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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:3. Abteilung
Rechtsgebiet:Ergänzungsleistungen
Entscheiddatum:13.11.2023
Fallnummer:5V 23 171
LGVE:2024 III Nr. 3
Gesetzesartikel:Art. 11a ELG, Art. 11a Abs. 1 ELG, Art. 11a Abs. 2 ELG; Art. 15e ELV, Art. 15e Abs. 1 ELV, Art. 17b lit. a ELV, Art. 17c ELV, Art. 17e ELV, Art. 25 ELV.
Leitsatz:Die Grundlagen zur Berechnung der Ergänzungsleistungen können im Rahmen der jährlichen Überprüfung ohne Bindung an die früher verwendeten Berechnungsfaktoren von Jahr zu Jahr neu festgelegt werden ("Kalenderjahrpraxis"; E. 4). Der Verzicht auf die Nutzniessung verwirklichte sich nicht bereits mit der vertraglich vereinbarten Möglichkeit eines Verzichts, sondern erst mit der konkreten Verzichtshandlung bzw. mit der tatsächlichen Löschung der Nutzniessung (E. 6). Der Verzicht auf die Nutzniessung ist als Einkommensverzicht jährlich wiederkehrend anzurechnen (E. 7-8).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:
Sachverhalt (Zusammenfassung):

Die Versicherte A.________, geboren 1942, trat am 19. November 2021 ins Betagtenzentrum B.________ in C.________ ein. Der über einen Vorsorgeauftrag eingesetzte Vertreter D.________, Sohn der Versicherten, teilte der Ausgleichskasse am 4. Mai 2022 mit, im März/April 2022 sei die Löschung der Nutzniessung zugunsten von A.________ am Grundstück Nr. E.________, GB C.________, vollzogen worden. Daraufhin verneinte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 25. Mai 2022 einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen ab 1. Juni 2022 bei einem Einnahmenüberschuss zufolge Anrechnung von Verzichtseinkommen. Die Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Ein neues Gesuch um Ausrichtung von Ergänzungsleistungen vom 19. Januar 2023 lehnte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 22. Februar 2023 ebenfalls ab, wobei sie weiterhin von einem Einnahmenüberschuss zufolge Anrechnung von Verzichtseinkommen ausging. Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 28. April 2023, gegen welchen A.________ Beschwerde erhob.

Aus den Erwägungen:

3.
Streitig ist die Anrechnung des Verzichts auf Nutzniessung am Grundstück Nr. E.________, GB C.________, im Umfang von Fr. 37'248.-- als jährlicher Einkommensbetrag bei der Berechnung des Anspruchs auf eine Ergänzungsleistung.

Die Ausgleichskasse macht geltend, die Löschung der Nutzniessung am Grundstück Nr. E.________, GB C.________, durch D.________, Vertreter der Beschwerdeführerin, stelle einen Verzicht auf jährliches Einkommen dar.

Die Beschwerdeführerin hält dagegen, dem sei nicht so, da die Löschung auf einer vertraglichen Abmachung beruht habe. Zudem müsse, wenn denn ein Verzicht anzunehmen sei, von einem Vermögensverzicht im Zeitpunkt des Grundstückverkaufs ausgegangen werden. Dabei sei auf weniger als 10 % des Werts der Liegenschaft verzichtet worden und dieser Vermögensverzicht verringere sich um jährlich Fr. 10'000.--.

4.
4.1.
Im Einspracheentscheid sowie in ihrer Vernehmlassung macht die Ausgleichskasse geltend, auf eine Neuanmeldung zum Bezug einer Ergänzungsleistung nach einer vorausgegangenen rechtskräftigen Abweisung eines ersten Gesuchs sei nur dann einzutreten, wenn die gesuchstellende Person eine leistungserhebliche Sachverhaltsänderung glaubhaft mache.

Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, diese Ausführungen seien nicht zutreffend.

4.2.
In BGE 128 V 39 E. 3b hielt das Bundesgericht fest, in Anbetracht der formell-gesetzlichen Ausgestaltung der Ergänzungsleistung als einer auf das Kalenderjahr bezogenen Versicherung könne eine Verfügung darüber in zeitlicher Hinsicht von vornherein nur für ein Kalenderjahr Rechtsbeständigkeit entfalten. Dies bedeute, dass die Grundlagen zur Berechnung der Ergänzungsleistungen im Rahmen der jährlichen Überprüfung ohne Bindung an die früher verwendeten Berechnungsfaktoren und unabhängig von der Möglichkeit der während der Bemessungsdauer vorgesehenen Revisionsgründe (Art. 25 Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELV; SR 831.301]) von Jahr zu Jahr neu festgelegt werden könnten.

Dies ist bis heute geltende Rechtsprechung des Bundesgerichts ("Kalenderjahrpraxis", vgl. BGer-Urteil 9C_336/2020 vom 3.9.2020 E. 2.2 mit Hinweisen; zur Kritik an dieser Praxis siehe: Jöhl/Usinger-Egger, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: SBVR XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 1711 ff., N 15 ff.).

Die Ausgleichskasse legt nicht dar, weshalb hier diese Praxis nicht zur Anwendung kommen sollte. Gründe, dass die (strengen) Voraussetzungen einer Praxisänderung (BGE 146 I 105, 137 III 352 E. 4.6) erfüllt wären, sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere mit Blick auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit ist im vorliegenden Fall an dieser bisherigen Rechtsprechung festzuhalten.

4.3.
Damit ist auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rügen zur Berechnungsgrundlage einzutreten.

5.
5.1.
5.1.1.
Mit öffentlicher Urkunde vom 13. August 2014 verkauften die Versicherte A.________ und ihr Ehemann selig F.________ das Grundstück Nr. E.________, GB C.________, an ihren Sohn D.________. Auf dem Grundstück befindet sich ein Mehrfamilienhaus mit drei Wohnungen. Die Wohnung im Erdgeschoss (EG) wurde von der Versicherten und ihrem Ehemann (bis zu dessen Hinschied) bewohnt, die Wohnung im ersten Obergeschoss (OG) wurde fremdvermietet und die Wohnung im zweiten OG wurde von D.________ und seiner Ehefrau bewohnt. Gleichzeitig mit dem Verkauf wurde am gesamten Grundstück eine lebenslängliche Nutzniessung gemäss Art. 745 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) zu Gunsten des verkaufenden Ehepaars F.________ und A.________ begründet und im Grundbuch eingetragen. Der Kaufpreis wurde durch die Übernahme der Grundpfandschuld von Fr. 830'000.-- sowie durch die Einräumung der Nutzniessung im Barwert von Fr. 446'438.90 bezahlt.

5.1.2.
Zur Ermittlung des Barwerts der Nutzniessung wurde auf den amtlichen Mietwert für die ganze Liegenschaft von Fr. 59'399.-- gemäss Schatzung vom 4. November 2013 abgestellt. Nach Abzug des Liegenschaftsunterhalts von 20 % sowie der jährlichen Hypothekarzinsen resultierte ein Nettoertrag von Fr. 33'143.20. Aufgrund der Lebenserwartung von A.________ (die höher war als diejenige ihres Ehemanns) wurde dieser Nettoertrag kapitalisiert, woraus ein Barwert von Fr. 446'438.90 resultierte.

5.1.3.
Unter Ziff. 13 des Grundstückkaufvertrags vereinbarten die Parteien das Folgende:

"Kündigung der Nutzniessung

Die Nutzniesser haben das Recht gemeinsam oder einzeln, jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten schriftlich auf die Nutzniessung zu verzichten ohne Entschädigungspflicht oder Ausgleichungspflicht seitens des Nutzniessungsbelasteten. Die Nutzniesser verpflichten sich diesfalls, die Bewilligung zur Löschung der Nutzniessung im Grundbuch zu erteilen. Ein solches Kündigungs- bzw. Verzichtsschreiben gilt als Löschungsbewilligung zuhanden des Grundbuchamtes.

Sofern einer der beiden Nutzniesser dauerhaft (das heisst ununterbrochen während mehr als drei Monaten) auswärts Wohnung nehmen muss, hat der Nutzniessungsbelastete das Recht, die Nutzniessung betreffend dieses Nutzniessers unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich zu kündigen ohne Entschädigungspflicht und ohne Ausgleichungspflicht seitens des Nutzniessungsbelasteten. Der jeweilige Nutzniesser verpflichtet sich diesfalls, die Bewilligung zur Löschung der Nutzniessung im Grundbuch zu erteilen."

5.2.
Die Beschwerdeführerin musste aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz am 19. November 2021 ins Betagtenzentrum B.________, C.________, ziehen. Am 25. Januar 2022 validierte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), Kreis C.________, den Vorsorgeauftrag und D.________ wurde als Vorsorgebeauftragter eingesetzt. Am 21. Februar 2022 kündigte D.________ das Nutzniessungsrecht der Versicherten am Grundstück Nr. E.________, GB C.________, gestützt auf die im Kaufvertrag in Ziff. 13 verankerte Klausel. Am 24. März 2022 wurde dieses im Grundbuch gelöscht.

6.
6.1.
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu Verzichtshandlungen (vgl. Müller, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum ELG, 3. Aufl. 2015, N 496-497) wurden mit der Reform des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) in Art. 11a ELG verankert. Abs. 1 dieser Bestimmung betrifft den Verzicht auf Erwerbseinkommen, was hier nicht vorliegt. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind die übrigen Einnahmen, Vermögenswerte und gesetzliche oder vertragliche Rechte, auf die eine Person ohne Rechtspflicht und ohne gleichwertige Gegenleistung verzichtet hat, als Einnahmen anzurechnen, als wäre nie darauf verzichtet worden. Nach Art. 17b lit. a ELV liegt dann ein Verzicht auf Vermögenswerte vor, wenn eine Person Vermögenswerte veräussert, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein, und die Gegenleistung weniger als 90 Prozent des Werts der Leistung entspricht. Vorausgesetzt wird zudem, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein direkter Zusammenhang besteht. Das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung beurteilt sich aufgrund des jeweiligen Werts der Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Verzichts (Art. 17c ELV; vgl. Carigiet/Koch, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 3. Aufl. 2021, N 634; vgl. auch LGVE 2003 II Nr. 34).

6.2.
Die Vorinstanz hält dafür, mit der Kündigung der Nutzniessung sei die Verzichtshandlung vollzogen worden. Die Beschwerdeführerin habe dabei auf Einkommen verzichtet, weshalb es auch als solches anzurechnen sei.

Die Beschwerdeführerin macht dagegen geltend, wenn überhaupt ein Verzicht anzunehmen sei, dann handle es sich um einen Vermögensverzicht und dieser sei im Zeitpunkt des Liegenschaftsverkaufs anzusiedeln (vgl. E. 3). Ein solcher Verzicht liege in der Einräumung eines Kündigungsrechts im Kaufvertrag und nicht in der Ausübung der Kündigung, da die Beschwerdeführerin auf letzteres keinen Einfluss habe nehmen können. Die Vorinstanz lasse den bezahlten Kaufpreis für die Liegenschaft vollkommen unbeachtet. Die Nutzniessung sei im Kaufpreis bereits mitabgegolten worden. Infolgedessen sei der geleistete Kaufpreis bei der Beurteilung, ob in Zusammenhang mit der Nutzniessung ein Verzicht vorliege, zwingend mit zu berücksichtigen (Beschwerde Ziff. 9).

Weiter bringt sie vor, die Vorinstanz habe zu Unrecht weder die Gegenleistung noch die tatsächliche Nutzniessung des Grundstücks in die Berechnung einbezogen. Die Beschwerdeführerin habe bis zum Zeitpunkt der Kündigung der Nutzniessung per 31. März 2022 unter Berücksichtigung des Freibetrags von Art. 17e ELV auch bereits faktisch eine Gegenleistung erhalten, welche mehr als 90 % des Grundstückwerts entsprochen habe (Beschwerde Ziff. 10). Der Wert der Nutzniessung, welche die Beschwerdeführerin im Zeitraum von Oktober 2014 bis März 2022 ausgeübt habe, müsse ihr in jedem Fall angerechnet werden. Konkret handle es sich um eine befristete Nutzung während siebeneinhalb Jahren. Der Barwert dieser Nutzung betrage Fr. 246'209.28. Unter Verweis auf das Luzerner Steuerbuch (Weisungen, des Gesetzes über die Grundstückgewinnsteuer [GGStG; SRL Nr. 647], § 9, Rz. 10 und RE 1963/64 Nr. 12) vertritt sie den Standpunkt, eine zeitlich befristete Nutzniessung beinhalte als Zeitrente im Grunde nichts anderes als die Bezahlung des Kaufpreises in Raten.

6.3.
Im Jahr 2014 veräusserten die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann selig die Liegenschaft an ihren Sohn D.________. Der Verkaufspreis wurde auf Fr. 1'276'438.90 festgelegt und lag damit um Fr. 11'338.90 über dem im Jahr 2013 geschätzten Katasterwert von Fr. 1'265'100.--. Die Parteien gingen im Kaufvertrag ausdrücklich davon aus, dass der Verkaufspreis dem Verkehrswert entsprochen habe. Auch die Vorinstanz hat mit Blick auf den Verkauf der Liegenschaft im Jahr 2014 ausdrücklich keinen Vermögensverzicht geltend gemacht.

6.4.
Der zum Zeitpunkt der Veräusserung der Liegenschaft festgesetzte Kaufpreis von Fr. 1'276'438.90 unterlag folgenden Zahlungsmodalitäten:

Einerseits hat D.________ als Käufer die damals bestehende Grundpfandschuld von Fr. 830'000.-- übernommen und anderseits wurde eine Nutzniessung auf dem Grundstück errichtet, für welche ein Barwert von Fr. 446'438.90 berechnet worden war. Damit zeigt sich, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann selig zum Zeitpunkt, in welchem sie die Liegenschaft veräusserten, den vollen Gegenwert in Bezug auf den ausgemachten Verkaufspreis erhalten haben. Oder anders gewendet: Die Belastung des Grundstücks durch die Nutzniessung zugunsten der Beschwerdeführerin und ihrem verstorbenen Gatten war Bestandteil des Kaufpreises und wurde im Umfang Fr. 446'438.90 dem Erwerber überbunden.

6.5.
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag nicht zu verfangen.

So macht sie geltend, dass durch die Einräumung der Klausel bezüglich der Kündigungsmöglichkeit bereits eine Vermögenshingabe erfolgt sei. Dem ist nicht so. Die Liegenschaft wurde veräussert und es erfolgte eine im Zeitpunkt äquivalente Gegenleistung durch die Übernahme der Hypothekarschuld und insbesondere durch die Einräumung der Nutzniessung. Soweit die Beschwerdeführerin zum einen anführt, die Einräumung eines Kündigungsrechts der Nutzniessung im Kaufvertrag stelle eine Verzichtshandlung dar, zum andern aber geltend macht, die Nutzniessung sei im Kaufpreis mitabgegolten worden, argumentiert sie widersprüchlich. Sie vermag denn auch keinen Betrag zu benennen, auf den anlässlich des Verkaufs verzichtet worden sein sollte.

Bei der in Ziff. 13 des Kaufvertrags formulierten Klausel handelt es sich um einen bedingten (vorzeitigen) Verzicht auf die bis ans Lebensende ausgelegte und entsprechend bewertete Nutzniessung.

Die Beschwerdeführerin ist bei Vertragsabschluss die Verpflichtung eingegangen, "ohne Entschädigungspflicht und ohne Ausgleichungspflicht seitens des Nutzniessungsbelasteten" auf die Einnahmen aus der Nutzniessung zu verzichten, wenn die Situation eintritt, dass sie "dauerhaft (das heisst ununterbrochen während mehr als drei Monaten) auswärts Wohnung nehmen muss". Erst als dies eintrat und die Beschwerdeführerin auf die Nutzniessung "verzichtet" hat, war die Verzichtshandlung vollendet. Damit ist ihr erst ab diesem Moment der Verzicht anzurechnen (vgl. Jöhl/Usinger-Egger, a.a.O., S. 1863 f., N 180).

Diese Resolutivbedingung wurde von der Beschwerdeführerin ohne gesetzlichen oder vertraglichen Zwang in den Kaufvertrag aufgenommen und es geht bereits aus dem Wortlaut derselben hervor, dass sie ohne Wertausgleich angewendet werden und damit also im Zeitpunkt von deren Anrufung keine adäquate Gegenleistung erfolgen sollte. Folglich ergibt sich bereits aus der Formulierung dieser Resolutivbedingung, dass sie letztlich einen Verzicht darstellt, der dann eintreten soll, wenn die Beschwerdeführerin nicht mehr in ihrer eigenen Wohnung verbleiben kann. Damit hatte man in dieser Konstellation mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den im höheren Alter möglicherweise erfolgenden Heimeintritt aus gesundheitlichen Gründen im Auge. Allgemein bekannt ist, dass ein Heimeintritt in der Regel sehr grosse Kosten zur Folge hat. Die Formulierung in Ziff. 13 des Vertrags weckt den Anschein, dass die Einkünfte aus der Nutzniessung bei Heimeintritt dem Sohn übertragen werden sollten, damit diese nicht zur Bezahlung der Heimkosten herangezogen werden können. Demnach dürfte diese Klausel einen Versuch darstellen, die Anrechnung von (Verzichts-)Vermögen oder Einkommen zu umgehen. Solches wäre ohnehin nicht zu schützen.

Die Beschwerdeführerin legt denn auch selber sehr anschaulich dar, dass der Barwert einer befristeten Nutzniessung für die Dauer von sieben Jahren und sechs Monaten lediglich Fr. 246'209.28 betragen habe. Im Kaufpreis war die Nutzniessung jedoch mit dem Barwert von Fr. 446'438.90 eingerechnet worden, d.h. mit über Fr. 200'000.-- mehr (vgl. E. 6.4). Betrachtet man die Nutzniessung – wie in der Beschwerde ausgeführt – als Bezahlung des Kaufpreises in Raten, so ist der Wert von über Fr. 200'000.-- durch die Löschung der Nutzniessung schlicht dahingefallen und die Ratenzahlung somit weit vor Erreichen des geschuldeten Betrags eingestellt worden.

Damit zeigt sich aber auch, dass es unbehelflich ist, wenn in der Beschwerdeschrift angeführt wird, es habe kein Verzicht vorgelegen und die Beschwerdeführerin habe letztlich gar nicht auf die Nutzniessung verzichten können, da der Sohn als Nutzniessungsbelasteter die Löschung beantragt habe. D.________ hat tatsächlich als Nutzniessungsbelasteter die "Kündigung" und danach die Löschung im Grundbuch veranlasst. Als Vertreter der Beschwerdeführerin musste er jedoch dieser Löschung auch zustimmen (E. 5.1.3). D.________ ist hier also einerseits im eigenen Interessen als Nutzniessungsbelasteter aufgetreten und anderseits als Vertreter der Beschwerdeführerin, deren Interessen (insbesondere auch finanzieller Art) er zu wahren gehabt hätte. Dabei handelt es sich um einen eindeutigen Interessenkonflikt, der im Vorsorgeauftrag durch die Versicherte ausdrücklich genehmigt wurde. Die Folgen dieser Interessenskollision sind im vorliegenden Verfahren indessen nicht zu prüfen. Die Beschwerdeführerin hat anlässlich des Grundstückverkaufs der Kündigungsklausel zugestimmt, ohne rechtlich dazu verpflichtet gewesen zu sein. Der Verzicht war mit dieser Resolutivbedingung im Kaufvertrag somit bereits angelegt. Die Verzichtshandlung erfolgte jedoch erst in dem Moment, als sie der Löschung zugestimmt hat. Die Zustimmung zur Löschung musste ihr Vertreter, D.________, vornehmen und diese Handlung ist der Beschwerdeführerin anzurechnen. Der Verzicht verwirklichte sich also erst mit der Zustimmung zur vorzeitigen Löschung, weil damit der in Raten zu begleichende Wert der Nutzniessung (wie es die Beschwerdeführerin selber sehr anschaulich beschreibt) um rund Fr. 200'000.-- noch nicht erreicht war. Somit ist ihr dieser Verzicht vollumfänglich anzurechnen.

7.
Damit stellt sich letztlich nur noch die Frage der Art der Anrechnung. Die Beschwerdeführerin macht geltend, es könne lediglich ein Verzichtsvermögen angerechnet werden, das sich dann jeweils um Fr. 10'000.-- pro Jahr verringere (vgl. Art. 17e ELV). Die Vorinstanz geht davon aus, dass der Verzicht auf eine Nutzniessung als Einkommen jährlich wiederkehrend anzurechnen sei.

In der älteren bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind beide Vorgehensweisen zu finden (Anrechnung als Vermögen: BGer-Urteil 8C_68/2008 vom 27.1.2009 E. 4.2.3; Anrechnung als Einkünfte: BGer-Urteil 9C 198/2010 vom 9.8.2010 5.4.2 und EVG-Urteil P 58/00 vom 18.6.2003 E. 5).

Mit der Reform des ELG hat nun jedoch zum einen der Gesetzgeber mit Art. 11a ELG "Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte" den Verzicht näher geregelt und insbesondere in Abs. 2 festgehalten, dass die übrigen Einnahmen, Vermögenswerte und gesetzliche oder vertragliche Rechte, auf die eine Person ohne Rechtspflicht und ohne gleichwertige Gegenleistung verzichtet hat, als Einnahmen angerechnet werden, als wäre nie darauf verzichtet worden. Zum andern legte der Verordnungsgeber in Art. 15e Abs. 1 ELV Folgendes ausdrücklich fest: Verzichtet eine Person freiwillig auf eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht, so ist der Jahreswert der Nutzniessung oder des Wohnrechts als Einnahme anzurechnen.

Es ist nicht ersichtlich, dass mit Art. 15e Abs. 1 ELV die Delegationsnorm von Art. 11a ELG überschritten worden wäre. Solches wird seitens der Beschwerdeführerin denn auch nicht geltend gemacht. Damit ist erstellt, dass die erfolgte Kündigung der Nutzniessung als Einkommensverzicht zu qualifizieren ist. Daran vermögen auch die übrigen Einwände der Beschwerdeführerin nichts zu ändern, wie im Folgenden zu zeigen ist.

8.
8.1.
So ist auch keine Ungleichbehandlung erkennbar. Es können in den von der Beschwerdeführerin erwähnten Beispielen stets klare Unterschiede zur vorliegenden Sachlage erblickt werden. Insbesondere führt sie keine zu ihrem Fall vergleichbare Situation an, aus welcher eine Ungleichbehandlung resultieren würde. So wohnt der Errichtung einer Nutzniessung immer ein gewisses aleatorisches Moment inne, wenn diese lebenslang vereinbart wird. Berechnet wird der Barwert einer Nutzniessung anhand statistischer Tabellen zur Lebenserwartung für alle Nutzniessenden gleich. Die Lebenserwartung tritt im Einzelfall offenkundig nicht stets gleich bzw. wie errechnet ein, daraus kann jedoch keine Ungleichbehandlung abgeleitet werden. Entsprechend kann die Versicherte auch nicht verlangen, dass die Anrechnung von Einnahmen gemäss Art. 15e ELV dann zu enden hätte, wenn eine gleichwertige Gegenleistung gemäss Art. 11a Abs. 2 ELG vorliege. In diesem Zeitpunkt hätte die Beschwerdeführerin für den Fall, dass sie nicht verzichtet hätte, einfach gut vorgesorgt, und dies glücklicherweise über das statistische Lebensalter hinaus. Entsprechend ist sie genau so zu stellen und die Anrechnung des Verzichts auf die lebenslänglich eingeräumte Nutzniessung hat lebenslänglich zu erfolgen. Auch diesbezüglich macht die Beschwerdeführerin keine Verletzung der Delegationsnorm durch die Ausführungsbestimmung geltend und es kann auch keine solche erblickt werden.

8.2.
Zudem ist die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen durchaus zulässig. Es ist nicht einsichtig, weshalb eine gewillkürte Einkommensquelle im Nachhinein wieder in privilegiert anzurechnendes Verzichtsvermögen umgerechnet werden sollte, wenn zulasten der Ergänzungsleistungen auf diese Einkünfte verzichtet wird. Damit würde ein Verzicht noch belohnt, was nicht Sinn und Zweck der Ergänzungsleistungen ist. Zudem kann nicht von einem Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Parteien gesprochen werden. Denn so lange eine versicherte Person alles ihr Mögliche und Zumutbare unternimmt, um den eigenen Existenzbedarf zu decken, ist sie in der Gestaltung ihrer Angelegenheiten völlig frei. Erst wenn einerseits freiwillig auf Einkünfte oder Vermögensteile verzichtet wird (hier Fr. 37'248.-- an wiederkehrenden Einkünften pro Jahr) und danach andrerseits die Deckung des aufgrund des Verzichts resultierenden Ausgabenüberschusses verlangt wird (hier Fr. 24'734.-- pro Jahr), kann und muss diese Kontrolle und Korrektur vorgenommen werden, wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt. Die EL-spezifische Schadenminderungspflicht verlangt von der versicherten Person, dass sie ihren Existenzbedarf so weit als möglich und zumutbar aus eigener Kraft finanziert. Die Ergänzungsleistung soll nur jenen Teil des Existenzbedarfs abdecken, den die versicherte Person auch bei pflichtgemässem Bemühen nicht selbst finanzieren kann (Jöhl/Usinger-Egger, a.a.O, N 125). Der Verzicht zu Lebzeiten auf eine Nutzniessung, die bis zum Lebensende ausgestaltet ist, stellt eine klare Verletzung dieser Pflicht dar.

Die Beschwerdeführerin wendet auch zu Recht nicht ein, sie habe die Nutzniessung mit dem Heimeintritt nicht mehr ausüben können. Dass dem nicht so ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Dienstbarkeit als Nutzniessung am gesamten Grundstück (d.h. an allen drei Wohnungen) und nicht nur im Sinn eines Wohnrechts bestand. Die Beschwerdeführerin hätte demnach, vertreten durch Ihren Sohn, die von ihr bewohnte Wohnung nach ihrem Umzug ins Heim ebenso vermieten können wie die beiden anderen und damit nach wie vor dieselben Einkünfte generiert, welche sie dann zur Deckung ihres Lebensbedarfs im Heim hätte verwenden können.

8.3.
Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Verwaltung stütze sich auf die Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL; Stand 1.1.2023), diese sei jedoch weder rechtlich verbindlich noch biete sie einzelfallgerechte Lösungen, womit es an einer rechtlichen Grundlage für die Praxis der Verwaltung fehle.

Dabei scheint die Beschwerdeführerin zu verkennen, dass es sich bei der WEL um Verwaltungsweisungen handelt. Diese richten sich an die Durchführungsstellen und sind für diese verbindlich. Für die Gerichte sind die Verwaltungsweisungen zwar nicht bindend, sie sollen sie jedoch bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerechte Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE 133 V 587 E. 6.1 mit Hinweisen).

Im hier streitigen Fall vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, inwiefern die Verwaltung bei dieser gesetzlich und auf Verordnungsebene klar angelegten Rechtslage durch die Anwendung der Verwaltungsweisungen zu einer unsachgemässen Lösung gekommen sein sollte. So wiederholt doch WEL Rz. 3524.03 lediglich den klaren Wortlaut von Art. 15e ELV und verdeutlicht, wie der Jahreswert zu berechnen ist. Weshalb das auf ihre Situation nicht anwendbar sein sollte, führt die Versicherte denn auch nicht nachvollziehbar aus.

9.
Als Fazit ist festzustellen, dass mit dem Verzicht auf die Nutzniessung und deren Löschung aus dem Grundbuch die Verzichtshandlung erfolgt ist. Die Beschwerdeführerin hat damit ohne eine rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung auf ein jährliches Einkommen von Fr. 37'248.-- verzichtet, weshalb dieser Betrag als Einnahme in die EL-Berechnung aufzunehmen ist. Dass der Betrag des Einkommens falsch festgesetzt worden wäre, ergibt sich im Übrigen weder aus den Akten noch wird solches geltend gemacht.

Damit ist die Beschwerde mit Blick auf den Anspruch auf eine Ergänzungsleistung abzuweisen und der Entscheid der Vorinstanz zu bestätigen.