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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Gesundheits- und Sozialdepartement
Abteilung:-
Rechtsgebiet:Sozialhilfe
Entscheiddatum:13.12.2023
Fallnummer:GSD 2024 1
LGVE:2024 VI Nr. 2
Gesetzesartikel:§ 31 Abs. 1 SHG
Leitsatz:Der Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL) umfasst verschiedene Ausgabenpositionen für die alltäglichen Verbrauchsaufwendungen in einkommensschwachen Haushaltungen. Die Sozialhilfebehörden dürfen die Dispositionsfreiheit einer unterstützten Person nicht einschränken, indem sie diese dazu verpflichten, für eine GBL-Position mehr als den gemäss Richtgrösse vorgesehen Betrag auszugeben.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:A wurde vom Sozialamt verpflichtet, zur Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse an einem bestimmten Deutschkurs teilzunehmen. Sie beantragte, dass sämtliche mit dem Kursbesuch verbundenen Verkehrsauslagen durch die Sozialhilfe übernommen werden. Daraufhin verfügte das Sozialamt, dass A nur die Kosten für den ausserhalb der zum örtlichen Nahverkehr zählenden öffentlichen Verkehr als situationsbedingte Leistungen (SIL) zusätzlich vergütet würden, da die Kosten für den örtlichen Nahverkehr bereits im Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL) enthalten seien. Dies focht A nach abgewiesener Einsprache mit Verwaltungsbeschwerde beim Gesundheits- und Sozialdepartement an.

Aus den Erwägungen:

3.2
Gemäss Kapitel C.1 der Skos-Richtlinien umfasst die von der Sozialhilfe geleistete materielle Grundsicherung unter anderem den GBL. Dieser deckt auch die Verkehrsauslagen im örtlichen Nahverkehr ab (Skos-Richtlinien C.3.1, Ziff. 1.f.). Konkretisierend hält das Luzerner Handbuch zur Sozialhilfe fest, dass unter die Verkehrsauslagen im örtlichen Nahverkehr Billette für Bahn, Tram, Bus, Halbtax sowie Velo-Ersatzteile fallen (Luzerner Handbuch zur Sozialhilfe, Ausgabe 12 vom Januar 2023, Kapitel C.3.1.1, S. 17).

Nebst dem GBL werden unter anderem auch SIL im Unterstützungsbudget berücksichtigt. Diese ermöglichen es, die Sozialhilfe individuell und nach Bedarf auszurichten. (…)

Die Kosten für den örtlichen Nahverkehr sind grundsätzlich im GBL enthalten. Als SIL kommen Auslagen für den öffentlichen Verkehr folglich nur infrage, wenn sie über den im Grundbedarf enthaltenen Betrag hinausgehen. Die Sozialbehörde hat dementsprechend zu prüfen, bis zu welchem Betrag regionale Verkehrsabonnemente durch den GBL gedeckt werden. Wenn die im konkreten Fall unvermeidlich anfallenden Verkehrsauslagen den im GBL enthaltenen Betrag übersteigen, ist die Differenz als SIL in das Unterstützungsbudget aufzunehmen (vgl. Skos, Zeitschrift für Sozialhilfe [ZeSo], 1998, S. 77).

3.3
Der GBL umfasst verschiedene Ausgabenpositionen für die alltäglichen Verbrauchsaufwendungen in einkommensschwachen Haushaltungen (sog. «Skos-Warenkorb»; vgl. Skos-Richtlinien C.3.1 mit Erläuterungen Bst. a). Von diesen Skos-Warenkorb-Positionen entfallen 6,1 Prozent auf Verkehrsauslagen für den örtlichen Nahverkehr (Skos, Praxishilfe «Skos-Warenkorb», Bern 2019). Dabei ist zu beachten, dass mit zunehmender Haushaltsgrösse der GBL pro Kopf abnimmt (Äquivalenzskala, siehe Skos-Richtlinien C.3.1 Ziff. 1bis mit Erläuterungen Bst. b) und somit weniger vom Grundbedarf für die einzelnen Warenkorb-Positionen pro Person zur Verfügung steht.

Die Beschwerdeführerin besuchte den Deutschkurs im Jahr 2022. Im Jahr 2022 betrug der GBL für einen Ein-Personen-Haushalt Fr. 1006.– pro Monat. Der GBL-Anteil eines Ein-Personen-Haushalts für die Ausgabeposition «Verkehrsauslagen (örtlicher Nahverkehr)» entsprach gemäss Skos-Warenkorb somit Fr. 61.35 (6,1 % von Fr. 1006.–).

Die Beschwerdeführerin lebt in einem Vier-Personen-Haushalt. Der GBL für einen Vier-Personen-Haushalt betrug im Jahr 2022 Fr. 2153.–, was pro Kopf einen GBL in der Höhe von Fr. 538.25 ergibt (Skos-Richtlinien C.3.1, Version vom 1. Januar 2022). Somit verfügte die Beschwerdeführerin für Verkehrsauslagen des örtlichen Nahverkehrs über Fr. 32.85 pro Monat (6,1 % von Fr. 538.25).

3.4
Für den Besuch des Deutschkurses im Jahr 2022 entstanden der Beschwerdeführerin für die Fahrt von ihrem Wohnort Z nach Y monatlich Kosten. Wie der Gemeinderat von Z zu Recht erwog, enthält bereits der GBL eine Position für die Auslagen des örtlichen Nahverkehrs, die von den effektiven Fahrtkosten (Wohnort–Kursort) in Abzug zu bringen sind. Im GBL nicht inbegriffen sind unter anderem «Auslagen für Stellensuche» oder «Auslagen zur beruflichen Integration (z. B. Sprachkurs) inkl. zusätzliche Verkehrsauslagen», wie sie der Beschwerdeführerin entstanden sind. Solche speziellen Kosten werden auf Gesuch hin ermessensweise im Rahmen der SIL erbracht. Massgebend für die Ausrichtung und Höhe der von der SIL umfassten Verkehrsauslagen ist, inwieweit diese im GBL nicht miterfasst beziehungsweise die entsprechenden Auslagen nicht durch den GBL gedeckt werden können (Skos-Richtlinie C.6.2, Ziff. 1). Von der Sozialhilfe zusätzlich zu vergüten ist demzufolge lediglich die Differenz zwischen den gesamten Verkehrsauslagen und dem im GBL bereits enthaltenen Anteil für den örtlichen Nahverkehr.

Die Fahrtkosten zwischen dem Wohnort der Beschwerdeführerin und dem Kursort in Y betrugen Fr. 116.– pro Monat. Die Gemeinde hat von diesem Betrag die Kosten für ein Billett der Nahverkehrszone (1 Zone, Fr. 71.–) in Abzug gebracht. Die Differenz von Fr. 45.– (Fr. 116.– minus Fr. 71.–) wurden zu Gunsten der Beschwerdeführerin als SIL von der Sozialhilfe übernommen.

3.5
Der Beschwerdeführerin steht im Rahmen ihres GBL – wie erwähnt – monatlich für den örtlichen Nahverkehr Fr. 32.85 zur Verfügung (vgl. oben E. 3.3). Zusätzlich zu den im GBL enthaltenen Verkehrsauslagen in der Höhe von Fr. 32.85 wurde ihr eine SIL von Fr. 45.– zugesprochen. Insgesamt erhielt die Beschwerdeführerin im Rahmen der wirtschaftlichen Sozialhilfe somit Fr. 77.85 monatlich für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel, welche der Beschwerdeführerin entstanden sind, um den Deutschkurs in Y zu besuchen, beliefen sich auf Fr. 116.– (Abonnement für Zone z + Zone y). Den Differenzbetrag in der Höhe von Fr. 38.15 (Fr. 116.-– minus Fr. 77.85) musste die Beschwerdeführerin somit aus jenem Teil des GBL bezahlen, der für andere Positionen des Skos-Warenkorbs vorgesehen ist.

Vorliegend entstanden der Beschwerdeführerin die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel aufgrund ihrer Teilnahme an einem Sprachkurs, zu welcher sie im Rahmen einer beruflichen Eingliederungsmassnahme mit Auflage/Weisung vom 28. April 2022 durch das Sozialamt verpflichtet wurde. Der Beschwerdeführerin stand es somit nicht frei, diese Ausgaben zu tätigen oder darauf zu verzichten, womit sie diesbezüglich in ihrer Dispositionsfreiheit betreffend die Verwendung ihres GBL eingeschränkt war (vgl. dazu Wizent Guido, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2023, Rz. 484 ff.). Aus diesem Grund ist es nicht sachgerecht, wenn sie gebundene Verkehrsauslagen, welche den in ihrem GBL enthaltenen Betrag von Fr. 32.85 für den örtlichen Nahverkehr übersteigen, aus jenem Teil ihres GBL finanzieren muss, welcher gemäss Skos-Warenkorb für andere Ausgabenpositionen vorgesehen ist.