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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:3. Abteilung
Rechtsgebiet:Invalidenversicherung
Entscheiddatum:29.01.2024
Fallnummer:5V 23 203
LGVE:2024 III Nr. 2
Gesetzesartikel:Art. 36 Abs. 1 ATSG, Art. 43 Abs. 1 ATSG, Art. 43 Abs. 1bis ATSG, Art. 44 Abs. 1 ATSG, Art. 44 Abs. 2 ATSG, Art. 44 Abs. 4 ATSG, Art. 44 Abs. 7 lit. a ATSG, Art. 55 Abs. 1 ATSG, Art. 61 lit. c ATSG; Art. 5 Abs. 2 VwVG, Art. 46 Abs. 1 lit. a VwVG, Art. 10 Abs. 1 VwVG; Art. 57 Abs. 1 lit. n IVG; Art. 7j Abs. 1 ATSV, Art. 7j Abs. 2 ATSV, Art. 7j Abs. 3 ATSV; Art. 72bis Abs. 1 IVV, Art. 72bis Abs. 2 IVV, Art. 41b IVV.
Leitsatz:Die IV-Stelle ist bei der Anordnung von monodisziplinären Gutachten verpflichtet, einen Einigungsversuch durchzuführen, wenn Einwände gegen die Gutachterperson vorgebracht werden.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen die am 7. Juni 2023 verfügte Einsetzung des psychiatrischen Gutachters, folglich gegen eine Zwischenverfügung, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann und darum praxisgemäss beschwerdeweise anfechtbar ist (Art. 55 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1] i.V.m. Art. 5 Abs. 2 und Art. 46 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021]; § 128 Abs. 2 und 3 lit. f des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40]; vgl. BGE 138 V 271 E. 1.2.2 f., 137 V 210 E. 3.4.2.7; vgl. ferner BGE 139 V 349 E. 5.1).

2.
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19.6.2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Auf alle Rentenansprüche, die ab dem 1. Januar 2022 entstehen, finden die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der Fassung gültig ab dem 1. Januar 2022 Anwendung (vgl. Kreisschreiben über Invalidität und Rente in der Invalidenversicherung [KSIR], gültig ab 1.1.2022, Rz. 9100).

Da sich die Beschwerdeführerin am 2. März 2015 zum Leistungsbezug angemeldet hat, entstünde ein möglicher Rentenanspruch unter Beachtung der Karenzfrist von Art. 29 Abs. 1 IVG – bei zudem erfülltem Wartejahr – frühestens ab 1. September 2015 und somit vor dem 1. Januar 2022. In zeitlicher Hinsicht sind Verfahrensvorschriften jedoch grundsätzlich nach den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen sofort auf hängige Verfahren anwendbar (vgl. BGE 115 II 97 E. 2c). Daher sind betreffend Gutachtensanordnung die ab 1. Januar 2022 geltenden Bestimmungen zu beachten.

3.
3.1.
Nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 ATSG prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Gestützt auf Art. 43 Abs. 1bis ATSG bestimmt er die Art und den Umfang der notwendigen Abklärungen. Erachtet er im Rahmen von medizinischen Abklärungen ein Gutachten als notwendig, so legt er je nach Erfordernis eine der folgenden Arten fest (Art. 44 Abs. 1 ATSG): lit. a monodisziplinäres Gutachten; lit. b bidisziplinäres Gutachten; lit. c polydisziplinäres Gutachten.

3.2.
In Art. 44 Abs. 7 lit. a ATSG wurde die Kompetenz des Bundesrates zur Regelung für die Gutachtensvergabe festgehalten. Gestützt darauf erliess er Art. 72bis IVV. Medizinische Gutachten, an denen drei oder mehr Fachdisziplinen beteiligt sind, haben bei einer Gutachterstelle zu erfolgen, mit welcher das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) eine Vereinbarung getroffen hat (Art. 72bis Abs. 1 IVV). Medizinische Gutachten, an denen zwei Fachdisziplinen beteiligt sind, haben bei einer Gutachterstelle oder einem Sachverständigen-Zweierteam zu erfolgen, mit der oder dem das BSV eine Vereinbarung getroffen hat (Art. 72bis Abs. 1bis IVV). Die Vergabe der Aufträge erfolgt nach dem Zufallsprinzip (Art. 72bis Abs. 2 IVV).

3.3.
In Art. 44 Abs. 2 ATSG ist vorgesehen, dass der Versicherungsträger in Fällen, wo er zur Abklärung des Sachverhalts ein Gutachten bei einem oder mehreren unabhängigen Sachverständigen einholen muss, der Partei deren Namen bekannt gibt. Die versicherte Person kann innert zehn Tagen aus den Gründen nach Art. 36 Abs. 1 ATSG einen Sachverständigen ablehnen und Gegenvorschläge machen. Nach Art. 36 Abs. 1 ATSG treten Personen, die Entscheidungen über Rechte und Pflichten zu treffen oder vorzubereiten haben, in Ausstand, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben oder aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten. Wenn eine Partei eine Sachverständige oder einen Sachverständigen nach Art. 44 Abs. 2 ATSG ablehnt, hat der Versicherungsträger die Ausstandsgründe zu prüfen (Art. 7j Abs. 1 der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSV; SR 830.11]). Liegt kein Ausstandsgrund vor, ist ein Einigungsversuch durchzuführen, sofern das Gutachten nicht nach dem Zufallsprinzip vergeben wird (vgl. Art. 7j Abs. 3 ATSV). Der Einigungsversuch kann mündlich oder schriftlich durchgeführt werden und ist in den Akten zu dokumentieren (Art. 7j Abs. 2 ATSV).

3.4.
3.4.1.
Der Ablauf eines Einigungsverfahrens ist im Kreisschreiben über das Verfahren in der IV (KSVI; Stand 1.2.2023) wie folgt beschrieben:

Sofern Ausstandsgründe oder Einwände vorgebracht werden, prüft die IV-Stelle, ob einer der folgenden Ausstandsgründe (Art. 36 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 VwVG) vorliegt: der Sachverständige hat in der Sache ein persönliches Interesse; der Sachverständige ist mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert oder durch Ehe, Verlobung oder Kindesannahme verbunden; der Sachverständige ist aus anderen Gründen in der Sache befangen (KSVI Rz. 3080). Liegt ein Ausstandsgrund nach Rz. 3080 vor, legt die IV-Stelle unter Berücksichtigung der Gegenvorschläge der versicherten Person einen neuen Sachverständigen fest. Die IV-Stelle stellt der versicherten Person eine neue Mitteilung mit dem Namen sowie dem Facharzttitel der mit dem Gutachten beauftragten Person zu. Nach Ablauf der 10-tägigen Frist für die Erhebung von Ausstandsgründen oder Einwänden wird der Auftrag an die begutachtende Person erteilt (KSVI Rz. 3081). Liegt kein Ausstandsgrund nach Rz. 3080 vor, aber die versicherte Person hat andere Einwände gegen die Wahl des Sachverständigen geltend gemacht, findet ein Einigungsversuch statt. Die IV-Stelle prüft, ob sie einen der von der versicherten Person vorgeschlagenen Sachverständigen annehmen kann (KSVI Rz. 3082). Hat die versicherte Person keine Gegenvorschläge eingereicht oder kann die IV-Stelle keinen der vorgeschlagenen Sachverständigen annehmen, muss eine Einigung gesucht werden (Art. 7j Abs. 1 ATSV; KSVI Rz. 3083). Dafür hat die IV-Stelle der versicherten Person die Liste der Sachverständigen nach Art. 57 Abs. 1 lit. n IVG und Art. 41b IVV vorzulegen (KSVI Rz. 3084). Ein Einigungsversuch setzt voraus, dass ein (mündlicher oder schriftlicher) Austausch zwischen der IV-Stelle und der versicherten Person stattfindet. Dieser Austausch muss in den Akten dokumentiert sein (Art. 7j Abs. 2 ATSV; KSVI Rz. 3085). Wird eine Einigung gefunden, stellt die IV-Stelle der versicherten Person eine neue Mitteilung mit dem Namen sowie dem Facharzttitel der mit dem Gutachten beauftragten Person zu und erteilt den Auftrag an die begutachtende Person (KSVI Rz. 3086). Wird keine Einigung gefunden, erlässt die IV-Stelle eine Zwischenverfügung (Art. 44 Abs. 4 ATSG), worin sie den Namen der begutachtenden Person festhält und begründet, weshalb den Einwänden nicht Rechnung getragen wurde (KSVI Rz. 3087).

3.4.2.
Die Verwaltungsweisungen sind für das Gericht grundsätzlich nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE 141 V 365 E. 2.4 mit Hinweisen).

3.5.
Sowohl das Verwaltungsverfahren wie auch der kantonale Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (vgl. Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Demnach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange an, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichend Klarheit besteht (BGer-Urteil 9C_296/2018 vom 14.2.2019 E. 4).

4.
Streitig und zu prüfen ist das Festhalten der IV-Stelle an der Abklärungsstelle resp. die Wahl der Gutachterperson Dr. A.________. Zwischen den Parteien zwischenzeitlich unstreitig ist dagegen, dass es einer monodisziplinären psychiatrischen Begutachtung mit der Zusatz- bzw. Hilfsdisziplin Neuropsychologie (vgl. hierzu BGer-Urteil 9C_752/2018 vom 12.4.2019 E. 5.3) bedarf.

Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen und zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich – in Form einer Verfügung – Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand (BGE 125 V 413 E. 1a). Streitgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege ist das Rechtsverhältnis, welches – im Rahmen des durch die Verfügung bestimmten Anfechtungsgegenstands – den aufgrund der Beschwerdebegehren effektiv angefochtenen Verfügungsgegenstand bildet. In der Verwaltungsverfügung festgelegte – somit Teil des Anfechtungsgegenstands bildende –, aber aufgrund der Beschwerdebegehren nicht mehr streitige – somit nicht zum Streitgegenstand zählende – Fragen prüft das Gericht nur, wenn die nichtbeanstandeten Punkte in engem Sachzusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen (BGE 125 V 413 E. 1b). Ob eine psychiatrische Begutachtung samt Hilfsdisziplin ausreichend ist, um den Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin umfassend zu beurteilen, ist vorliegend mangels engen Sachzusammenhangs nicht zu prüfen.

5.
5.1.
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die IV-Stelle sei bei der Vergabe des Gutachtens an Dr. A.________ nicht korrekt vorgegangen, insbesondere habe sie keinen den (weisungs-)rechtlichen Bestimmungen entsprechenden Einigungsversuch durchgeführt.

Die IV-Stelle wendet dagegen ein, es habe keine Pflicht zur Durchführung eines Einigungsversuchs bestanden.

5.2.
Entgegen der Ansicht der IV-Stelle ist sie bei der Vergabe des monodisziplinären Gutachtens an Dr. A.________ nicht korrekt vorgegangen, was die nachfolgenden Erwägungen aufzeigen.

5.2.1.
Vorliegend ist das Verfahren insofern besonders gelagert, als die Beschwerdeführerin von sich aus Vorschläge betreffend Sachverständige gemacht hat, bevor die IV-Stelle überhaupt mögliche Gutachterpersonen bestimmen konnte. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die IV-Stelle zuerst ein polydisziplinäres Gutachten in Auftrag geben wollte und die Versicherte sich dagegen gewehrt sowie gleichzeitig "Gegenvorschläge" gemacht hat. Trotzdem hätte die IV-Stelle diese Gegenvorschläge zumindest prüfen müssen. Diese Ansicht scheint die IV-Stelle implizit zu teilen, fragte sie doch beim Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) Dr. B.________ – nachdem die Beschwerdeführerin als Gegenvorschlag zu Dr. C.________ die möglichen Sachverständigen Dr. D.________ und PD Dr. E.________ vorgebracht hatte – nach, ob auf die Gegenvorschläge eingegangen werden könne und – bejahendenfalls – an wen der Auftrag zu vergeben sei; verneinendenfalls werde um die Unterbreitung von drei weiteren Gutachterpersonen ersucht. Eine solche Nachfrage hätte die IV-Stelle wohl nicht vorgenommen, wenn sie der Ansicht gewesen wäre, sie müsse sich zu den von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Gutachterpersonen nicht äussern. Der RAD-Arzt nahm am 8. Mai 2023 jedoch nicht Stellung zu den vorgeschlagenen Gutachtern, stattdessen schlug er drei andere Gutachterpersonen vor. Nachdem die Beschwerdeführerin die neuen drei Vorschläge der IV-Stelle abgelehnt und – nebst den bereits erfolgten Vorschlägen – weitere Gegenvorschläge vorgelegt hatte, ging Dr. B.________ am 6. Juni 2023 wieder nicht in begründeter Weise auf die vorgeschlagenen Gutachterpersonen ein, sondern brachte lediglich vor, grundsätzlich würde er beide Vorschläge der Beschwerdeführerin ablehnen, am ehesten käme noch Dr. F.________ in Frage; vorgängig sei eine neuropsychologische Abklärung bei G.________, Luzern, durchzuführen. Anschliessend hielt die IV-Stelle mit Verfügung vom 7. Juni 2023 an Dr. A.________ als Sachverständigen fest.

5.2.2.
Das Vorgehen der IV-Stelle entspricht nicht demjenigen, welches für sie grundsätzlich nach KSVI verbindlich ist. Nachdem die IV-Stelle zum Schluss gekommen war, sie könne die Gegenvorschläge nicht beachten, hätte sie im Rahmen des Einigungsverfahrens der Beschwerdeführerin die Liste der Sachverständigen nach Art. 57 Abs. 1 lit. n IVG und Art. 41b IVV vorlegen müssen (KSVI Rz. 3083 f.). Indem die IV-Stelle jedoch zu den Gegenvorschlägen nicht begründet Stellung genommen hat, verletzte sie ihre Begründungspflicht und damit das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin. Insbesondere fällt auf, dass die IV-Stelle auf das Vorbringen, es sei aus verschiedenen Gründen eine Verlaufsbegutachtung bei Dr. D.________ einzuholen, zu keinem Zeitpunkt eingegangen ist. Die Korrektive zur Stärkung der Partizipationsrechte gebieten zudem ein konsensorientiertes Vorgehen bei der Auswahl einer Gutachterstelle resp. einer Gutachterperson, welches über die blosse Prüfung allfälliger Ablehnungs- bzw. Ausstandsgründe hinaus – im Interesse einer verbesserten Akzeptanz bei den Betroffenen – auf ein Einvernehmen mit den Versicherten abzielt. Daraus folgt, dass auch dann auf eine Einigung hinzuwirken ist, wenn keine Ausschliessungs- und Ausstandsgründe vorliegen. Zu diesem Zweck muss sich die IV-Stelle mit den Vorschlägen der versicherten Personen auseinandersetzen und prüfen, ob die vorgeschlagenen Gutachterpersonen grundsätzlich in Frage kommen (z.B. Nachfrage, ob freie Kapazität und in der Lage, zu vergebendes Gutachten in der erwarteten Bearbeitungszeit zu verfassen etc., vgl. KSVI Rz. 3074). Entspricht eine vorgeschlagene Gutachterperson nach Ansicht der IV-Stelle diesen Anforderungen nicht, hat sie dies der versicherten Person mitzuteilen, wobei sie darzulegen hat, von welchen Überlegungen sie sich leiten liess (vgl. dazu auch Urteil des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt UV.2022.7 vom 29.9.2022 E. 4.6 und 4.8). Dieses Versäumnis holte sie auch im vorliegenden Verfahren nicht nach, weshalb eine Heilung der Verletzung des rechtlichen Gehörs ausgeschlossen ist. Damit führte die IV-Stelle trotz entsprechender Bezeichnung kein rechtsgenügliches Einigungsverfahren durch. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu betonen, dass auch unter der neuen Gesetzgebung ab 1. Januar 2022 kein Recht der versicherten Person auf freie Wahl der Gutachterperson besteht.

Aufgrund des Ausgeführten ist erstellt, dass die IV-Stelle eine Pflicht zur Durchführung eines Einigungsversuchs trifft, auch wenn keine Ausstandsgründe, sondern lediglich andere Einwände gegen die Gutachterperson vorgebracht werden. Dies ergibt sich bereits aus Rz. 3079 KSVI, in welcher erklärt wird, nur "sofern keine Ausstandsgründe oder Einwände" vorgebracht werden, wird der Auftrag an die begutachtende Person erteilt. Zudem hält Rz. 3082 KSVI unmissverständlich fest, dass ein Einigungsversuch stattfinden muss, wenn kein Ausstandsgrund nach Rz. 3080 vorliegt, die versicherte Person aber andere Einwände gegen die Wahl des Sachverständigen geltend gemacht hat. Die gegenteilige Auffassung (Verzicht auf Einigungsversuch unter den genannten Umständen) würde dazu führen, dass die versicherte Person "pro forma" einen Ausstandsgrund vorzubringen hätte, nur damit dieser abgelehnt und anschliessend ein Einigungsversuch durchgeführt werden müsste, was nicht angehen kann. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb das KSVI vorliegend nicht angewendet werden sollte. Bereits vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen ab 1. Januar 2022 hielt das Bundesgericht im Übrigen fest, wenn die IV-Stelle anstatt einer polydisziplinären Begutachtung eine mono- oder bidisziplinäre Expertise einholen will, hat sie zwingend einen Einigungsversuch durchzuführen (BGE 139 V 349 E. 5.4). Gründe, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Sofern die IV-Stelle sinngemäss bemängelt, die Beschwerdeführerin habe ihre Einwände nicht genügend begründet, kann ihr zwar in dem Sinn beigepflichtet werden, dass sich diese in der Tat nicht ausdrücklich dazu äussert, weshalb die von der IV-Stelle vorgeschlagenen Gutachterpersonen abgelehnt werden. Allerdings verlangte die Versicherte – wie zuvor bereits erwähnt – die Anordnung eines Verlaufsgutachtens bei Dr. D.________ und lieferte hierzu eine Begründung, worauf die IV-Stelle mit keinem Wort einging. Hätte die Verwaltung die Ansicht vertreten, der Einwand gegen die vorgeschlagenen Gutachterpersonen wäre damit nicht genügend klar formuliert gewesen, hätte es sich vor diesem Hintergrund aufgedrängt, der Beschwerdeführerin eine einmalige Nachfrist zur Substantiierung oder Nachbesserung zu gewähren (vgl. KSVI Rz. 3077). Soweit die IV-Stelle vorbringt, die Versicherte verhalte sich durch die Beschwerdeerhebung widersprüchlich, da sie in ihrem Schreiben vom 16. Mai 2023 festgehalten habe, dass für sie am ehesten Dr. A.________ für eine Begutachtung in Frage komme, trifft dies nicht zu. Die Beschwerdeführerin erklärte damals ausdrücklich, die von der IV-Stelle vorgeschlagenen Gutachterpersonen würden abgelehnt. Dr. A.________ würde nur insofern akzeptiert, wenn es einer von diesen Gutachtern sein müsste. Damit brachte die Versicherte klar zum Ausdruck, dass sie auch Dr. A.________ grundsätzlich ablehnte. Ein ihr anzulastendes widersprüchliches Verhalten liegt unter diesen Umständen nicht vor.

5.3.
(…)

5.4.
Vor diesem Hintergrund ist zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin in Anbetracht der konkreten Umstände in Bezug auf die Wahl des psychiatrischen Gutachters keinen Einigungsversuch gemäss den dafür massgebenden Bestimmungen durchgeführt und auch nicht anderweitig ernsthaft angestrebt hat, im Rahmen eines konsensorientierten Vorgehens das monodisziplinäre Gutachten zu veranlassen.

6.
Zusammenfassend ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinn gutzuheissen, dass die Verfügung vom 7. Juni 2023 aufzuheben und die Sache an die IV-Stelle zur ordentlichen Durchführung des Einigungsverfahrens gemäss den anwendbaren Rechtsgrundlagen und dem KSVI zurückzuweisen ist. (…).