Bauherrn an der Beurteilung der Sache entsprechend der diesbezüglichen Rechtslage im Zeitpunkt der Bewilligungserteilung schliessen. Demzufolge ist der Berechnung der Pflichtabstellplätze für Autos und Velos anhand des alten Parkplatzreglements zu folgen und die Sache nicht an die Vorinstanz zurückzuweisen.