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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:3. Abteilung
Rechtsgebiet:Invalidenversicherung
Entscheiddatum:27.02.2024
Fallnummer:5V 22 194
LGVE:2024 III Nr. 6
Gesetzesartikel:Art. 25 Abs. 1 und 2 ATSG, Art. 49 Abs. 5 ATSG, Art. 52 Abs. 4 ATSG, Art. 53 Abs. 3 ATSG, Art. 61 lit. c und d ATSG; Art. 57 Abs. 1 IVG, Art. 57a Abs. 1 IVG; Art. 73bis Abs. 1 IVV; Art. 110 BGG.
Leitsatz:Anfechtungsgegenstand, wenn sich im Dispositiv einer Verfügung betreffend Aufhebung oder Herabsetzung einer Invalidenrente keine Äusserungen hinsichtlich der Rückerstattungspflicht finden (E. 1.5).



Bei folgenden Vorgehensweisen der IV-Stelle wird bezüglich Rückforderung bereits mit dem Vorbescheid die relative und absolute Verwirkungsfrist gewahrt: Leistungsaufhebung bzw. -herabsetzung sowie Rückerstattungspflicht im gleichen Vorbescheid (uno actu) angekündigt und beide Elemente im Dispositiv der nachfolgenden Verfügung erwähnt (E. 2.1.1) oder Leistungsaufhebung bzw. -herabsetzung sowie Rückerstattungspflicht in zwei separaten Vorbescheiden mitgeteilt und anschliessend mit separaten Entscheiden verfügt (E. 2.1.2). Zu beachten ist dabei die je nach Vorgehensweise unterschiedliche Rechtsnatur der Rückerstattungsverfügung (eigenständige Verfügung oder lediglich akzessorische Berechnungsverfügung; E. 2.1.1.2 f., 2.1.2).



Wird im Beschwerdeverfahren die Verfügung betreffend die Rentenaufhebung bzw. -herabsetzung insofern korrigiert, als bereits mit separatem Entscheid zurückgeforderte Leistungen als (teilweise) rechtmässig bezogene bestätigt werden, wird damit in diesem Umfang der Rückforderungsverfügung die Grundlage entzogen (E. 5.1).



Vgl. im Zusammenhang mit dem Beginn der relativen Verwirkungsfrist BGer-Urteil 8C_184/2023 vom 29. Mai 2024 E. 6.3 (zur Publikation vorgesehen).

Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:
Sachverhalt (zusammengefasst)

A.________ bezog ab 1. Juni 2003 eine ganze Rente, ab 1. Juni 2004 eine Dreiviertelsrente und ab 1. April 2006 wiederum eine ganze Rente der Invalidenversicherung (IV). Am 13. Juli 2017 leitete die IV-Stelle die Überprüfung des Rentenanspruchs der Versicherten ein und tätigte diverse Abklärungen. Gestützt auf diese Erhebungen kündigte sie A.________ mit Vorbescheid vom 9. Juni 2021 an, sie beabsichtige, die Rente rückwirkend per 1. Februar 2011 aufzuheben. Nach weiteren medizinischen Abklärungen aufgrund von am 6. Juli 2021 erhobenen Einwänden bestätigte die IV-Stelle mit Verfügung vom 2. März 2022 den Vorbescheid. Im anschliessenden Beschwerdeverfahren hiess das Kantonsgericht die Beschwerde mit Urteil 5V 22 135/5V 22 136 vom 14. August 2023 teilweise gut, indem es die Rente erst per 28. September 2020 aufhob, im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Dieses Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Am 15. April 2022 verfügte die IV-Stelle ausserdem gegenüber A.________ die Rückforderung der Rentenbetreffnisse für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. März 2022 im Betrag von gesamthaft Fr. ________. Mit zwei weiteren Verfügungen gleichen Datums forderte die IV-Stelle die beiden inzwischen volljährigen Kinder der Versicherten zur Rückerstattung von gewissen Kinderrentenbetreffnissen auf (vgl. LGVE 2024 III Nr. 7, 2024 III Nr. 8). Nachdem sich A.________ auch gegen diesen Entscheid ans Kantonsgericht gewandt hatte, sistierte das Kantonsgericht dieses Beschwerdeverfahren bis zum Eintritt der Rechtskraft des vorerwähnten Urteils betreffend die rentenaufhebende Verfügung.

Aus den Erwägungen:

1.
1.1.
In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob auf die Beschwerde der Versicherten einzutreten ist.

1.2.
1.2.1.
Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich – in Form einer Verfügung – Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und soweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 131 V 164 E. 2.1, 125 V 413 E. 1a mit Hinweisen).

1.2.2.
Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 122 V 157 E. 1a, 121 V 204 E. 6c, je mit Hinweisen; LGVE 1992 II Nr. 47 E. 3) und namentlich in der Begründungspflicht (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 208 ff.). Zu beachten ist sodann das Rügeprinzip, welches besagt, dass die Beschwerdeinstanz nicht prüft, ob sich der angefochtene Entscheid unter schlechthin allen in Frage kommenden Aspekten als korrekt erweist, sondern nur die vorgebrachten Beanstandungen untersucht (Gygi, a.a.O., S. 214 ff.; zum Ganzen auch Kiener/Rütsche/Kuhn, Öffentliches Verfahrensrecht, Zürich 2012, N 1431 und 1507 f. sowie LGVE 1990 II Nr. 32 E. 2b). Diesen Grundsätzen folgend wird auch im vorliegenden Verfahren die angefochtene Verfügung primär hinsichtlich der vorgebrachten Rügen überprüft. Anhaltspunkten in den Akten wird von Amtes wegen nachgegangen, wenn sie auffällig sind und eine Unrechtmässigkeit der Verfügung ergeben könnten.

Das kantonale Sozialversicherungsgericht ist nicht an die Parteibegehren gebunden und kann über die Anträge der Beschwerde führenden Partei hinausgehen und mehr oder weniger zusprechen, als diese beantragt hat. Das Bundesgericht hat mehrfach betont, dass mit dieser in Satz 1 von Art. 61 lit. d des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) statuierten fehlenden Bindung an die Parteibegehren die Verwirklichung des objektiven Rechts über das subjektive Rechtsschutzinteresse gestellt wird. Dementsprechend gelten im Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht das Gebot der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 110 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]) und der Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG). Dem kantonalen Gericht wird durch diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers ermöglicht, das geltende Recht auf den massgebenden Sachverhalt anzuwenden, ohne dabei an die Begehren der versicherten Person gebunden zu sein (BGE 144 V 153 E. 4.2.2 mit Hinweisen).

1.3.
Es handelt sich um eine abgeurteilte Sache (res iudicata), wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, falls der Anspruch dem Gericht aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf denselben Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird und sich wieder die gleichen Parteien gegenüberstehen (BGE 144 I 11 E. 4.2). Soweit bereits eine res iudicata vorliegt, kann darüber – vorbehältlich einer prozessualen Revision oder einer Wiedererwägung (Art. 53 ATSG) – jedenfalls nicht erneut befunden werden (vgl. BGer-Urteil 8C_709/2012 vom 13.12.2012 E. 2 mit Hinweisen auf BGE 136 V 369 E. 3.1.1 und BGer-Urteil 9C_367/2010 vom 29.12.2010 E. 2.3).

1.4.
Die Verwaltung macht vernehmlassend geltend, mit der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Verfügung vom 15. April 2022 sei die akzessorische Rückforderungsverfügung im Zusammenhang mit der rückwirkenden Renteneinstellung mit der Hauptverfügung vom 2. März 2022 (Rentenbezug vom 1.2.2011-31.3.2022) betragsmässig beziffert worden. Gestützt auf das Urteil des Kantonsgerichts Luzern 5V 22 135/5V 22 136 vom 14. August 2023 seien die Rentenleistungen erst ab dem 28. September 2020 zurückzuerstatten. Aufgrund der Akzessorietät der Rückforderungsverfügung vom 15. April 2022 werde diese nun unabhängig von einer allfälligen Beschwerde gegen die Rückforderungsverfügung entsprechend angepasst. Im Rahmen der Rentenaufhebung sei die an Fristen gebundene Rückforderung somit zu Recht ergangen, wobei deren Vollzug bis zur Rechtskraft der Hauptverfügung ausgesetzt worden sei. Gegen die erwähnte Verfügung vom 15. April 2022 sei nur dann eine Beschwerde erforderlich, wenn die Beschwerdeführerin mit der konkreten Berechnung des Rückforderungsbetrags nicht einverstanden wäre. Solche spezifischen Punkte bezogen auf die zahlenmässig berechnete Rückforderung seien der Beschwerde nicht zu entnehmen. Bezüglich der grundsätzlichen Rechtmässigkeit des Rückforderungsanspruchs ab 28. September 2020 sowie der fehlenden Ausführungen zur konkreten Berechnung sei auf die vorliegende Beschwerde nicht einzutreten.

1.5.
1.5.1.
Mit ihren Ausführungen stellt sich die Verwaltung auf den Standpunkt, über die Rückerstattungspflicht der Versicherten ab 28. September 2020 sei infolge Akzessorietät mit Urteil des Kantonsgerichts Luzern 5V 22 135/5V 22 136 vom 14. August 2023 bereits (rechtskräftig) entschieden worden. In einem ersten Schritt bedarf es einer näheren Betrachtung, ob dies zutrifft.

1.5.2.
Anfechtungsobjekt im Verfahren 5V 22 135 war die von den Parteien als Hauptverfügung bezeichnete Verfügung vom 2. März 2022. Dieser Entscheid war mit "Einstellung der Invalidenrente" betitelt und im Dispositiv ("Wir verfügen") wurde wörtlich festgehalten: "Die Rente wird rückwirkend per 01.02.2011 aufgehoben. Einer Beschwerde gegen diese Verfügung wird die aufschiebende Wirkung entzogen (Art. 49 Abs. 5 und Art. 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG]).". Dass bzw. für welchen Zeitraum Rentenbetreffnisse zurückgefordert würden, darüber sprach sich das Verfügungsdispositiv hingegen nicht aus. Erst im Begründungsteil wurde Folgendes ausgeführt: "Der IV Luzern liegen mit den vertieften Abklärungen und dem Gutachten nun erhebliche neue Tatsachen vor, aufgrund welchen die IV-Rente im Sinn einer Revision gemäss Art. 17 ATSG rückwirkend ab dem 01.02.2011 (gestützt auf das Gutachten Dr. B.________, Abschluss der psychiatrischen Behandlung) aufgehoben und die zu Unrecht ausgerichteten Rentenleistungen gestützt auf Art. 25 ATSG zurückgefordert werden. Bezüglich des konkreten Rückforderungsbetrages werden Sie eine separate Verfügung erhalten.". Dies ändert nichts daran, dass sich im Dispositiv gerade keine Äusserungen zur Rückerstattungspflicht fanden. Die entsprechenden Ausführungen in der Begründung der Verfügung vom 2. März 2022 können deshalb nur so verstanden werden, dass der Versicherten eine Verfügung betreffend die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Aussicht gestellt und ein solcher Entscheid erst noch erlassen werde.

Nichts anderes geht aus der in der Folge ergangenen Verfügung vom 15. April 2022 hervor, die den Titel "Verfügung Rückforderung Invalidenrente" trägt und einleitend auf diejenige vom 2. März 2022 verweist, der zufolge die Invalidenrente rückwirkend aufgehoben worden sei. Weiter wird ausgeführt, die gesetzlichen Bestimmungen verpflichteten die IV-Stelle, die zu Unrecht bezogenen Leistungen zurückzufordern, womit sich folgende Rückforderung ergebe. Wenn die Verwaltung ausserdem vernehmlassend darauf hinweist, es gelte bei Rückforderungsansprüchen Fristen einzuhalten, was eine rechtzeitige Bekanntgabe notwendig mache, hat sie dabei offensichtlich die Wahrung der Verwirkungsfristen gemäss Art. 25 Abs. 2 ATSG im Blick. Dies kann aber nur so verstanden werden, dass sie selbst davon ausgeht, mit der Verfügung vom 15. April 2022 und nicht bereits mit derjenigen vom 2. März 2022 über die Rückerstattungspflicht entschieden zu haben.

Weil grundsätzlich nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheids anfechtbar ist (ausser, das Dispositiv verweist auf die Erwägungen; BGer-Urteil 9C_703/2009 vom 30.10.2009 E. 2.2, vgl. auch BGer-Urteil 9C_814/2018 vom 23.5.2019 E. 3.1), hat die Frage der Rückerstattungspflicht somit nicht zum beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand der Verfügung vom 2. März 2022 gehört. Mit andern Worten lag jene im Verfahren 5V 22 135 ausserhalb der Beurteilungskompetenz des Kantonsgerichts (LGVE 2010 II Nr. 30). Folgerichtig prüfte das Gericht in jenem Verfahren ausschliesslich die Rechtmässigkeit der rückwirkenden Rentenaufhebung per 1. Februar 2011. In diesem Zusammenhang stellte es in seinem Urteil vom 14. August 2023 fest, die Rente sei erst per 28. September 2020 aufzuheben. Hinsichtlich einer allfälligen Rückerstattungspflicht enthielt es demgegenüber keine Ausführungen.

1.6.
Gestützt auf das soeben Erwogene kann zusammenfassend festgehalten werden, dass, entgegen der Annahme der IV-Stelle, mit Urteil des Kantonsgerichts Luzern 5V 22 135/5V 22 136 des Kantonsgerichts vom 14. August 2023 einzig über die Aufhebung des Rentenanspruchs der Beschwerdeführerin per 28. September 2020 entschieden wurde. Auch wenn demzufolge nunmehr feststeht, dass nach diesem Zeitpunkt ausgerichtete Rentenleistungen unrechtmässig bezogen wurden, ist über eine diesbezügliche Pflicht zur Rückerstattung noch nichts gesagt und das Gericht hat sich dazu nicht geäussert. Mit andern Worten liegt keine res iudicata vor, die einem Eintreten auf die Beschwerde gegen die Rückforderungsverfügung vom 15. April 2022 widerspräche.

2.
2.1.
An dieser Stelle sind die beiden Vorgehensweisen, die der Verwaltung bei solchen Sachverhalten offen stehen, vertiefter darzulegen:

2.1.1.
2.1.1.1.
Einerseits kann die IV-Stelle gleichzeitig (uno actu) sowohl über die Leistungsaufhebung bzw.
-herabsetzung als auch über die Rückerstattungspflicht entscheiden. Dabei hat sie der versicherten Person nicht nur den Entscheid über die Leistungseinstellung bzw. -herabsetzung, sondern im gleichen Vorbescheid auch die Rückerstattungspflicht anzukündigen. Für beide Aspekte dient als Rechtsgrundlage Art. 57a Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20), obwohl dort die Rückforderung nicht ausdrücklich genannt wird. Dies ergibt sich aus BGE 119 V 431 E. 3c zum damaligen Wortlaut von Art. 73bis der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201), der mit der Wiedereinführung des Vorbescheidverfahrens per 1. Juli 2006 im Wesentlichen in den Art. 57a Abs. 1 IVG übernommen wurde, womit diesbezüglich der Zustand vor der Einführung des ATSG wiederhergestellt wurde (BGE 134 V 97 E. 2.6.1 f.; vgl. ausdrücklich zur Rückforderung als Gegenstand des Vorbescheidverfahrens den Verweis in BGE 133 V 579 E. 4.3.1 auf BGE 119 V 431 sowie die Kreisschreiben über das Verfahren in der IV [KSVI; Stand 1.1.2022], Rz. 6005, 6019, sowie über Invalidität und Rente in der IV [KSIR; Stand 1.1.2022], Rz. 7105; vgl. auch Urs Müller, Das Verwaltungsverfahren in der Invalidenversicherung, Bern 2010, N 2076 und 2152). Daran ändert nichts, dass die Rückforderung in den in Art. 73bis Abs. 1 IVV in Verbindung mit (i.V.m.) Art. 57 Abs. 1 lit. d, f - i IVG genannten Aufgaben, bei denen das Vorbescheidverfahren anzuwenden ist, nicht erwähnt wird. Denn dies gilt auch für die übrigen in Art. 57a Abs. 1 IVG genannten Entscheide der IV-Stelle, die vorgängig mit einem Vorbescheid bekannt zu geben sind. Die Verordnungsbestimmung Art. 73bis Abs. 1 IVV gibt somit lediglich an, dass die IV-Stelle im Rahmen ihres Aufgabenbereichs (Art. 57 Abs. 1 IVG) Vorbescheide zu erlassen hat. Sie gibt aber nicht abschliessend Auskunft darüber, welchen konkreten Entscheiden ein Vorbescheidverfahren vorauszugehen hat.

Geht aus dem Vorbescheid nicht nur die Rentenaufhebung respektive -herabsetzung und die grundsätzliche Rückforderungsabsicht, sondern ebenfalls mindestens der Zeitraum der Rückerstattungspflicht hervor, wahrt die IV-Stelle bezüglich der Rückforderung bereits mit dem Erlass des Vorbescheids auch die relative und absolute Verwirkungsfrist (BGE 146 V 217 E. 3.4, 134 V 97; vgl. BGer-Urteile 8C_547/2021 vom 11.1.2022 E. 6.1, 9C_340/2020 vom 29.3.2021 E. 2.2, 8C_699/2010 vom 8.2.2011 Sachverhalt B., E. 2 und E. 5.1; Urteil des Kantonsgerichts Luzern 5V 22 323 vom 7.2.2023 E. 7.2.5, vom Bundesgericht bestätigt mit Urteil 8C_190/2023 vom 19.12.2023). Eine genaue zeitliche Umschreibung der zurückzuerstattenden Leistungen genügt, eine Bezifferung in Franken ist nicht zwingend notwendig, auch wenn es für die IV-Stelle keinen grossen Aufwand bedeutet, bei der Ausgleichskasse den genauen Betrag der Rückforderung in Erfahrung zu bringen (BGer-Urteil 8C_547/2021 vom 11.1.2022 E. 7.1; für die Aufgabenteilung zwischen IV-Stelle und Ausgleichskasse vgl. BGE 134 V 97).

2.1.1.2.
Hat die IV-Stelle in der Folge im Dispositiv der Verfügung zur Rentenaufhebung respektive
-herabsetzung ebenfalls mindestens den Zeitraum der Rückerstattungspflicht erwähnt, sind beide Aspekte Teil des Anfechtungsobjekts eines allenfalls nachfolgenden Rechtsmittelverfahrens. Das heisst, die versicherte Person muss nicht nur die Aufhebung respektive Herabsetzung der Rente anfechten, sondern auch die Rückforderung (zeitlicher Umfang, Rechtzeitigkeit der Geltendmachung), wenn sie diese nicht wie verfügt akzeptieren will. Bei der nachfolgenden Verfügung mit dem konkreten Rückforderungsbetrag handelt es sich dann (lediglich) noch um eine akzessorische Berechnungsverfügung, die nur insoweit angefochten werden kann, als die Berechnung des genauen Rückforderungsbetrags gerügt wird. Die Rechtmässigkeit der Rückerstattungspflicht als solche kann also dannzumal nicht mehr thematisiert werden, weshalb auf diesbezügliche Rechtsbegehren nicht einzutreten wäre (vgl. dazu z.B. die Urteile des Kantonsgerichts Luzern 5V 21 345/5U 22 31 sowie 5V 21 31/5V 21 49 vom 8.6.2022 E. 3 f. bzw. vom 17.11.2021 E. 12; vgl. auch LGVE 2010 II Nr. 30). Mit einer solchen Berechnungsverfügung kann diesfalls die Verwaltung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rentenverfahrens zuwarten.

2.1.1.3.
Hat die IV-Stelle hingegen im Dispositiv ausschliesslich über die Rentenherabsetzung respektive -aufhebung verfügt (wie vorliegend mit Verfügung vom 2.3.2022), gehört nur diese zum Anfechtungsobjekt eines nachfolgenden Rechtsmittelverfahrens. Bei der späteren Rückerstattungsverfügung handelt es sich entsprechend nicht nur um eine Berechnungsverfügung (vgl. vorstehende E. 1.5). Dies ändert hingegen nichts daran, dass der vorhergehende Vorbescheid, mit dem (auch) die Rückerstattungspflicht angekündigt wurde, bezüglich der Verwirkung fristwahrend ist.

2.1.2.
Andererseits steht der IV-Stelle ebenfalls der Verfahrensweg offen, der versicherten Person neben dem Vorbescheid über die Leistungseinstellung bzw. -herabsetzung einen separaten Vorbescheid über eine Rückforderung zuzustellen. Dieser ist bezogen auf die Verwirkung dann fristwahrend, wenn neben der Art der Leistung (Rente) mindestens der Zeitraum der Rückerstattungspflicht definiert wird. Das bedeutet, dass es diesfalls zur Wahrung der relativen und absoluten Frist keine Verfügung, welche neben der Art der Leistung mindestens den Zeitraum der Rückerstattungspflicht nennt, braucht. Bei der späteren Verfügung mit der konkreten betragsmässigen Rückforderung, mit der folglich bis zur Rechtskraft der Verfügung über die Herabsetzung/Einstellung der Leistung zugewartet werden kann, handelt es sich dann jedoch nicht nur um eine Berechnungsverfügung. Denn die versicherte Person kann diesfalls im Rechtsmittelverfahren immer noch rügen, mit dem Vorbescheid sei die Verwirkungsfrist nicht gewahrt worden.

2.2.
Im vorliegend zu beurteilenden Fall hat die IV-Stelle im Vorbescheid vom 9. Juni 2021 darauf hingewiesen, dass sie die zu Unrecht ausgerichteten Rentenleistungen zurückfordern werde, womit sie das Vorbescheidverfahren diesbezüglich unbestritten rechtsgenüglich durchgeführt hat. Die Beschwerdeführerin hat denn auch im Einwandverfahren dazu Stellung genommen. Hingegen hat die Verwaltung im Dispositiv der Verfügung vom 2. März 2022 die Rückerstattungspflicht nicht erwähnt, weshalb es sich bei der hier angefochtenen Rückerstattungsverfügung vom 15. April 2022 nicht nur um eine Berechnungsverfügung handelt. Der Vorbescheid vom 9. Juni 2021 erweist sich bezüglich der Verwirkung trotzdem als fristwahrend (vgl. vorstehende E. 2.1.1.3).

3.
Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass Anfechtungsobjekt im hier zu beurteilenden Verfahren die Verfügung vom 15. April 2022 ist. Da die IV-Stelle nicht bereits im Rentenverfahren 5V 22 135 wie in vorstehender E. 2.1.1.2 beschrieben verfügt hat, regelt die angefochtene Verfügung (erstmalig) das Rechtsverhältnis hinsichtlich der Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Rentenleistungen, indem die Versicherte zur Rückzahlung der im Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis zum 31. März 2022 ausgerichteten Invalidenrente in Höhe von insgesamt Fr.________ verpflichtet wird. Deshalb handelt es sich entgegen der Ansicht der IV-Stelle bei der angefochtenen Rückforderungsverfügung nicht bloss um eine zur Verfügung vom 2. März 2022 akzessorische Berechnungsverfügung. Die Beschwerdeführerin war damit gehalten, diese Verfügung anzufechten, wollte sie diese nicht gegen sich gelten lassen (vgl. E. 1.5 und 2.1.1.3 sowie das zur Publikation vorgesehene Urteil des Kantonsgerichts Luzern 5V 20 18 vom 20.12.2023 E. 1 f.). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit einzutreten.

4.
4.1.
Die Beschwerdeführerin macht insbesondere geltend, die angefochtene Verfügung vom 15. April 2022 sei aufzuheben, weil die Hauptverfügung vom 2. März 2022 (Anmerkung des Gerichts: im Zeitpunkt des Erlasses der Rückforderungsverfügung) noch nicht rechtskräftig gewesen sei und einer Beschwerde gegen eine Rückforderungsverfügung die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden könne. Weil die IV-Stelle für die vorliegend angefochtene Verfügung verantwortlich sei, sei die Information an die Ausgleichskasse unklar, der zufolge die Rechtskraft der Hauptverfügung abgewartet werden müsse. Des Weiteren würde die Verfügung vom 15. April 2022 formell rechtskräftig, wenn dagegen keine Beschwerde erhoben werde. Eine formell rechtskräftige Verfügung könne die Verwaltung zwar widerrufen, diese sei aber gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts dazu nicht verpflichtet. Da die Verwaltung nicht dazu bereit gewesen sei, die Verfügung vom 15. April 2022 zu widerrufen oder zumindest eine Sistierungsverfügung zu erlassen, sei nichts anderes übrig geblieben, als Beschwerde gegen die Rückforderungsverfügung zu erheben. Dies sei ihr am 26. April 2022 auch von der Ausgleichskasse telefonisch nahegelegt worden. Ergänzend brachte die Versicherte im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 13. Juli 2022 zur beabsichtigten Sistierung des vorliegenden Verfahrens vor, es gehe nicht um die Frage, ob der Inhalt der Rückforderungsverfügung vom 15. April 2022 korrekt sei. Es gehe lediglich darum, dass die Rückforderung vor Eintritt der Rechtskraft (gemeint ist die Rechtskraft der Verfügung vom 2.3.2022 über die rückwirkende Aufhebung des Rentenanspruchs) und somit in Verletzung von Art. 49 Abs. 5 ATSG verfügt worden sei.

4.2.
Die IV-Stelle hält vernehmlassend dagegen, die Rückforderung sei ab dem 28. September 2020 zu Recht geltend gemacht worden. Ihre Vorbringen bezüglich Akzessorietät der vorliegend angefochtenen Rückforderungsverfügung wurden bereits in den vorstehenden Erwägungen dargelegt und beurteilt. Sie hat sich ausserdem bereits im Verfahren 5V 22 135 in ihrer Stellungnahme vom 2. Mai 2022 zur dort von der Beschwerdeführerin beantragten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Verfügung vom 2. März 2022 erhobenen Beschwerde vom 4. April 2022 dahingehend geäussert, mit der Rückforderungsverfügung vom 15. April 2022 sei die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde nicht entzogen worden. Diese, basierend auf der Hauptverfügung vom 2. März 2022 konkret berechnete, akzessorische Rückerstattungsverfügung vom 15. April 2022 könne erst vollzogen werden, wenn die Hauptverfügung rechtskräftig sei.

4.3.
4.3.1.
Prima vista richtet sich das Rechtsmittel der Versicherten gegen den Zeitpunkt der verfügten Rückforderung, eine solche hätte nicht vor Rechtskraft der Verfügung vom 2. März 2022 ergehen dürfen (vgl. vorstehende E. 4.1 sowie auch die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 13.7.2022). Darauf ist nachfolgend einzugehen.

4.3.2.
Art. 49 Abs. 5 ATSG sieht bezogen auf diese Streitfrage vor, dass Verfügungen über die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden kann. Eine Einschränkung hinsichtlich des Verfügungszeitpunkts ist entgegen der Annahme der Versicherten der zitierten Gesetzesbestimmung allerdings nicht zu entnehmen. Vielmehr steht es der Verwaltung frei, ihrer Ansicht nach zu Unrecht erbrachte Leistungen bereits ab jenem Tag zurückzufordern, an dem ihr die in Betracht kommende rückerstattungspflichtige Person bekannt und die Höhe der Rückerstattungsforderung zumindest bestimmbar waren. Während die Rechtskraft der Verfügung vom 2. März 2022 keine Voraussetzung für den Erlass der Rückforderungsverfügung bildete, waren der IV-Stelle sämtliche im konkreten Einzelfall erheblichen Umstände zugänglich, aus deren Kenntnis sich der Rückforderungsanspruch dem Grundsatz nach und in seinem Ausmass gegenüber einer bestimmten rückerstattungspflichtigen Person ergab (BGer-Urteil 8C_843/2018 vom 22.1.2019 E. 3.3). Mit der Geltendmachung ihrer Rückerstattungsforderung vor der Rechtskraft ihres Entscheids hinsichtlich der Unrechtmässigkeit der ausgerichteten Leistungen hat sich die Verwaltung lediglich dem Risiko ausgesetzt, dass die rückwirkende Aufhebung des Leistungsanspruchs umfangmässig und/oder hinsichtlich des Zeitpunktes keinen Bestand haben würde und sie allenfalls zu ihren Lasten anfallende Verfahrenskosten zu tragen hätte (vgl. BGer-Urteil 8C_316/2014 vom 26.8.2014 E. 2.2). Somit spricht nichts gegen den Verfügungserlass am 15. April 2022.

Mit dieser Feststellung kann es vorliegend aber nicht sein Bewenden haben. Auch wenn die Beschwerdeführerin betont, es gehe nicht um die Frage, ob der Inhalt der Rückforderungsverfügung korrekt sei, kann daraus nicht abgeleitet werden, sie sei mit diesem einverstanden. Vielmehr kann ihr Rechtsbegehren ("Die Verfügung vom 15.4.2022 sei aufzuheben"), das nach Treu und Glauben im Licht der dazu gegebenen Begründung auszulegen ist (BGer-Urteil 8C_578/2021 vom 9.2.2022 E. 1), nur so verstanden werden, dass sie (auch) mit dem Verfügungsinhalt – einer Rückforderung in der Höhe von Fr.________ – nicht einverstanden ist. Dies ergibt sich bereits aus der zum Ausdruck gebrachten Befürchtung, die Verwaltung könnte die ohne Beschwerdeerhebung formell rechtskräftig gewordene Rückforderungsverfügung mangels entsprechender Verpflichtung nicht in Wiedererwägung ziehen. Die Rückforderungsverfügung ist somit auch auf ihre materielle Rechtmässigkeit hin zu prüfen.

5.
5.1.
Mit Urteil des Kantonsgerichts Luzern 5V 22 135/5V 22 136 vom 14. August 2023 ist der unrechtmässige Leistungsbezug ab 28. September 2020 rechtskräftig bestätigt worden (vgl. vorstehende E. 1.6). Mit diesem Entscheid ist der Verfügung vom 15. April 2022 insofern die Grundlage teilweise entzogen worden, als der Rentenbezug vor dem 28. September 2020 nicht unrechtmässig gewesen ist. Dies hat zur Folge, dass die entsprechenden Betreffnisse nicht zurückzuerstatten sind (Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG). Es drängt sich somit auf, die Rückforderungsverfügung entsprechend zu modifizieren, was die Verwaltung offensichtlich ebenfalls beabsichtigt. Diese geht grundsätzlich zu Recht davon aus, dass eine Anpassung selbst bei unterbliebener Beschwerdeerhebung zu erfolgen hätte. Zu beachten ist dabei indessen, dass vorliegend die formgültige Beschwerdeerhebung (zusammen mit der Beschwerdeantwort des Versicherungsträgers) die alleinige Zuständigkeit des Kantonsgerichts begründet, über das in der angefochtenen Verfügung geregelte Rechtsverhältnis zu entscheiden. Damit verliert die IV-Stelle die Herrschaft über den Streitgegenstand, und zwar insbesondere auch in Bezug auf die tatsächlichen Verfügungs- und Entscheidungsgrundlagen (BGer-Urteil 8C_133/2022 vom 7.9.2022 E. 5.1). Dieser Devolutiveffekt wird eingeschränkt durch Art. 53 Abs. 3 ATSG, welcher bestimmt, der Versicherungsträger könne eine Verfügung, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt. Auf diese Kompetenz wurde die Verwaltung anlässlich der Aufhebung der Sistierung mit Verfügung vom 16. Oktober 2023 ausdrücklich hingewiesen, davon hat sie allerdings keinen Gebrauch gemacht. Die angefochtene Verfügung ist bereits deshalb durch das Gericht zu korrigieren, was diesbezüglich zu einer (teilweisen) Gutheissung der Beschwerde führen wird und nicht, wie von der IV-Stelle beantragt, zu einer Abweisung, soweit überhaupt darauf einzutreten sei.

5.2.
Des Weiteren übersieht die IV-Stelle, dass ohne die Möglichkeit zur Beschwerdeerhebung gerade keine (gerichtliche) Überprüfung der Rückforderungsverfügung bzw. der Rückerstattungspflicht stattfinden könnte, wenn – dem Standpunkt der Verwaltung folgend – "mit Bezug auf die grundsätzliche Rechtmässigkeit des Rückforderungsanspruchs ab 28.09.2020 und die fehlenden Ausführungen bzgl. der konkreten Berechnung (…) auf die vorliegende Beschwerde in diesem Verfahren nicht einzutreten" wäre. Überdies trifft zwar zu, dass die Verwaltung bei der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs (Verwirkungs-)Fristen zu wahren hat, (…), spricht gerade dieser Umstand für die Notwendigkeit, eine Rückforderungsverfügung anfechten zu können, um die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung der Rückerstattungspflicht überprüfen zu lassen. Hätte auf die Beschwerde nicht eingetreten werden können, könnte gerade diese gerichtliche Kontrolle nicht stattfinden.

Schliesslich führte auch die vor der Beschwerdeerhebung abgegebene Zusicherung der IV-Stelle, wonach die Rückforderungsverfügung vom 15. April 2022 erst vollzogen werde, wenn die Hauptverfügung vom 2. März 2022 rechtskräftig sei, nicht dazu, dass die Versicherte auf eine Beschwerde verzichten könnte, ohne allfällige nachteilige Folgen gewärtigen zu müssen. Wird eine Beschwerde gegen die den Rentenanspruch aufhebende Verfügung abgewiesen oder – wie vorliegend – bloss ein späterer Zeitpunkt der Aufhebung festgestellt, könnte die Rechtmässigkeit der Rückforderung nicht mehr überprüft werden. Die Rückforderung wäre diesfalls vollstreckbar, selbst wenn sie anlässlich der Geltendmachung bereits (teilweise) verwirkt gewesen wäre. Nachfolgend ist deshalb – von Amtes wegen – zu prüfen, ob die Rückforderung rechtzeitig geltend gemacht worden ist.

5.3.
5.3.1.
Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten (Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG). Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat (relative Verwirkungsfrist), spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung (absolute Verwirkungsfrist). Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend (Art. 25 Abs. 2 ATSG in der bis 31.12.2020 in Kraft gestandenen, hier massgebenden Fassung; seit 1.1.2021 beträgt die relative Verwirkungsfrist drei Jahre).

5.3.2.
Bei den Fristen nach Art. 25 Abs. 2 ATSG handelt es sich um von Amtes wegen zu berücksichtigende Verwirkungsfristen. Als solche können sie nicht unterbrochen, sondern nur gewahrt werden. Wurde die Rückforderung einmal frist- und formgerecht geltend gemacht, ist die Frist zu ihrer Festsetzung ein für alle Mal gewahrt, und zwar selbst dann, wenn die entsprechende Verfügung nachträglich (durch eine Beschwerdeinstanz) aufgehoben und durch eine inhaltlich berichtigte neue ersetzt werden muss. Das spätere rechtliche Schicksal der Rückerstattungsverfügung spielt demnach keine Rolle. In solchen Fällen stellt sich die Frage der Verwirkung erst wieder bei der Vollstreckung, nachdem die Rückerstattungsforderung rechtskräftig geworden ist (BGer-Urteil 8C_843/2018 vom 22.1.2019 E. 3.2 mit Hinweisen). Im Bereich der IV werden die Verwirkungsfristen grundsätzlich durch den Erlass eines Vorbescheids gewahrt (vgl. vorstehende E. 2.1.1.1 zweiter Absatz).

5.3.3.
Wie vorstehend ausgeführt, ist die angefochtene Verfügung bereits aufgrund der mit Urteil des Kantonsgerichts Luzern 5V 22 135/5V 22 136 vom 14. August 2023 rechtskräftig festgestellten Aufhebung des Rentenanspruchs per 28. September 2020 dahingehend zu korrigieren, als die vor diesem Zeitpunkt ausgerichteten Rentenleistungen nicht als unrechtmässig bezogen gelten. Unrechtmässig bezogen und damit grundsätzlich zurückzuerstatten sind demzufolge die nach diesem Zeitpunkt erfolgten Rentenzahlungen. Zu prüfen ist einzig, ob die Verwirkungsfristen eingehalten wurden. Konkrete Beanstandungen, insbesondere hinsichtlich der Berechnung des Rückforderungsbetrags, werden keine erhoben.

5.3.4.
Die IV-Stelle hat mit dem Erlass des Vorbescheids vom 9. Juni 2021 (KG bg.Bel. 275) die relative Verwirkungsfrist gewahrt (vgl. vorstehende E. 2.1.1).

(…).

6.
Zusammenfassend hat die Beschwerdeführerin lediglich die für den Zeitraum vom 28. September 2020 bis 31. März 2022 gewährten Rentenleistungen zurückzuerstatten. Die zwischen 1. Februar 2011 und 27. September 2020 gewährten Renten waren hingegen rechtmässig bezogen worden und können nicht zurückgefordert werden, womit das Beschwerdeverfahren diesbezüglich als erledigt zu erklären ist (§ 109 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40]). Da die Höhe der Rentenbetreffnisse ab 28. September 2020 nicht bekannt ist, ist die Sache zur genauen Bezifferung des Rückforderungsbetrags an die IV-Stelle zurückzuweisen. In diesem Sinn ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gutzuheissen.