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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:3. Abteilung
Rechtsgebiet:Invalidenversicherung
Entscheiddatum:11.12.2024
Fallnummer:5V 23 272
LGVE:2025 III Nr. 1
Gesetzesartikel:Art. 43 Abs. 1 ATSG, Art. 43 Abs. 1bis ATSG, Art. 43 Abs. 2 ATSG, Art. 43 Abs. 3 ATSG.
Leitsatz:Kann die subjektive Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit einer externen Begutachtung nicht anhand der Aktenlage beurteilt werden (E. 7.2) und scheidet eine diesbezügliche Einschätzung durch den Regionalen Ärztlichen Dienst ebenfalls aus (E. 7.3.2.1), ist diese Frage bei der versicherten Person zu Hause im Rahmen einer verwaltungsexternen Begutachtung abzuklären (E. 7.3.2.2). Im vorliegenden Fall einer geltend gemachten schweren chronischen Erkrankung (ME/CFS, siehe Sachverhalt) sind in einem ersten Schritt ein psychiatrisches Gutachten vor Ort und in einem zweiten allenfalls noch notwendige somatische fachmedizinische Beurteilungen zu veranlassen (E. 7.3.2.2 f.).



Weil nicht auszuschliessen ist, dass die Weigerung der Beschwerdeführerin, sich extern begutachten zu lassen, auf krankheitsbedingten Gründen und nicht auf einem ihr vorzuwerfenden Verschulden gründet, war die Nichteintretensverfügung nicht gerechtfertigt. Die Sache ist zur Fortführung des Verfahrens an die IV-Stelle zurückzuweisen (E. 7.4).

Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:
Sachverhalt (zusammengefasst)

Die 1998 geborene A.________ meldete sich am 15. Januar 2020 bei der Invalidenversicherung (IV) für den Bezug eines Hilfsmittels (Rollstuhl) an. Zur Begründung führte sie eine chronische Erkrankung (myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom [ME/CFS]) an, die seit Ende November 2019 zu einer Bettlägerigkeit geführt habe. Die IV Luzern (IV-Stelle) nahm daraufhin insbesondere medizinische Abklärungen an die Hand, wobei sie mit Blick auf weitere IV-Leistungen (Rente, Hilfslosenentschädigung etc.) eine polydisziplinäre medizinische Untersuchung bei der B.________AG ins Auge fasste. Aufgrund einer geltend gemachten Reiseunfähigkeit, die sich gemäss dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) nicht objektivierbar nachvollziehen liess, führte die IV-Stelle am 1. Dezember 2020 ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren durch. Sie forderte A.________ auf, bis spätestens 21. Dezember 2020 die Teilnahme an der polydisziplinären Begutachtung schriftlich zu bestätigen, andernfalls aufgrund der Akten beschlossen werde, was einen negativen Entscheid zur Folge haben könne. Weil die IV-Stelle weitere Abklärungen der Versicherten abwarten wollte, stoppte sie vorerst das Begutachtungsprozedere.

Mit Mitteilung vom 3. April 2023 informierte die IV-Stelle die Versicherte erneut über die Notwendigkeit einer polydisziplinären (internistisch, neurologisch, psychiatrisch, evtl. neuropsychologisch, gastro-
enterologisch) Begutachtung, wobei der entsprechende Auftrag wieder im Zufallsverfahren vergeben werde. Eine solche Abklärung sei inklusive Anreise (z.B. in einem Rot-Kreuz-Taxi) möglich und zumutbar. Nachdem sich A.________ am 27. April 2023 erneut gegen die Zumutbarkeit der vorgesehenen Begutachtung ausgesprochen hatte, leitete die Verwaltung nach Abklärungen beim RAD am 4. Mai 2023 wiederum ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren ein, in dessen Rahmen sie die Versicherte aufforderte, bis am 15. Mai 2023 mitzuteilen, ob sie bereit sei, sich der geforderten polydisziplinären Begutachtung zu unterziehen. Andernfalls werde aufgrund der Akten entschieden oder, nach Einstellen der Erhebungen, nicht auf das Gesuch eingetreten. Auf die Information der Versicherten vom 25. Mai 2023 hin, sie sehe sich ausser Stande, an einer ausserhäuslichen polydisziplinären Begutachtung inklusive Reisen zur Gutachterstelle teilzunehmen, kündigte die IV-Stelle mit Vorbescheid vom 6. Juni 2023 an, sie werde auf das Leistungsbegehren nicht eintreten. Nach Einwanderhebung vom 7. Juli 2023 verfügte die Verwaltung am 25. Juli 2023 wie vorbeschieden unter Verweis auf die mangelnde Mitwirkung der Versicherten. Dagegen liess A.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und beantragen, die Verfügung vom 25. Juli 2023 sei aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, auf ihr Leistungsbegehren vom 15. Januar 2020 einzutreten und ihre Ansprüche gegenüber der IV mit zumutbaren Mitteln und Massnahmen umfassend abzuklären.

Aus den Erwägungen:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die IV-Stelle zu Recht nicht auf das Leistungsbegehren eingetreten ist mit der Begründung, die Versicherte habe ihre Mitwirkungspflicht verletzt, weil sie sich der angeordneten polydisziplinären Begutachtung nicht unterzogen habe.

2.
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19.6.2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Unter dem Vorbehalt besonderer übergangsrechtlicher Regelungen gilt in intertemporalrechtlicher Hinsicht für die Beurteilung der Frage, welches Recht bei einer Änderung der Rechtsgrundlagen Anwendung findet, der Grundsatz, dass diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestands Geltung haben (BGE 146 V 364 E. 7.1 mit Hinweisen; vgl. zum zeitlich wesentlichen Sachverhalt auch BGE 144 V 210 E. 4.3.1 und 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen).

Aufgrund des Gesuchs vom 15. Januar 2020 kommt ein allfälliger Leistungsanspruch der Versicherten bereits vor 1. Januar 2022 in Betracht. Damit finden die Vorschriften Anwendung, die damals in Kraft standen. Da hier indessen kein Leistungsentscheid zu fällen, sondern die Rechtmässigkeit der Erledigung des Abklärungsverfahrens mit einem Nichteintretensentscheid zu beurteilen ist, kommen für die Frage der Korrektheit des der Verfügung vom 25. Juli 2023 vorangegangenen Verwaltungsverfahrens ab 1. Januar 2022 allfällige auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretene verfahrensrechtliche Neuerungen ebenfalls zur Anwendung (BGE 132 V 215 E. 3.1.2). Wo nicht anders vermerkt, werden nachfolgend die im Verfügungszeitpunkt geltenden Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen wiedergegeben und angewendet.

3.
3.1
Die medizinische Abklärung der objektiven Gesundheitsschäden ist eine unabdingbare gesetzlich verankerte Voraussetzung für die Zusprache einer Leistung der Invalidenversicherung (Art. 7 Abs. 2, Art. 16 und Art. 43 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]).

Der Versicherungsträger prüft die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Mündlich erteilte Auskünfte sind schriftlich festzuhalten (Art. 43 Abs. 1 ATSG). Der Versicherungsträger bestimmt die Art und den Umfang der notwendigen Abklärungen (Abs. 1bis). Soweit ärztliche oder fachliche Untersuchungen für die Beurteilung notwendig und zumutbar sind, hat sich die versicherte Person diesen zu unterziehen (Abs. 2). Kommen die versicherte Person oder andere Personen, die Leistungen beanspruchen, den Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer Weise nicht nach, so kann der Versicherungsträger auf Grund der Akten verfügen oder die Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen. Er muss diese Personen vorher schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen. Ihnen ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen (Abs. 3).


3.2
3.2.1.
In Bezug auf die zu verwendenden Methoden verfügt der abklärungspflichtige Versicherungsträger über "einen grossen Ermessensspielraum" hinsichtlich der medizinischen Erhebungen (BGE 147 V 16 E. 7.4.1 mit Hinweis auf die BGer-Urteile 8C_828/2013 vom 19.3.2014 E. 2.1 und 9C_28/2010 vom 12.3.2010 E. 4.1). Der Entscheid, ob aufgrund der vorhandenen Akten bereits eine rechtsgenügliche Beurteilung vorgenommen werden kann oder eine zusätzliche Abklärung angezeigt ist, liegt demnach ebenso im Ermessen der Verwaltung wie die Wahl der Art der Abklärung (Art. 43 Abs. 1bis ATSG). In dieses Ermessen greifen die Gerichte ohne triftigen Grund nicht ein (vgl. BGer-Urteil 8C_828/2013 vom 19.3.2014 E. 2.1 mit Hinweis).

3.2.2.
Nach dem Wortlaut von Art. 43 Abs. 1 und 2 ATSG muss die angeordnete Untersuchung notwendig und zumutbar sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die Weigerung, sich einer Begutachtung zu unterziehen, grundsätzlich entschuldbar. In diesem Sinn liegt die medizinische Begutachtung nicht im uneingeschränkten Ermessen der rechtsanwendenden Stellen.

Eine Begutachtung gemäss Art. 44 ATSG ist dann notwendig, wenn es andere Beweismittel nicht erlauben, einen medizinischen Sachverhalt zumindest mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (statt vieler: BGE 119 V 7 E. 3c/aa) zu erheben (Kieser, Gutachten im Sozialversicherungsrecht, HAVE 2020 S. 149). Dabei wird die administrative Erstbegutachtung – abgesehen von begründeten Fällen – regelmässig polydisziplinär und zufallsbasiert angelegt (BGE 139 V 349 E. 3.2).

Zumutbar ist die Mitwirkung, wenn der verfolgte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zur Beeinträchtigung des Pflichtigen steht. Für diese Beurteilung sind sowohl die objektiven als auch die subjektiven Umstände zu berücksichtigen. Die objektive Zumutbarkeit hängt unter anderem damit zusammen, dass eine medizinische Untersuchung oder gar eine Begutachtung die persönliche Freiheit einer versicherten Person tangieren kann. Dieses Kriterium wird auch deshalb dahingehend konkretisiert, dass eine Behandlung bzw. eine Massnahme, welche eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellt, jedenfalls nicht zumutbar ist (Kieser, ATSG-Komm., 4.Aufl. 2020, Art. 21 ATSG N 133). Diagnostische, rehabilitative oder therapeutische Massnahmen stellen grundsätzlich keine solche Gefahr dar (Kieser, a.a.O., Art. 21 ATSG N 129); wenn eine Massnahme zu diagnostischen Zwecken nötig ist, gilt sie grundsätzlich als objektiv zumutbar (Kieser, a.a.O., Art. 21 ATSG N 135 mit Hinweisen auf die Einzelgesetzgebung). Die Frage der subjektiven Zumutbarkeit ist ebenfalls objektiv zu klären: Es geht mithin nicht etwa darum, ob die betreffende Person aus ihrer eigenen, subjektiven Wahrnehmung heraus die Untersuchung als zumutbar erachtet, sondern darum, dass die subjektiven Umstände, etwa Alter, Gesundheitszustand, bisherige Erfahrungen mit Abklärungen, in einer objektiven Betrachtung dahingehend gewürdigt werden, ob diese Umstände die Untersuchung zulassen oder nicht (vgl. BGE 134 V 64 E. 4.2.1). Die üblichen Untersuchungen in einer Gutachtensstelle sind ohne konkret entgegenstehende Umstände generell als zumutbar zu betrachten (BGer-Urteil 8C_283/2020 vom 4.8.2020 E. 4.2.1 mit Hinweisen).

Unzumutbarkeit kann beispielsweise vorliegen, wenn eine versicherte Person aufgrund ihres Gesundheitszustands (vorübergehend) nicht in der Lage ist, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen (BGer-Urteile 8C_733/2010 vom 10.12.2010 E. 5.3 und 9C_994/2009 vom 22.3.2010 E. 5.2). Es obliegt in erster Linie der versicherten Person, gegen die Zumutbarkeit einer gutachterlichen Abklärung im vorgesehenen Zeitraum sprechende Umstände darzutun, zu begründen und zu belegen (vgl. Kieser, a.a.O., Art. 61 ATSG N 121 ff.).

4.
4.1.
Während die Verwaltung in der angefochtenen Verfügung vom 25. Juli 2023 insbesondere gestützt auf die Beurteilungen des RAD davon ausgegangen ist, der Versicherten sei die geforderte polydisziplinäre Begutachtung inklusive An- und Rückreise zumutbar, macht diese beschwerdeweise geltend, dies sei für eine herkömmliche polydisziplinäre Begutachtung aufgrund ihrer Erkrankung an einer schwergradigen ME/CFS (ICD-10: G93.3) sowie einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS; ICD-10: F43.1) nicht der Fall. Gestützt auf die Beurteilung der behandelnden Ärzte und Therapeuten vertritt die Beschwerdeführerin den Standpunkt, die mit einer externen polydisziplinären Begutachtung und/oder einem stationären Aufenthalt verbundenen Anstrengungen und Einflüsse hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine langdauernde oder gar dauernde Verschlechterung des Gesundheitszustands zur Folge. Es handle sich dabei einerseits um das Leitsymptom von ME/CFS, die so genannte postexertionelle Malaise (PEM), anderseits um das Risiko einer Retraumatisierung im Rahmen der komplexen PTBS. Die Gefahr einer gesundheitlichen Verschlechterung sei nicht theoretischer Natur. Die Einschätzung der Ärzteschaft und Therapeuten, wonach sie eine solche im Fall einer externen Begutachtung inklusive Reisen und/oder eines stationären Klinikaufenthalts mit hoher Wahrscheinlichkeit erlitte, beruhe auf deren konkreten Erfahrungen und Erkenntnissen im Rahmen der Behandlungen und Therapiesitzungen. Da die von der IV-Stelle als notwendig erachtete Begutachtung eine Gefahr für die Gesundheit darstelle, sei diese objektiv betrachtet nicht zumutbar. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass die Versicherte eine Begutachtung in der von der IV-Stelle vorgesehenen Form abgelehnt habe, so dass ihr kein unentschuldbares Verhalten vorgeworfen werden könne. Die Voraussetzungen von Art. 43 Abs. 3 ATSG bzw. für einen Nichteintretensentscheid seien somit nicht erfüllt und es bleibe bei der Pflicht der IV-Stelle, den medizinischen Sachverhalt und die Ansprüche der Beschwerdeführerin von Amtes wegen weiter abzuklären. Jene falle nicht einfach dahin, wenn herkömmliche Abklärungsmassnahmen wie hier nicht griffen. Es müsse vielmehr versucht werden, eine einzelfallbezogene, angemessene Lösung zu finden. Dabei sei etwa die Möglichkeit einer (behutsamen) Begutachtung zu Hause durch geeignete Fachpersonen zu prüfen. Die Beschwerdeführerin sei denn auch bereit, bei den weiteren Abklärungen mitzuwirken, sofern ihre Gesundheit dadurch nicht gefährdet werde.

4.2.
Vernehmlassend äussert sich die IV-Stelle dahingehend, die Notwendigkeit einer medizinischen Abklärung des Gesundheitszustands der Versicherten sei grundsätzlich nicht bestritten. Die Diagnose ME/CFS sei mit ICD-10: G93.3 neurologisch codiert, eine entsprechende fachärztliche Beurteilung fehle indessen. Psychiatrisch sei zudem lediglich via Skype die Verdachtsdiagnose PTBS (ICD-10: F43.1) gestellt worden. Damit liege weder eine psychiatrisch noch eine neurologisch lege artis festgestellte Diagnose vor. Was die Zumutbarkeit einer polydisziplinären Begutachtung anbelangt, verweist die Verwaltung auf Konsultationen der Versicherten beim Zahnarzt im Jahr 2020 (Probleme mit den Weisheitszähnen), beim Hausarzt im November 2021 (Harnwegsinfekt) sowie in der Notfallpraxis des Luzerner Kantonsspitals (LUKS; Unterleibsschmerzen), wobei den Berichten der behandelnden Stellen nicht entnommen werden könne, dass es dadurch konkret zu einer Verschlimmerung der gesundheitlichen Situation gekommen sei. Im Gegenteil habe Dr. med. C.________ seit 23. März 2022 von einer kontinuierlichen Verbesserung berichtet. Es könne nicht überwiegend wahrscheinlich angenommen werden, dass eine externe Begutachtung zu einer gravierenden Verschlechterung des Gesundheitszustands führe. Eine alternativ vorgeschlagene stationäre psychiatrische Abklärung sei von der Versicherten ebenfalls abgelehnt worden und eine Untersuchung vor Ort durch den RAD sei nicht zielführend, weil nicht sämtliche erforderlichen Disziplinen abgedeckt werden könnten. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass eine Begutachtung tatsächlich nicht zumutbar sei, würde dies nichts am Entscheid auf Nichteintreten auf das Leistungsgesuch ändern. Damit erwiese es sich als unmöglich, im Rahmen eines verhältnismässigen Aufwands den Sachverhalt rechtskonform zu ermitteln. Bei diesfalls anzunehmender Beweislosigkeit falle der Entscheid zu Ungunsten jener Partei aus, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wolle. Weil indessen von der grundsätzlichen Zumutbarkeit einer externen gutachterlichen Beurteilung auszugehen sei, könne nicht von unverschuldeter Weigerung bei der Mitwirkung zur Klärung der Leistungsansprüche ausgegangen werden.

4.3.
Mit Replik vom 1. Februar 2024 bestätigt die Beschwerdeführerin, sie widersetze sich einer Begutachtung nicht, sofern diese unter zumutbaren Bedingungen erfolge, die ihren Gesundheitszustand nicht erheblich gefährdeten bzw. verschlechterten. Des Weiteren dauere die Untersuchungspflicht so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit bestehe. Aufgrund der vorhandenen medizinischen Berichte sei das Vorliegen eines anspruchsbegründenden invalidisierenden Gesundheitsschadens überwiegend wahrscheinlich ausgewiesen. Insbesondere sei bereits von PD Dr. med. D.________, FMH Allgemeine Innere Medizin, Tropen- und Reisemedizin sowie Infektiologie, ME/CFS diagnostiziert und von Dr. C.________, der diesbezüglich über ein grosses Fachwissen verfüge, bestätigt worden. Dr. med. E.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, habe diese Diagnose ebenfalls bestätigt, gegen eine Überprüfung durch einen Facharzt für Neurologie habe die Versicherte aber nichts einzuwenden. Dr. E.________ habe nunmehr die Verdachtsdiagnose komplexe PTBS als gesichert bestätigt und überdies am 6. September 2023 eine mittelgradige depressive Episode festgehalten. Gegen die Überprüfung auch der psychiatrischen Diagnosen durch einen entsprechenden Facharzt habe die Beschwerdeführerin ebenfalls nichts einzuwenden, sofern damit keine Gefahr für ihre Gesundheit verbunden sei. Eine externe Begutachtung erachteten die behandelnden Fachpersonen allerdings einhellig als nicht zumutbar. Zu den Arztkonsultationen hält die Versicherte fest, eine Zahnextraktion sei zum Glück nicht notwendig gewesen. Zudem sei der Harnwegsinfekt von November 2021 zu Hause behandelt worden. Die Notfallpraxis des LUKS habe sie auf Anraten von Dr. C.________ aufgesucht, weil dies unumgänglich gewesen sei, wobei sie dort in einem abgedunkelten, ruhigen Raum habe warten können. Deswegen sei es ihr zudem die folgenden zwei bis drei Wochen aufgrund eines Crashs schlecht gegangen. Allgemein gehe es ihr heute nicht besser als im Jahr 2020, eine externe bzw. eine stationäre psychiatrische Begutachtung sei ihr nicht zumutbar, eventualiter sei die Frage der entsprechenden Zumutbarkeit durch ein Gerichtsgutachten abzuklären. Ob eine polydisziplinäre Begutachtung bei der Beschwerdeführerin zu Hause möglich bzw. nur mit unverhältnismässigem Aufwand durchzuführen wäre, sei von der IV-Stelle nie abgeklärt worden. Der geschätzte Mehraufwand für die An- und Rückreise der begutachtenden Personen von höchstens Fr. 4'500.-- sei gemessen an den Ansprüchen, die für die Versicherte auf dem Spiel stünden (Rente, Hilflosenentschädigung, Hilfsmittel etc.), sicher nicht als unverhältnismässig zu bezeichnen.

4.4.
Am 9. Februar 2024 ergänzt die IV-Stelle in ihrer Duplik, es sei gar nicht sicher, ob durch eine externe Begutachtung tatsächlich eine Gesundheitszustandsverschlechterung einträte. Zudem erscheine eine Verschlechterung auch nicht dauerhaft anzuhalten, sondern für einige Tage, allenfalls für eine bis zwei Wochen. Selbst diese Folgen seien zur Klärung der Leistungsansprüche zumutbar, immerhin gehe es um einen Anspruch auf Rentenleistungen. Überdies sei eine Begutachtung bei der Beschwerdeführerin zu Hause allein aus neuropsychologischer Sicht nicht möglich, da diverse erforderliche Testungen dort nicht durchgeführt werden könnten.

4.5.
In ihrer Triplik vom 4. März 2024 bekräftigt die Beschwerdeführerin den Standpunkt, dass eine externe polydisziplinäre Begutachtung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands führen würde, die mit Sicherheit nicht nur einige Tage oder eine bis zwei Wochen andauerte. Die PEM als Leitsymptom von ME/CFS sei dadurch charakterisiert, dass sich die Krankheitssymptome schon nach geringer körperlicher, geistiger oder emotionaler Anstrengung verschlimmerten. Eine polydisziplinäre Begutachtung brächte Anstrengungen mit sich, die voraussichtlich langandauernde oder sogar irreversible Verschlechterungen zur Folge hätte. Sinngemäss macht die Versicherte geltend, sie müsse lediglich leichte Eingriffe in die Grundrechte der persönlichen Freiheit in Kauf nehmen. Die vorgesehene externe Begutachtung stelle hingegen eine unzumutbare Belastung und Gefahr für ihre Gesundheit dar.

4.6.
Im Rahmen ihrer Quadruplik weist die Verwaltung darauf hin, es sei an ihr, über die Art und den Umfang der notwendigen Abklärungen zu bestimmen. Auch der RAD könne frei wählen, welche "Prüfmethode" er als geeignet ansehe und welche Fachdisziplinen zu beteiligen seien. Im Juli 2020 habe die IV-Stelle erstmals eine externe Begutachtung veranlassen wollen. Damals sei die Beschwerdeführerin noch nicht der Meinung gewesen, dies sei ihr nicht zumutbar. Erst durch die Eltern der Versicherten sei mit E-Mail vom 2. Oktober 2020 geltend gemacht worden, die Anreise nach Bern zur B.________AG sei nicht zumutbar. Medizinisch liessen sich aber, abgesehen von den von Dr. C.________ geäusserten Bedenken, bis heute keine objektiven Gründe nachvollziehen, die eine Reiseunfähigkeit begründen könnten. Eine polydisziplinäre Begutachtung sei beim vorliegend zu beurteilenden Krankheitsbild unumgänglich, vorzunehmen sei eine neurologische, psychiatrische und infektiologische Untersuchung. Gemäss Aussage des RAD würden keine Gutachten bei den Versicherten zu Hause durchgeführt. Neben diversen neuropsychologischen Tests seien allenfalls weitere diagnostische Abklärungen notwendig, die ebenfalls nicht in der häuslichen Umgebung der Beschwerdeführerin durchführbar seien.

5.
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass zur Beurteilung allfälliger Leistungsansprüche der Versicherten gegenüber der IV eine Begutachtung notwendig ist. Die Beschwerdeführerin hat zwar in ihrer Replik erwähnt, aufgrund der vorhandenen medizinischen Berichte sei das Vorliegen eines anspruchsbegründenden invalidisierenden Gesundheitsschadens überwiegend wahrscheinlich ausgewiesen (vgl. vorstehende E. 4.3) der IV-Stelle ist aber zuzustimmen, dass aufgrund der vorliegenden Akten gestützt allein auf die Berichte der behandelnden Stellen die Zusprechung insbesondere von Rentenleistungen nicht infrage kommt (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.5).

Uneinigkeit herrscht hinsichtlich der Frage, ob die angekündigte externe polydisziplinäre Begutachtung in der beabsichtigten Form der Beschwerdeführerin aus medizinischen Gründen zumutbar ist. Sollte die nachfolgende Prüfung zeigen, dass dies nicht der Fall ist, erwiese sich die Weigerung der Versicherten, sich der Begutachtung zu unterziehen, als entschuldbar und der Nichteintretensentscheid der IV-Stelle grundsätzlich als unzulässig. Weil hier somit noch kein Leistungsentscheid zu fällen ist, ist keine abschliessende Würdigung der gesamten medizinischen Sachlage vorzunehmen, vielmehr beschränkt sich die nachfolgende Beurteilung einzig auf den vorerwähnten Aspekt der Zumutbarkeit.

6.
Die Aktenlage präsentiert sich hinsichtlich der Zumutbarkeit einer externen polydisziplinären Begutachtung im Wesentlichen wie folgt:

6.1.
Nachdem der Beschwerdeführerin mit Mitteilung vom 18. September 2020 die per Zufallsprinzip ausgewählte B.________AG als Gutachterstelle angekündigt worden war, wandte sich deren Mutter am 2. Oktober 2020 per E-Mail an die IV-Stelle und informierte diese über die Reiseunfähigkeit der Versicherten. Bis im März 2020 habe sie noch ab und zu selbständig auf die Toilette gekonnt, seither sei das Gehen nicht mehr möglich. Zu Untersuchungen habe sie jeweils einen Rollstuhl mieten müssen, damit sie vom Bett zum Auto und zur Praxis habe gelangen können. Die Begutachtungen bei der B.________AG in Bern erachte sie momentan als nicht zumutbar. Sie ersuchte daher die IV-Stelle, sich für eine Untersuchung zu Hause oder in Luzern einzusetzen. Am 7. Oktober 2020 reichte sie der Verwaltung ein entsprechendes Zeugnis von Dr. C.________ vom 6. Oktober 2020 nach. Diesem zufolge besteht eine Bettlägerigkeit. Bei kleinsten Anstrengungen dekompensiere der fragile Zustand der Versicherten. Jede bisherige Reise, jeder Auswärtstermin habe die Symptome über ganze Tage bis Wochen verschlechtert und ihre Baseline vermindert. Er sehe sie in regelmässigen Zeitabständen im Rahmen von Hausvisiten, damit die Grundversorgung gewährleistet sei.

6.2.
Am 19. Oktober 2020 nahm Dr. med. F.________, Facharzt Allgemeine Innere Medizin, vom RAD zum Zeugnis von Dr. C.________ vom 6. Oktober 2020 Stellung und kam zum Schluss, aus diesem lasse sich eine Reiseunfähigkeit nicht objektivierbar nachvollziehen. Zugestanden werden könne die Nichtbenutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. In Begleitung der Eltern unter Benutzung eines privaten Fahrzeugs sollte aber die Anreise zur Begutachtung in Bern möglich sein.

6.3.
Im Bericht vom 26. März 2021 äusserte sich Dr. E.________ insbesondere zur Reiseunfähigkeit, die im Umfang von 100 % vorliege. Eine polydisziplinäre gutachterliche Untersuchung im Rahmen des IV-Verfahrens erscheine kaum umsetzbar aufgrund der schwer ausgeprägten Bettlägerigkeit, der mit der Erkrankung verbundenen systemischen Belastungsintoleranz und der PEM. Zudem bestehe der Verdacht auf (V.a.) eine iatrogene (Re-)Traumatisierung (infolge der Infusionsbehandlungen 2018), was bei ärztlichen Untersuchungen berücksichtigt werden sollte.

6.4.
Dr. C.________ beantwortete mit Schreiben vom 30. Mai 2022 Fragen des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit einer ausserhäuslichen medizinischen Begutachtung und bezeichnete eine solche bis auf Weiteres als unzumutbar. Seine Patientin leide unter der hierzulande immer noch weitgehend unbekannten bzw. ignorierten
Grunderkrankung ME/CFS. Eine vermehrte Mobilisierung würde sie ganz klar zurückwerfen und sei ethisch nicht vertretbar. In ihrem Zustand seien Liegendtransporte, serielle Termine und Abklärungen klar unzumutbar. In der Schweiz habe es auch noch keine stationären Einrichtungen, die für ME/CFS offiziell und in Konformität mit den aktuellen, offiziellen Richtlinien akkommodierten. Die einzige ihm bekannte Einrichtung, die dies versuche, weise aber schwergradig Betroffene ab. Er plädiere auf eine Domizilabklärung unter Auseinandersetzung der Gutachter mit den aktuellen Richtlinien zu ME/CFS. Auf das nämliche Schreiben nahm Dr. C.________ in seinem Verlaufsbericht vom 14. August 2022 Bezug, wo er vorschlug, die Beschwerdeführerin bei sich zu Hause durch die Gemeindeintegrierte Akutbehandlung (GiA) begutachten zu lassen. Die Versicherte bleibe hausgebunden, grösstenteils bettlägerig und sei im konventionellen Sinn nicht transport-/stations-/rehabilitationsfähig. Liegendtransporte und stationäre Behandlungen seien nur in lebensbedrohlichen Notfällen vertretbar.

6.5.
Am 18. August 2022 beantwortete auch der Psychotherapeut der Versicherten, G.________, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, Fragen des Rechtsvertreters. Er liess sich dahingehend vernehmen, eine stationäre Unterbringung sei aus psychotherapeutischer Sicht unzumutbar. Noch immer werde die Gefährdung und Destabilisierung des psychischen Zustands als zu hoch eingeschätzt. Den Einbezug der GiA erachte er aktuell als die beste Vorgehensweise.

6.6.
Im Hinblick auf die Neuvergabe des Gutachtensauftrags via Med@p nahm die RAD-Ärztin Dr. med. H.________, Fachärztin Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, am 15. März 2023 zur Zumutbarkeit einer medizinischen Abklärung Stellung. Aus neurologisch-psychiatrischer sowie nach Beratung mit Dr. med. I.________, Facharzt Allgemeine Innere Medizin, ebenfalls vom RAD, auch aus internistischer Sicht ergäben sich keine Hinderungsgründe für eine reguläre polydisziplinäre Begutachtung mit entsprechendem Transport vor Ort. Dasselbe gelte für eine stationäre Abklärung.

6.7.
Mit ihrer Beschwerde reichte die Versicherte weitere medizinische Unterlagen ein, unter anderen einen "grossen Verlaufsbericht" von Dr. C.________ vom 11. September 2023, der seine vorstehenden Angaben zur Transport-/Stations-/Rehabilitationsfähigkeit bestätigte. Diese Tatsache werde leider weiterhin ignoriert. Übliche stationäre Aufenthalte oder IV-Prozesse würden formal einer Körperverletzung entsprechen mit voraussehbaren, desolaten Konsequenzen (Rückkehr zum "Vegetierungszustand" vom ersten Quartal 2020). Der Alltag der Patientin sei bereits jetzt kaum vorstellbar, aber besser als Ende 2019/Beginn 2020, wo sie nur "davorvegetierte", aktuell könne sie zumindest eine Stunde pro Tag niederintensiven Aktivitäten nachgehen. Sie hätten ein Gespräch am offenen Tisch mit den IV-Mitarbeitenden vorgeschlagen oder zumindest deren Besuch bei der Versicherten, was aber beides abgelehnt worden sei.

Dem Bericht von Dr. E.________ vom 6. September 2023 kann sodann entnommen werden, dass diese die geforderte stationäre Begutachtung bei dem schwerstausgeprägten, komplexen Krankheitsbild als nicht zielführend und äusserst ungünstig erachte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit komme es nach einem stationären Aufenthalt mit etwaigen Untersuchungen, Reizquellen und Belastungen zu einer weiteren Zunahme der Erschöpfungssymptomatik. Dies treffe besonders auf schwerst betroffene Patienten wie die Beschwerdeführerin zu, was ihre klinische Erfahrung der letzten fünf bis sechs Jahre gezeigt habe. Ausserdem komme durch die komplexe PTBS das Risiko für eine Zunahme der Ängste, dissoziativen Zustände und Flashbacks hinzu.

Einem weiteren Verlaufsbericht des Therapeuten G.________ vom 6. September 2023 kann entnommen werden, dass sich seit Behandlungsbeginn vom 13. Mai 2021 sowohl das Energielevel als auch das subjektive psychische Befinden verschlechtert hätten. Aus dem Bericht geht ebenfalls hervor, dass die Versicherte nach einem Indikationsgespräch (Anmerkung des Gerichts: mit der GiA der Luzerner Psychiatrie) vor Ort im September 2022 mit einer starken körperlichen Aktivierung (PEM) und einer psychischen Verschlechterung reagiert habe. In der Folge hätten einige Wochen keinerlei Behandlungstermine durchgeführt werden können. Derzeit sei eine psychiatrische Begutachtung, auch vor Ort, kaum umsetzbar. Es gelte, weitere Retraumatisierungseffekte und Folgen (u.a. Suizidalität) zu vermeiden.

7.
7.1.
Was die objektive Zumutbarkeit der polydisziplinären Begutachtung anbelangt, ist diese für die vorgesehene diagnostische Massnahme bzw. Abklärung der Leistungsfähigkeit ohne Weiteres zu bejahen (vgl. vorstehende E. 3.2.2 dritter Absatz). Näherer Betrachtung bedarf indessen die subjektive Zumutbarkeit, worauf nachfolgend einzugehen ist.

7.2.
7.2.1.
RAD-Ärztin Dr. H.________ hielt, ohne die Beschwerdeführerin persönlich gesehen zu haben, in ihrer Aktenbeurteilung vom 15. März 2023 im Wesentlichen Argumente für die – vorliegend nicht umstrittene – Notwendigkeit einer polydisziplinären Begutachtung fest. Die Zumutbarkeit einer solchen erachtete sie hierzu ohne nähere Begründung bzw. lediglich mit dem Hinweis auf fehlende Hinderungsgründe als gegeben (vgl. vorstehende E. 6.6). Aufgrund der mangelnden Auseinandersetzung namentlich mit den aus psychiatrischer Sicht von Dr. E.________ vorgebrachten Einwänden im Zusammenhang mit der (subjektiven) Zumutbarkeit einer Begutachtung kann der diesbezüglichen Einschätzung von Dr. H.________ allerdings nicht gefolgt werden. Die Psychiaterin Dr. E.________ bezog sich in ihren Aussagen (vgl. vorstehende E. 6.7 zweiter Absatz) zwar bloss auf eine stationäre Begutachtung, es kann indessen davon ausgegangen werden, dass diese erst recht für eine ambulante Begutachtung mit mehreren Explorationen an verschiedenen Tagen gelten. In erster Linie begründet sie die aus ihrer fachärztlichen Sicht bestehende Unzumutbarkeit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zunahme der Erschöpfungssymptomatik. Diese Annahme basiert auf ihren Erfahrungen der letzten fünf bis sechs Jahre im Rahmen ihrer Tätigkeit unter anderem in der Sprechstunde für chronische Müdigkeit in der Klinik J.________, mithin bei einer zur Beurteilung für ME/CFS kompetenten Stelle. Aus den Berichten von Dr. E.________ vom 6. September 2023 und 26. März 2021 geht indessen hervor, dass sich die Versicherte bei ihr am 9. und 16. März 2021 lediglich telemedizinisch vorgestellt habe, was die Aussagekraft ihrer Einschätzung schmälert. Es kann deshalb bereits aufgrund der fehlenden persönlichen Untersuchung nicht abschliessend beurteilt werden, wie hoch die Gefahr einer Gesundheitszustandsverschlechterung tatsächlich ist und ob dieser Umstand zur subjektiven Unzumutbarkeit einer externen Begutachtung führte. Nichtsdestotrotz bestehen, bei fehlender inhaltlicher Stellungnahme von Dr. H.________, zumindest gewisse Zweifel hinsichtlich der Zumutbarkeit.

Beim zusätzlich erwähnten Risiko für eine Zunahme der Ängste, dissoziativen Zustände und Flashbacks aufgrund einer komplexen PTBS unterlässt es Dr. E.________ darzulegen, weshalb dieses Risiko bei der Versicherten relevant höher sein sollte als bei andern Personen mit einer PTBS, wo diese Diagnose regelmässig kein Hinderungsgrund für eine Begutachtung darstellt. Sie bringt diesbezüglich keine Argumente vor, die einer generell als zumutbar zu betrachtenden psychiatrischen Untersuchung in einer Gutachtensstelle (vgl. BGer-Urteil 8C_283/2020 vom 4.8.2020 E. 4.1) entgegenstünden. Dasselbe gilt für die Ausführungen des Psychotherapeuten G.________, der sogar eine psychiatrische Begutachtung vor Ort als kaum umsetzbar beurteilt, was er im Wesentlichen mit weiteren Retraumatisierungseffekten, die es zu vermeiden gelte, begründet (vgl. vorstehende E. 6.7 dritter Absatz). Hier gilt es indessen zu beachten, dass die Beschwerdeführerin selbst zumindest ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer solchen Abklärung erklärt hat. Wenn aus Sicht des behandelnden Therapeuten und der mit der Versicherten befassten Arztpersonen in deren reduzierten körperlichen Verfassung sowie angesichts der drohenden PEM nach geringer Belastung keine Kontraindikation zu sehen ist, dass sich die Beschwerdeführerin im Rahmen einer Psychotherapie regelmässig mit frühkindlichen Traumata auseinandersetzt, ist für das Gericht nicht ohne Weiteres ersichtlich, weshalb letzteres gegen die Durchführung einer psychiatrischen Begutachtung sprechen sollte. Von einer psychiatrischen Fachperson kann zudem erwartet werden, anlässlich einer Begutachtung eine allfällige Verschlechterung des Gesundheitszustands zu erkennen, die notwendigen Gegenmassnahmen zu treffen oder im Notfall die Begutachtung abzubrechen (BGer-Urteil 8C_874/2011 vom 20.1.2012 E. 5.4 mit Hinweis).

Auch wenn aus psychiatrischer Warte keine ausreichend objektivierbaren Gründe gegen die subjektive Zumutbarkeit dargelegt wurden, bleiben aber bezüglich einer externen Begutachtung zumindest gewisse Zweifel bestehen.

7.2.2.
7.2.2.1.
Zu prüfen ist überdies, ob aus somatischer Sicht die (subjektive) Zumutbarkeit einer externen polydisziplinären Begutachtung zu verneinen ist.

7.2.2.2.
Vorauszuschicken ist, dass es sich bei der von den behandelnden Stellen vordergründig gestellten Diagnose ME/CFS um eine schwere neuroimmunologische Erkrankung handelt, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Beeinträchtigung führen kann. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein und sie wird im ICD-10 mit G93.3 und im ICD-11 mit 8E49 codiert. ME/CFS ist ein eigenständiges, komplexes Krankheitsbild und nicht mit dem Symptom Fatigue zu verwechseln, das ein typisches Begleitsymptom vieler chronisch-entzündlicher Erkrankungen sein kann. Die von ME/CFS betroffenen Personen leiden neben einer schweren Fatigue (körperliche Schwäche), die das Aktivitätsniveau erheblich einschränkt, unter neurokognitiven, autonomen und immunologischen Symptomen. Charakteristisch für ME/CFS ist die PEM, eine ausgeprägte und anhaltende Verstärkung aller Symptome nach geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung. Diese führt zu ausgeprägter Schwäche, Muskelschmerzen, grippalen Symptomen und der Verschlechterung des allgemeinen Zustands. Sie tritt typischerweise schon nach geringer Belastung wie z.B. nach wenigen Schritten auf. Schon kleine Aktivitäten können in der Folge zu tagelanger Bettruhe zwingen. Neben der PEM können betroffene Personen unter Symptomen des autonomen Nervensystems wie Herzrasen, Schwindel, Benommenheit und Blutdruckschwankungen leiden. Sie können dadurch nicht mehr für längere Zeit stehen oder sitzen. Medizinisch spricht man dabei von der orthostatischen Intoleranz. Dazu können immunologische Symptome wie ein starkes Krankheitsgefühl, schmerzhafte und geschwollene Lymphknoten, Halsschmerzen, Atemwegsinfekte und eine erhöhte Infektanfälligkeit kommen. Zahlreiche betroffene Personen leiden zudem unter ausgeprägten Schmerzen wie Muskel- und Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen eines neuen Typus. Hinzu kommen Muskelzuckungen und -krämpfe, massive Schlafstörungen und neurokognitive Symptome wie Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen (oft als "Brain Fog" bezeichnet) sowie die Überempfindlichkeit auf Sinnesreize (vgl. ausführlich zum Ganzen LGVE 2024 III Nr. 4 E. 7.3). Eine durch ME/CFS hervorgerufene Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG) und eine daraus resultierende Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG) kann folglich zu einer Invalidität im Sinn von Art. 8 Abs. 1 ATSG und Art. 4 Abs. 1 IVG führen.

7.2.2.3.
RAD-Ärztin Dr. H.________ verfügt als neurologische Fachärztin über die fachliche Kompetenz, sich auch aus somatischer Sicht zur Zumutbarkeit der vorgesehenen Begutachtung zu äussern. Aus dieser Warte liess sie es allerdings ebenfalls bei der Feststellung bewenden, es bestünden keine entsprechenden Hinderungsgründe (vgl. vorstehende E. 6.6). Mit andern Worten setzte sie sich nicht näher mit den Berichten von Dr. C.________ auseinander, der sich ausführlich dazu geäussert hatte, weshalb er eine externe – ambulante sowie stationäre – polydisziplinäre Begutachtung als nicht zumutbar erachte. Dieser besitzt zwar gemäss Ärzteverzeichnis der FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum; Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte) und dem Medizinalberuferegister des Bundes keinen Facharzttitel, wie die Verwaltung zu Recht bemerkt, allerdings beschäftigt er sich laut eigenen Angaben seit vielen Jahren schwerpunktmässig mit ME/CFS und fungiert daneben z.B. als medizinischer Berater des Vereins K.________. Die IV-Stelle bezeichnet ihn in der Quadruplik vom 3. April 2024 zwar lediglich in Anführungszeichen und darüber hinaus als selbsternannten Spezialisten, dass er über langjährige praktische Erfahrung mit von ME/CFS Betroffenen verfügt, bestreitet indessen auch die Verwaltung zu Recht nicht. Auch weil sich Dr. C.________, der selbst ebenfalls ME/CFS-Patient sein soll, auf ungewöhnliche und persönlich motivierte Art für seine Patienten einsetzt, kann jedoch nicht allein gestützt auf seine Angaben von der Unzumutbarkeit einer externen Begutachtung ausgegangen werden (vgl. dazu auch E. 5 erster Absatz). Vorliegend zeigen bereits seine zahlreichen, jeweils umfangreichen und detaillierten Verlaufsberichte, dass er sich überaus engagiert für die Belange der Beschwerdeführerin einsetzt, weshalb es seinen Angaben vermutungsweise an der nötigen Distanz und Objektivität fehlt, um ohne Weiteres als massgebliche Grundlage für die Frage einer allfälligen Unzumutbarkeit der beabsichtigten Begutachtung dienen zu können. Hinzu kommt, dass er die Diagnose einer ME/CFS nicht zweifelsfrei zu begründen vermag. Trotzdem ist seinen Ausführungen, gerade wegen seiner Erfahrung mit dieser bislang wenig erforschten Krankheit, für die bislang ein validierter Biomarker fehlt (LGVE 2024 III Nr. 4 E. 7.3 vierter Absatz), nicht jede Aussagekraft und Relevanz abzusprechen. Es finden zudem seit 2020 regelmässig Hausbesuche statt und seine Ausführungen stützen sich nicht nur auf die subjektiven Äusserungen der Versicherten, sondern auch auf seine eigenen Feststellungen.

7.2.2.4.
Aus den von der IV-Stelle ins Feld geführten Arztkonsultationen (vgl. vorstehende E. 4.2) fliesst sodann kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn. Gemäss den Ausführungen der Versicherten hat weder ein Zahnarztbesuch (im Jahr 2020) noch ein solcher beim Hausarzt (im November 2021; diesbezüglich unklar, weshalb Dr. C.________ von einer Vorstellung beim Hausarzt schreibt, gemäss Angaben der Beschwerdeführerin sei die Urinprobe von ihrer Mutter beim Hausarzt vorbeigebracht worden) stattgefunden. Belegt ist lediglich das Aufsuchen der Notfallpraxis des LUKS im November 2021, was allerdings auf explizites Anraten von Dr. C.________ erfolgt war. Allfällige Folgen sind wiederum nicht dokumentiert, sodass sich hieraus nichts für den Gesundheitszustand der Versicherten im Verfügungszeitpunkt ableiten lässt, was für oder gegen die Zumutbarkeit einer Begutachtung spräche.

7.3.
7.3.1.
Die Aussagen des RAD, worauf sich die Verwaltung in ihrem Nichteintretensentscheid abgestützt hat, und diejenige von Dr. C.________, die betreffend die subjektive Zumutbarkeit einer externen Begutachtung im Ergebnis von Dr. E.________ bestätigt wurden (vgl. vorstehende E. 7.2), widersprechen einander diametral. Weil erstere nicht weiter begründet und letztere aus den vorerwähnten Gründen zwar nicht ohne Weiteres übernommen werden können, aber trotzdem Zweifel an der Zumutbarkeit wecken, sind zusätzliche Erhebungen notwendig, um die Frage bezüglich allfälliger Auswirkungen bzw. deren Dauer auf den Gesundheitszustand einer wie auch immer gearteten Begutachtung und damit letztlich hinsichtlich der Zulässigkeit einer weitergehenden medizinischen Abklärung zuverlässig beantworten zu können.

7.3.2.
7.3.2.1.
Die zusätzlichen Abklärungen sind allerdings nicht durch das Kantonsgericht zu veranlassen, vielmehr obliegt dies in erster Linie der IV-Stelle, worauf diese in ihrer Quadruplik vom 3. April 2024 zutreffend hingewiesen hat. Schon aus diesem Grund kommt vorliegend kein Gerichtsgutachten in Betracht, welches die subjektive Zumutbarkeit einer externen polydisziplinären Begutachtung klären würde. Die Beantwortung dieser Frage, wie von der Versicherten mit Schreiben vom 19. August 2022 vorgeschlagen, durch den RAD nach Vornahme eines Hausbesuchs, erscheint hier allerdings nicht mehr zielführend. Zwar können RAD-Ärzte bei Bedarf selber ärztliche Untersuchungen von Versicherten durchführen (Art. 49 Abs. 2 der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201]), die zuständige Neurologin und Psychiaterin des RAD, Dr. H.________, hat sich aber offensichtlich ohne persönlichen Augenschein diesbezüglich bereits festgelegt.

7.3.2.2.
Nachdem sich der RAD aufgrund des soeben Ausgeführten (vgl. vorstehende E. 7.3.2.1) nicht mehr für die Abklärung der subjektiven Zumutbarkeit einer externen Begutachtung eignet, kann diese Frage nur noch verwaltungsextern beantwortet werden. Aus den nachfolgenden Gründen ist dieser Aspekt durch einen psychiatrischen Gutachter oder eine psychiatrische Gutachterin zu prüfen, wobei es sich allerdings aufdrängt, sich nicht auf jenen zu beschränken.

Gemäss den Ausführungen der Beschwerdeführerin stellt die in den Berichten der behandelnden Ärzteschaft im Vordergrund stehende ME/CFS bzw. die PEM neben dem Risiko einer
Retraumatisierung im Rahmen einer komplexen PTBS das Hauptargument dar, das gegen die vorerwähnte Zumutbarkeit spreche. Die PEM ist dem interdisziplinären, kollaborativen D (Deutschland)-A (Österreich)-CH (Schweiz) Konsensus-Statement zur Diagnostik und Behandlung von ME/CFS (Wiener klinische Wochenschrift, The Central European Journal of Medicine 2024, S.103 ff.; nachfolgend Konsensus-Statement) zufolge das Leitsymptom für die ME/CFS und für die Diagnosestellung zwingend erforderlich (S. 107). Vor dem Hintergrund, dass Dr. E.________, ohne die Versicherte persönlich vor Ort oder in der Klinik untersucht zu haben, am 26. März 2021 nicht bloss ein chronisches Müdigkeitssyndrom (ME/CFS) diagnostiziert, sondern differenzialdiagnostisch auch eine Neurasthenie erwogen sowie den V.a. PTBS geäussert hat (letztgenannte Verdachtsdiagnose wurde von Dr. E.________ ohne weitere Begründung mit Bericht vom 6.9.2023 als gesichert bestätigt, zudem erwähnte sie eine mittelgradige depressive Episode), ist es nach Ansicht des Gerichts für die Beurteilung der subjektiven Zumutbarkeit einer externen Begutachtung unabdingbar, die von der Versicherten beklagten Beeinträchtigungen diagnostisch einzuordnen. Im Zusammenhang mit der hier im Raum stehenden ME/CFS ist es gemäss Konsensus-Statement (S. 107 f.) sodann von grösster Wichtigkeit, eine besonders sorgfältige Abgrenzung zu psychischen Erkrankungen vorzunehmen. Beachtlich ist zudem, dass die vorerwähnte Diagnose anhand etablierter klinischer Kriterien zu prüfen ist (namentlich IOM 2015 [Institute of Medicine, Committee on the Diagnostic Criteria for Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome], February 10, 2015 [kanadische Kriterien] und Bell-Skala [Bell DS. The Doctor’s Guide to Chronic Fatigue Syndrome: Understanding, Treating and Living with CFIDS. Boston: Da Capo Lifelong Books: 1995]; LGVE 2024 III Nr. 4 E. 6.3). Bei der Diagnostik ebenfalls zu berücksichtigen ist das soeben erwähnte Konsensus-Statement. Mit andern Worten ist es für eine korrekte Diagnosestellung und damit ebenfalls für die Beurteilung der subjektiven Zumutbarkeit einer externen Begutachtung zwingend erforderlich, dass die psychiatrische Facharztperson, abgesehen vom ohnehin vorgängig notwendigen Studium der Akten, die Versicherte mindestens an zwei Terminen aufsucht: Einmal für die Exploration (mit Befragung und Befunderhebung) und ein weiteres Mal für die Verifizierung bzw. Charakterisierung einer PEM. Im Anschluss an die Abklärungen vor Ort müssen sodann die Funktionseinbussen eingeschätzt werden; hierfür ist selbst dann eine Indikatorenprüfung im Sinn von BGE 141 V 281 vorzunehmen, wenn neben einer ME/CFS keine psychiatrische Diagnose zu stellen ist (vgl. dazu LGVE 2024 III Nr. 4 E. 9). Für die Schaffung der notwendigen Berichtsbasis wären mithin allein für die Zumutbarkeitsbeurteilung umfangreiche Erhebungen (inklusive Auseinandersetzung mit den medizinischen Akten und dabei insbesondere mit den Berichten der Dres. E.________ und C.________, Beurteilung der Arbeitsfähigkeit usw.) notwendig. Weil die psychiatrische Gutachtensperson ausserdem anlässlich der Konsistenzprüfung unter anderem auch die körperlichen Auswirkungen der Immobiliät sowie der Bettlägerigkeit der Versicherten zu würdigen haben wird, ist nebst dem Psychostatus überdies ein minimaler somatischer Status zu erheben, wozu aufgrund ihrer medizinischen Grundausbildung ohne Weiteres auch eine psychiatrische Facharztperson in der Lage ist. Insbesondere auch aus prozessökonomischen Gründen drängt sich aufgrund des Dargelegten direkt eine umfassende psychiatrische Begutachtung vor Ort auf. In deren Rahmen wird dann ebenfalls die Zumutbarkeit einer allfälligen weiteren bi- oder polydisziplinären externen Begutachtung zu klären sein. Für die psychiatrische (monodisziplinäre) Begutachtung vor Ort hat die IV-Stelle die Vorgaben von Art. 44 ATSG zu beachten.

7.3.2.3.
Im Anschluss an die psychiatrische Begutachtung, in deren Rahmen auch die subjektive Zumutbarkeit einer externen gutachterlichen Untersuchung zu beurteilen ist (vgl. vorstehende E. 7.3.2.2), sind allenfalls notwendige weitere fachmedizinische Beurteilungen aus somatischer Sicht, entsprechend den diesbezüglichen Feststellungen der psychiatrischen Gutachtenperson, zu veranlassen. Resultiert bereits gestützt auf die psychiatrische Expertise eine vollständige Arbeitsunfähigkeit, erübrigen sich selbstredend weitere medizinische Erhebungen. Die erforderlichen Abklärungen werden jedenfalls so auszugestalten sein, dass einerseits deren Zweck erfüllt werden kann und anderseits ebenfalls den Beeinträchtigungen der Versicherten Rechnung getragen sowie allfällige negative Auswirkungen nach Möglichkeit vermieden werden. Dabei ist daran zu erinnern, dass medizinische Abklärungen in der Regel zumutbar sind, ausser sie wären mit einem aussergewöhnlich hohen und somit nicht mehr zu rechtfertigenden gesundheitlichen Risiko verbunden (vgl. BGer-Urteil 8C_528/2009 vom 3.11.2009 E. 7.2; vgl. auch vorstehende E. 3.2.2 dritter Absatz). Zu beachten ist überdies, dass Begutachtungen auch für andere Versicherte (namentlich solche mit psychischen Beschwerden wie Angststörungen, Traumafolgen, Hirnverletzungen oder Erschöpfungssyndromen) eine grosse Belastung darstellen, mit einer grossen Anstrengung verbunden sein und Ängste sowie Widerstände wecken können. In diesem Zusammenhang ist denn auch auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen, wonach eine gewisse Belastung durch die erforderlichen Abklärungen in Kauf nehmen muss, wer Versicherungsleistungen beansprucht (BGer-Urteile 8C_283/2020 vom 4.8.2020 E. 4.3.2.2, 9C_28/2010 vom 12.3.2010 E. 4.4).

Sollte sich im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung für allfällige weitere Abklärungen eine stationäre oder gar eine Begutachtung bei der Beschwerdeführerin zu Hause als notwendig erweisen, ist es Aufgabe der IV-Stelle, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, um eine solche zu ermöglichen. Unabhängig davon, in welchem Rahmen allfällige weitere Abklärungen stattfinden werden, ist die psychiatrische Gutachtenperson in die abschliessende Konsensbeurteilung miteinzubeziehen.

7.4.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass gestützt auf die vorhandene medizinische Aktenlage die (subjektive) Zumutbarkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit der vorgesehenen polydisziplinären Begutachtung nicht mit dem erforderlichen Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. Es ist aufgrund der medizinischen Berichte nicht auszuschliessen, dass die Weigerung der Beschwerdeführerin, sich extern begutachten zu lassen, auf krankheitsbedingten Gründen und nicht auf einem ihr vorzuwerfenden Verschulden gründet. Bei den gegebenen Verhältnissen verbietet sich jedenfalls der Schluss, dass ein Rechtfertigungsgrund nicht einmal ansatzweise erkennbar ist und sich das Verhalten der Beschwerdeführerin als schlechthin unverständlich erweist (Kieser, a.a.O., Art. 43 ATSG N 103). Die angefochtene Nichteintretensverfügung war daher nicht gerechtfertigt, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen und die Sache zur Fortführung des Verfahrens – Einholung eines psychiatrischen Gutachtens am Wohnort der Versicherten zur Beurteilung von Ansprüchen gegenüber der IV sowie der Notwendigkeit und der subjektiven Zumutbarkeit einer gegebenenfalls weitergehenden (bi- oder polydisziplinären) Begutachtung bzw. deren Ausgestaltung – an die IV-Stelle zurückzuweisen ist.