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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Staats- und Gemeindesteuern / direkte Bundessteuer
Entscheiddatum:25.09.2024
Fallnummer:7W 23 66/7W 23 67
LGVE:2025 IV Nr. 1
Gesetzesartikel:§ 154 Abs. 1 StG; §§ 110 Abs. 1 lit. f und 114 VRG; Art. 5 Abs. 3 und 9 BV.
Leitsatz:Briefzustellung per A-Post Plus (E. 2.3). Die Nachdatierung von Verfügungen oder Entscheiden stellt einen Eröffnungsmangel dar, welcher i.d.R. nicht besonders schwer wiegt und damit nicht zur Nichtigkeit führt (E. 2.4 f.). Jedoch dürfen den Parteien aus einer mangelhaften Eröffnung eines amtlichen Schriftstücks keine Nachteile erwachsen (E. 3.1). Rechtsunkundige Privatpersonen dürfen ungeachtet einer aufgedruckten A-Post Plus Sendungsnummer in die Richtigkeit des Entscheiddatums vertrauen (E. 3.2). Sorgfaltspflicht von berufsmässigen Vertretern wie Treuhänder und Anwälte bei der Wahrung von Rechtsmittelfristen (E. 4.1). Beurteilung im konkreten Fall (E. 4.4). Generelle Erwägungen zur Nachdatierungspraxis der luzernischen Steuerbehörden (E. 5).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Sachverhalt

A.
A.________ und B.________ reichten am 28. Dezember 2022 die Steuererklärung 2021 ein. Die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern veranlagte sie mit per 10. August 2023 datierter Veranlagungsverfügung betreffend die Staats- und Gemeindesteuern 2021 sowie die direkte Bundessteuer 2021 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 238'500.-- bzw. Fr. 234'600.--, wobei eine Aufrechnung von Fr. 200'000.-- als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit aufgrund einer ausgebliebenen Darlehensrückzahlung erfolgte. Das steuerbare Vermögen wurde mit Fr. 645'000.-- ausgewiesen. Die Veranlagungsverfügung wurde indes per A-Post Plus bereits am 3. August 2023 versandt und dem Ehepaar A. und B.________ am 4. August 2023 in den Briefkasten zugestellt.

B.
Mit Eingabe vom 7. September 2023 (Postaufgabe: 8.9.2023) liessen die Steuerpflichtigen durch C.________, D.________ AG, Einsprache erheben und beantragen, von der Einkommensaufrechnung von Fr. 200'000.-- für einen mutmasslichen Verzicht von Amortisationszahlungen abzusehen.

Mit Einspracheentscheid datiert vom 19. Oktober 2023 (Postaufgabe: 12.10.2023) trat die Dienststelle Steuern wegen Verspätung auf die Einsprache nicht ein, wobei auch auf eine fehlende Vertretungsvollmacht hingewiesen wurde. Dieser Entscheid wurde den Ehegatten A. und B.________ ebenfalls per A-Post Plus (bereits) am 13. Oktober 2023 zugestellt.

C.
Mit Eingabe vom 13. November 2023 liessen A.________ und B.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) durch einen neuen Steuervertreter gegen den Einspracheentscheid Verwaltungsgerichts- und sinngemäss Bundessteuerbeschwerde erheben. Damit liessen sie die Aufhebung des Einspracheentscheids und das Eintreten auf die Einsprache vom 7. September 2023 beantragen und (sinngemäss) an ihrem materiellen Einspracheantrag festhalten. Eventualiter wurde eine Rückweisung an die Vorinstanz beantragt, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Vorinstanz.

In ihren Vernehmlassungen vom 12. und 19. Dezember 2023 schlossen die Dienststelle Steuern und deren Rechtsdienst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde.

Aus den Erwägungen:

1.
Anfechtungsgegenstand bildet der Einspracheentscheid. Dazu gehört auch ein Nichteintretensentscheid der Veranlagungsbehörde.

Bildet ein solches Prozessurteil – wie im vorliegenden Fall der Nichteintretensentscheid der Dienststelle Steuern vom 19. Oktober 2023 – Gegenstand der Anfechtung, hat das Kantonsgericht lediglich zu überprüfen, ob das Nichteintreten zu Recht erfolgt ist, während es auf Anträge materieller Art nicht eintreten kann (vgl. Hunziker/Bigler, in: Komm. zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14; Hrsg. Zweifel/Beusch], 4. Aufl. 2022, Art. 50 StHG N 19; Kiener/Rütsche/Kuhn, Öffentliches Verfahrensrecht, 3. Aufl. 2021, N 788 und 1281).

Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann daher nicht eingetreten werden, soweit mit ihr das Absehen von der im Veranlagungsverfahren erfolgten Einkommensaufrechnung beantragt wird.

2.
2.1.
(30-tägige gesetzliche [Art. 132 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer; DBG, SR 642.11 und § 154 Abs. 1 des Steuergesetzes; StG, SRL Nr. 620] und damit nicht erstreckbare Rechtsmittelfrist)

2.2.
(Allg. Ausführungen zur Eröffnung von Verfügungen/Entscheiden und zum Beginn des Fristenlaufs)

2.3.
Wählt der Absender die Versandart "A-Post Plus", werden Briefe in uneingeschriebener Form (A-Post) befördert, d.h. die Zustellung erfolgt direkt in den Briefkasten oder in das Postfach des Adressaten, ohne dass dieser den Empfang unterschriftlich bestätigen müsste; dementsprechend wird der Adressat im Fall seiner Abwesenheit auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Im Unterschied zu herkömmlichen Postsendungen sind "A-Post Plus"-Sendungen jedoch mit einer Nummer versehen, was die elektronische Sendungsverfolgung im Internet ("Track&Trace") ermöglicht. Daraus ist ersichtlich, wann dem Empfänger die Sendung durch die Post zugestellt wurde bzw. in dessen Machtbereich (Briefkasten, Postfach) gelangte (BGE 142 III 599 E. 2.2; BGer-Urteil 1C_40/2021 vom 22.4.2021 E. 4.1; Zweifel/Hunziker, a.a.O., Art. 116 DBG N 19a).

2.4.
Das kantonale Recht verlangt, dass der ausgefertigte Entscheid das Datum des Entscheids und des Versands enthält (vgl. § 110 Abs. 1 lit. f des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40]). Dies gilt auch im Beschwerdeverfahren betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern (§ 132 Abs. 2 StG). Das Bundesrecht kennt keine vergleichbare Vorschrift (vgl. Art. 116 DBG; Art. 34 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021]; BGer-Urteile 9C_624/2022 vom 15.3.2023 E. 3.2.2, 2C_392/2017 vom 11.1.2018 E. 2.1). Die Kantone wenden allerdings ihr eigenes Verfahrensrecht an, wenn sie materielles Bundesrecht vollziehen, weshalb das kantonale Formerfordernis auch für kantonale Verfügungen und Entscheide betreffend die direkte Bundessteuer gilt (vgl. Locher, Komm. zum DBG, III. Teil, Basel 2015, Einführung zum fünften Teil N 4).

Wenn nun eine Behörde – aus welchen Gründen auch immer – eine Verfügung oder einen Entscheid nachdatiert, schafft sie damit eine den Gepflogenheiten im Amts- und Geschäftsverkehr widersprechende Situation (vgl. Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7W 21 69/7W 21 70 vom 16.5.2022 E. 1.2).

Gemäss Rechtsprechung kann eine mangelhafte Eröffnung einen Hinderungsgrund für den Eintritt der Rechtskraft eines Entscheids darstellen (BGer-Urteil 2C_709/2014, 2C_710/2014 vom 9.6.2015 E. 3.1; Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7W 21 19/7W 21 20 vom 19.5.2021 E. 3.5). Eine Verletzung der Pflicht, einen Entscheid mängelfrei zu eröffnen, geht aber nicht soweit, dass daraus sachlich nicht begründbare Vorteile gezogen werden können. Der Steuerpflichtige wird dadurch insbesondere nicht von der Sorgfalt und Mitwirkung im Verfahren entbunden. Es obliegt dem Steuerpflichtigen, sich den Beginn des Fristenlaufs zu notieren bzw. zu merken (vgl. BGer-Urteil 2C_392/2017 vom 11.1.2018 E. 2.5.2, Verfügung des Kantonsgerichts Luzern 7W 21 13/7W 21 14 vom 26.7.2021 E. 4.3; Richner/Frei/Kaufmann/Rohner, Handkomm. zum DBG, 4. Aufl. 2023, Art. 116 DBG N 66).

Sollte sich der Mangel in der Eröffnung als besonders schwer erweisen, ist der Entscheid als nichtig zu qualifizieren, sodass er nicht in Rechtskraft zu erwachsen vermag. In allen anderen Fällen, bei denen zwar ein Eröffnungsfehler vorliegt, dieser aber nicht besonders schwer wiegt, liegt lediglich Anfechtbarkeit vor, was bedeutet, dass der Entscheid bei fehlender (oder verspäteter) Anfechtung rechtskräftig wird (BGer-Urteil 2C_827/2015, 2C_828/2015 vom 3.6.2016 E. 3.4).

2.5.
Das Bundesgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung betreffend einen um acht Tage nach dem Versand datierten Einspracheentscheid der Dienststelle Steuern des Kantons Luzern festgehalten, dass dieser Umstand nicht als krasser Verfahrensfehler zu qualifizieren ist. Allerdings führe die falsche Datumsangabe zu einem Mangel. Namentlich durch den Aufdruck eines Datums, welches den Eindruck erwecke, es könne ab dem aufgedruckten Datum innert Rechtsmittelfrist Beschwerde erhoben werden. Dies stehe in einem Spannungsverhältnis zur anzunehmenden zutreffenden Angabe in der Rechtsmittelbelehrung, wonach innert 30 Tagen seit der Eröffnung Beschwerde erhoben werden könne. Das Bundesgericht qualifizierte diese Verfügung aber nicht als nichtig (BGer-Urteil 9C_624/2022 vom 15.3.2023 E. 3.2.3).

So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Die nicht mit dem Versanddatum übereinstimmende Datierung führt, insb. unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung, nicht zu einem derart schweren Mangel, dass die Verfügung nichtig wäre.

3.
3.1.
Aus der mangelhaften Eröffnung eines amtlichen Schriftstücks dürfen den Parteien keine Nachteile erwachsen (vgl. § 114 VRG). Diese Regel entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der den verfassungsmässigen Vertrauensschutz (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101]) sowie Art. 29 Abs. 1 und 2 BV konkretisiert (vgl. BGE 145 IV 259 E. 1.4.4; BGer-Urteil 2C_901/2017 vom 9.8.2019 E. 2.2.4). Eine Berufung auf diesen Grundsatz setzt voraus, dass ein Eröffnungsmangel vorliegt, welcher die betroffene Person nicht erkannte und bei gebührender Aufmerksamkeit auch nicht hätte erkennen können, was treuwidriges Verhalten ausschliesst (vgl. BGE 139 IV 228 E. 1.3, 138 I 49 E. 8.3.2). Ferner muss die betroffene Person durch die fehlerhafte Eröffnung tatsächlich einen Nachteil erleiden. Richtschnur ist auch hier der Grundsatz von Treu und Glauben, an welchem die Berufung auf Formmängel in jedem Fall ihre Grenze findet (BGE 144 II 401 E. 3.1; BGer-Urteil 2C_309/2018 vom 10.9.2018 E. 4.1).

3.2.
An das Mass der im Verkehr mit den Behörden aufzuwendenden Sorgfalt werden unterschiedliche Anforderungen gestellt, je nachdem, ob es sich um Rechtsanwälte und andere berufsmässig vor den Behörden auftretende Rechtskundige oder um rechtsunkundige Privatpersonen handelt. Ersteren ist namentlich die Konsultation des massgebenden Gesetzestextes selbst bei vorhandener Rechtsmittelbelehrung zuzumuten. Die rechtsunkundige und auch nicht rechtskundig vertretene Prozesspartei darf der anwaltlich vertretenen Partei nicht gleichgestellt werden, es sei denn, sie verfügt namentlich aus früheren Verfahren über einschlägige Erfahrungen (vgl. BGE 138 I 49 [Pra 2012 Nr. 72] E. 8.3.2, 135 III 489 E. 4.4; BGer-Urteile 5A_350/2021 vom 17.5.2021 E. 5, 5A_137/2020 vom 23.6.2020 E. 2.3, 2A.380/2002 vom 19.2.2003 E. 2.2). Ferner ist zu berücksichtigen, dass mit der Zustellung per A-Post Plus (anders als beim Einschreiben) keine Aushändigung erfolgt, die Zustellung wird dem Empfänger deshalb nicht im selben Ausmass bewusst, vielmehr befindet sich die Sendung bei der übrigen Post. Somit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch eine dem Schreiben aufgedruckte Sendungsnummer bei der Zustellung per A-Post Plus nicht ausreichend ist, um das berechtigte Vertrauen eines Laien (ohne anderweitige einschlägige Kenntnisse) in das angegebene Datum zu zerstören. So hat exemplarisch das Steuergericht Solothurn bei einer A-Post Plus Zustellung mit vordatierter Veranlagungsverfügung und Landesabwesenheit der steuerpflichtigen Person im Zustellzeitpunkt erwogen, dass die Ermittlung des Zustelldatums anhand der Sendungsnummer zwar einfach sei, angesichts des aufgedruckten Datums allerdings nicht von Laien erwartet werden dürfe und entsprechend das Vertrauen in das angegebene Datum zu schützen sei (Urteil des Steuergerichts Solothurn BST.2022.12 vom 16.8.2022 E. 5.3 f., in: KSGE 2022 Nr. 5).

3.3.
Die Beschwerdeführer liessen vorbringen, dass sie vom 1. bis 13. August 2023 Ferien im Kanton E.________ verbracht hätten und die Einsprache als rechtzeitig erfolgt zu gelten habe, weil die Veranlagungsverfügung ihnen frühestens am 11. August 2023 (dem Folgetag des Aufdruckdatums) zugestellt worden sei. Andernfalls hätten die Beschwerdeführer bei der Fristberechnung auf eine korrekte Datierung der Veranlagungsverfügung vertrauen dürfen.

Der Aufenthalt der Beschwerdeführer in einer Ferienwohnung in F.________ vom 1. bis 13. August 2023 wurde ihnen mit Schreiben ihres Vermieters G.________ vom 11. November 2023 bestätigt. Als die Zustellung gemäss Sendungsverfolgung am 4. August 2023 in ihren Briefkasten in H.________ erfolgte, waren sie folglich nicht zu Hause. Bei ihrer Rückkehr hatten sie offenbar nicht auf der Webseite der Schweizerischen Post den Sendungsverlauf nachverfolgt, sondern sie gingen bei der Fristberechnung davon aus, dass ihnen die Veranlagungsverfügung vom 10. August 2023 frühestens am 11. August 2023 zugestellt worden sei. Einzig betreffend das Dokument "Änderungen Wertschriften- und Guthabenverzeichnis 2021" vom 2. August 2023 gehen sie davon aus, dass dieses ihnen bereits am 4. August 2023 nicht fristauslösend zugestellt worden sei.

Jedoch erscheint es unwahrscheinlich, dass dieses Dokument den Beschwerdeführern vorab separat zugestellt worden sein soll, zumal die Sendungsnummer der am 4. August 2023 zugestellten A-Post Plus einzig auf der Veranlagungsverfügung vom 10. August 2023 aufgedruckt ist. Demnach ist mit der Vorinstanz grundsätzlich davon auszugehen, dass die Einsprachefrist am Samstag, 5. August 2023, zu laufen begann und am Montag, 4. September 2023, endete. Allerdings ist nicht bekannt, dass die Beschwerdeführer aus früheren Verfahren einschlägige Erfahrungen mit der Anfechtung einer vordatierten A-Post Plus Zustellung gehabt hätten, und es konnte von ihnen daher nicht erwartet werden, dass sie die durch die Steuerbehörde geschaffene treuwidrige Situation (vgl. vorne E. 2.4) von sich aus hätten aufdecken und entsprechend handeln müssen; dies umso weniger, weil mutmasslich in derselben Postsendung nebst der Veranlagungsverfügung zugleich auch noch die Schlussrechnung Staats- und Gemeindesteuern 2021 (mit dem Vermerk "mit Veranlagungsentscheid") sowie die Rechnung für die Direkte Bundessteuer 2021, ebenfalls je vom 10. August datierend zugestellt und dort 30-tägige Zahlungsfristen bis jeweils Samstag, 9. September 2023, angesetzt wurden. Dies sodann ohne schriftlichen Hinweis darauf, dass die gleich datierte und gleichzeitig verschickte Veranlagungsverfügung bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig werden könnte. Die Beschwerdeführer durften daher grundsätzlich – wie in ihrer Beschwerde verfochten – davon ausgehen, dass die Veranlagungsverfügung erst am 11. August 2023 zugestellt wurde und somit die Einsprachefrist am Folgetag zu laufen begann und am Montag, 11. September 2023, endete. Bei der (auf einer Seite kurz begründeten) Einsprache vom 7. September 2023, welche am Freitag, 8. September 2023, der Post übergeben wurde, durften die Beschwerdeführer grundsätzlich in guten Treuen von deren Rechtzeitigkeit ausgehen. Es bleibt nachfolgend zu prüfen, ob der Beizug eines Treuhänders vom 4. September 2023 diese Beurteilung ändert.

4.
4.1.
Die Wahrung von Rechtsmittelfristen gehört zu den elementaren Aufgaben im Rechtsmittelverfahren. Von einem Treuhänder, der im Auftragsverhältnis steuerrechtliche Verfahren führt, darf grundsätzlich erwartet werden, dass er sich in diesem Rechtsbereich mit den massgebenden Gesetzesbestimmungen zu den Rechtsmittelfristen sowie zum Fristenlauf auskennt und sich bezüglich des Zustelldatums einer Verfügung, die angefochten werden soll, konkret erkundigt (Verfügung des Kantonsgerichts Luzern 7W 21 13/7W 21 14 vom 26.7.2021 E. 5.2. m.w.H.). Wenn ein Treuhänder im Steuerprozess als berufsmässiger Vertreter auftritt, dann ist von ihm dieselbe prozessuale Sorgfalt zu verlangen wie von einem Anwalt in dessen Monopolbereich. Mit Blick auf die u.U. erheblichen Folgen einer versäumten Rechtsmittelfrist gehört es zu den Sorgfaltspflichten eines jeden berufsmässigen Vertreters, in der einen oder anderen Form (insbesondere durch Anbringen eines Eingangsstempels) für die Dokumentierung des Zustellungsdatums behördlicher Akte besorgt zu sein (BGer-Urteil 2C_392/2017 vom 11.1.2018 E. 2.5.2) bzw. das Eingangsdatum einer den Lauf einer Beschwerdefrist auslösenden Sendung zu kontrollieren (BGer-Urteil 1C_31/2018 vom 14.1.2019 E. 5.4).

4.2.
Kurz vor Ende der Einsprachefrist war C.________ von der D.________ AG mit der Steuerangelegenheit 2021 der Beschwerdeführer beauftragt worden. Die Vollmacht erteilten sie ihm nämlich erst am 4. September 2023 und somit erst am letzten Tag der ab dem Zustelltag 4. August 2023 berechneten Einsprachefrist. Sie dürften diesen Treuhänder mutmasslich mandatiert haben, weil er die Jahresrechnung 2021 der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers erstellt hat und das dort ausgewiesene Einkommen von minus Fr. 22'266.25 mit der Veranlagungsverfügung steuerbehördlich um Fr. 200'000.-- auf Fr. 177'734.-- erhöht wurde. Den Beschwerdeführern wurde gemäss Begründung in der Veranlagungsverfügung am 12. Juni 2023 ein Anerkennungsvorschlag mit Möglichkeit zur Stellungnahme zugestellt. Daraufhin habe am 22. Juni 2023 ein telefonischer Kontakt mit C.________ stattgefunden (beides nicht aktenkundig). Die danach wegen ausbleibender Reaktion der Beschwerdeführer ergangene Veranlagungsverfügung wurde diesen direkt und nicht etwa der D.________ AG bzw. C.________ zugestellt.

4.3.
Es ist somit unklar, wann genau dem Treuhänder der Einspracheentscheid mit dem aufgedruckten A-Post Plus Barcode vorlag (ob bereits am Tag seiner Bevollmächtigung oder aber erst danach) und ob er noch rechtzeitig hätte reagieren (bzw. Einsprache erheben) können, wenn er umgehend die Sendungsverfolgung eingesehen hätte. Anhaltspunkte, dass er bereits vor Montag, 4. September 2023, Einsicht in die Steuerakten hätte nehmen können, sind weder aktenkundig noch anderweitig auszumachen. Hinzu kommt, dass die Dienststelle Steuern dazu keine Abklärungen traf, sondern einzig das Fehlen einer Vertretungsvollmacht bemerkte, ohne diese vor Fällung des Einspracheentscheids noch einzuverlangen. Bereits aus diesem Grund und da den Beschwerdeführern auch keine Möglichkeit eingeräumt worden war, zur Verspätung vorgängig Stellung zu nehmen, wäre eine Rückweisung an die Vorinstanz zur weiteren Untersuchung denkbar gewesen. Dies erübrigt sich indes, falls auch dem Treuhänder eine rechtzeitige Einspracheerhebung aufgrund der konkreten Umstände in übermässiger Weise erschwert worden ist.

4.4.
Bei einer Veranlagungsverfügung datierend vom 10. August 2023 und ab dann berechneten 30-tägigen Zahlungsfristen von wahrscheinlich zeitgleich versandten Steuerrechnungen (zahlbar bis 9.9.2023) erscheint es als sehr ungewöhnlich (vgl. vorne E. 2.4 und 3.3), dass die Einsprachefrist bereits am Montag, 4. September 2023, hätte ablaufen können. So hätte dem Treuhänder – bei Vorliegen der Steuerakten und Beachtung der üblichen Sorgfaltspflicht – nebst der inhaltlichen Grobanalyse der steuerbehördlich vorgenommenen Einkommenserhöhung eine sofortige Kontrolle des genauen Zustelldatums nicht als besonders dringend, sprich konkret noch am Tag der Bevollmächtigung (4. September 2023) als geboten erscheinen müssen. Seine späte Mandatierung konnte den vorliegend erlittenen Nachteil der Beschwerdeführer (Nichteintreten auf ihre Einsprache) denn auch nicht mehr abwenden und war dazu kaum noch geeignet, denn bereits eine erst am Dienstag, 5. September 2023, erfolgte Kontrolle des Zustelldatums mittels Einblicks in die Sendungsverfolgung hätte sich schon als zu spät erwiesen. Eine allfällige geringfügige Nachlässigkeit seitens des Treuhänders wäre in der vorliegenden Situation als nachrangig zum behördlichen Fehlverhalten mit der Nachdatierung zu erachten.

Diese Beurteilung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Kantonsgerichts Luzern wie etwa mit Verfügung vom 29. September 2022 7W 22 50/7W 22 51 (bestätigt durch BGer-Urteil 2C_883/2022 vom 10.11.2022), die das Wahren der Beschwerdefrist nach erfolgter A-Post Plus Zustellung eines Einspracheentscheids zum Gegenstand hatte. Diese Zustellung erfolgte hingegen – anders als im vorliegenden Fall – direkt an den Treuhänder, der selbst für knapp vier Wochen ferienabwesend war und dem nach seinen Ferien immer noch ein Zeitraum von mehr als drei Wochen für die fristgerechte Beschwerdeerhebung zur Verfügung gestanden hatte. Dessen Sorgfaltspflicht wäre es gewesen, für die Erfassung der Eingangsdaten besorgt zu sein und den Zustellzeitpunkt nach der Ferienrückkehr elektronisch zu ermitteln. Vorliegend war es Treuhänder C.________ von der D.________ AG indes mangels vorgängiger Mandatierung gar nicht möglich, einen unmittelbar auf die Zustellung folgenden Eingangsstempel anzubringen. Auch war der zeitliche Horizont für eine rechtzeitige Einspracheerhebung wesentlich kürzer, umso mehr als Anhaltspunkte, dass er bereits vor dem letzten Tag der Einsprachefrist Einsicht in die Steuerakten nehmen konnte, nicht aktenkundig oder anderweitig auszumachen sind.

Unter Würdigung der dargelegten Grundsätze und der konkreten Umstände ist somit zu gewährleisten, dass vorliegend den Beschwerdeführern – auch wenn sie gegen Ende der Einsprachefrist hin kurzzeitig treuhänderisch vertreten waren – aus dem Auseinanderklaffen der Daten der Zustellung und der Veranlagungsverfügung kein Nachteil erwächst, weshalb die Einsprache als rechtzeitig erhoben zu betrachten ist.

5.
Abgesehen von der Würdigung der konkreten Umstände und des prozessualen Verhaltens im vorliegenden Fall ist das Vorgehen der Steuerbehörde mit dem Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich nicht vereinbar. Die Datierung einer Verfügung ist nicht eine blosse Ordnungsvorschrift in dem Sinn, als es der jeweiligen Behörde im Belieben stünde, die betreffende Verfügung mit irgendeinem Datum zu versehen. Das Datum einer Verfügung informiert über den Zeitpunkt der Entscheidung. Somit ist es hinsichtlich der Eröffnungspraxis nur logisch, wenn die Verfügung frühestens am gleichen Tag wie das Datum, das auf der Verfügung ausgewiesen ist, zugestellt wird. In der Regel wird eine A-Post (Plus) Zustellung am Folgetag des Verfügungsdatums erfolgen. Selbstverständlich darf die Verfügung auch in einem späteren Zeitpunkt zugestellt werden, was immer dann der Fall ist, wenn die Ausfertigung des schriftlichen Entscheids noch ausstehend ist.

Aus rechtlichen und prozessualen Gründen geht es aber nicht an, dass eine Verfügung, die mit einem bestimmten Datum versehen ist, vor diesem Datum den Parteien eröffnet und damit zugestellt wird. Abgesehen davon, dass in diesem Fall, wie hier aufgezeigt, erhebliche Unsicherheiten mit Bezug auf den Beginn der Rechtsmittelfrist erzeugt werden, ergeben sich weitere Schwierigkeiten mit Bezug auf die Frage des im Zeitpunkt des Entscheids massgebenden Rechts. Das Verfügungsdatum ist nämlich Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, von welchen rechtlichen Grundlagen die Behörde ausgegangen ist. An diesen Überlegungen ändert nichts, wenn im Bereich der Massenverwaltung, wozu die Steuerveranlagungen zählen, eine bestimme Zahl von Veranlagungen aus (vorgeblich zwingenden) betrieblichen und IT-technischen Gründen mit dem gleichen Datum versehen werden.