Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Zivilprozessrecht |
Entscheiddatum: | 05.03.2025 |
Fallnummer: | 2C 24 74 |
LGVE: | 2025 I Nr. 2 |
Gesetzesartikel: | Art. 130 Abs. 1 ZPO, Art. 143 Abs. 2 ZPO. |
Leitsatz: | Ist der Eingang einer elektronischen Eingabe bei einer Behörde, die ihr Postfach für eine automatische Annahme eingerichtet hat, umstritten, hat die einreichende Partei für den Nachweis, dass die Eingabe den Empfangsserver der Behörde erreicht hat, die Abholquittung vorzulegen. Die Abholquittung stellt in diesem Fall eine Empfangsbestätigung dar. Gelingt dieser Nachweis der einreichenden Partei nicht, ist eine vorgelegte Abgabequittung, welche für den Nachweis der Rechtzeitigkeit der Eingabe massgebend wäre, irrelevant (E. 5.2). |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Aus den Erwägungen: 4. 4.1. Die Vorinstanz erteilte der Gesuchstellerin gestützt auf einen Darlehensvertrag vom 1. Februar 2023 zwischen den Parteien provisorische Rechtsöffnung für Fr. 4'000.-- nebst 5 % Zins seit 30. Juni 2023. Sie hielt fest, der Gesuchsgegner habe sich trotz gerichtlicher Aufforderung nicht vernehmen lassen und daher die Auszahlung des Darlehens nicht bestritten und auch sonst keine Einwendungen im Sinn von Art. 82 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) vorgebracht. 4.2. Der Gesuchsgegner bringt im Wesentlichen vor, es treffe nicht zu, dass er trotz gerichtlicher Aufforderung nicht zur Verhandlung erschienen sei. Er habe keinerlei Benachrichtigung erhalten, dass er irgendwo erscheinen müsse. Er habe Dokumente auf die offizielle Online-Plattform hochgeladen. Diese Beweise habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt. Es sei zu prüfen, was mit den von ihm hochgeladenen Daten passiert sei. Aus den Dokumenten gehe hervor, dass er im September und Oktober Überweisungen getätigt habe und dass die Gesuchstellerin die erste Überweisung von Fr. 1'000.-- eingestanden habe. Im Überweisungsschreiben an das Kantonsgericht teilte die Vorinstanz mit, die vom Gesuchsgegner erwähnte elektronische Eingabe vom 16. Mai 2024 sei nie bei ihr eingegangen. Der Gesuchsgegner wurde vom Kantonsgericht aufgefordert, die Abholquittung der elektronischen Eingabe vom 16. Mai 2024 an die Vorinstanz einzureichen. Im Laufe des Verfahrens reichte der Gesuchsgegner die Abgabequittung, nicht aber die Abholquittung ein. 5. 5.1. Entgegen seinem Einwand hat die Vorinstanz den Gesuchsgegner nicht zu einer Verhandlung vorgeladen, sondern ihn lediglich mit eingeschriebener Sendung aufgefordert, zum Rechtsöffnungsgesuch bis Freitag, 17. Mai 2024, eine schriftliche Stellungnahme und allfällige Beweismittel einzureichen. Folglich ist sein Einwand nicht zu hören. 5.2. 5.2.1. Eingaben sind dem Gericht in Papierform oder elektronisch einzureichen (Art. 130 Abs. 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO; SR 272]). Bei elektronischer Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind (Art. 143 Abs. 2 ZPO). Die Quittung dient dem Absender als Nachweis für den Tag des Eintreffens des Dokuments auf der Plattform. Die elektronische Übermittlung untersteht dem "Empfangsprinzip". Die Frist ist nur eingehalten, wenn der Empfang bei der Zustelladresse des Gerichts spätestens am letzten Tag der Frist (Mitternacht) durch das betreffende Informatiksystem bestätigt worden ist. Die automatisch erstellte Quittung wird, vorausgesetzt das System funktioniert, unverzüglich ausgestellt. Das Risiko einer nicht funktionierenden Übermittlung bzw. einer technischen Panne trägt bis zum Empfangsserver des Gerichts die einreichende Partei. Mit dem blossen Eingang beim Gericht ohne Bestätigung ist die Frist nicht gewahrt, selbst wenn die rechtzeitige Aufgabe nachweisbar ist (BGer-Urteil 2C_502/2018 vom 4.4.2019 E. 2.4; Benn, Basler Komm., 4. Aufl. 2024, Art. 143 ZPO N 15a f.; Merz, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, [Hrsg. Brunner/Gasser/Schwander], 2. Aufl. 2016, Art. 143 ZPO N 18 f.). Die anerkannten Zustellplattformen stellen verschiedene Quittungen aus. Es wird unterschieden zwischen Abgabe-, Abhol-, Verfall- oder Annahmeverweigerungsquittung (vgl. Ziff. 5 des Anhangs zur Verordnung des EJPD über die Anerkennung von Plattformen für die sichere Zustellung im Rahmen von rechtlichen Verfahren [SR 272.11] abrufbar unter https://www.bj.admin.ch/dam/bj/de/data/staat/rechtsinformatik/e-uebermittlung/kriterienkatalog-d.pdf, besucht am 25.2.2025). Die Abgabequittung bescheinigt, dass die von den Verfahrensbeteiligten verwendete Zustellplattform die Eingabe zuhanden des Empfängers erhalten hat. Hat die empfangende Behörde – wie vorliegend das Bezirksgericht A.________ (vgl. Status: Bereit zur Abholung [autoaccept] auf der Abgabequittung) – ihr Postfach für eine automatische Annahme eingerichtet, wird nach wenigen Augenblicken auch gleich die Abholquittung ausgestellt. Die Abholquittung bescheinigt im Fall einer automatischen Annahme nicht, wann die empfangende Behörde die Eingabe geöffnet hat, sondern wann die Eingabe auf dem Server der Behörde eingetroffen ist und damit für diese zur Abholung bereitsteht. Die Abholquittung stellt in diesem Fall somit eine Empfangsbestätigung dar. 5.2.2. Vorliegend bestreitet die Vorinstanz den Eingang der elektronischen Eingabe des Gesuchsgegners vom 16. Mai 2024. Da elektronische Eingaben dem Empfangsprinzip unterstehen und die einreichende Partei das Risiko einer nicht funktionierenden Übermittlung bzw. einer technischen Panne trägt (vgl. oben E. 5.2.1), hat vorliegend der Gesuchsgegner zu beweisen, dass die elektronische Eingabe den Empfangsserver des Gerichts erreicht hat. Der Gesuchsgegner hätte die Möglichkeit gehabt, auf eine Abholquittung zuzugreifen (vgl. Hinweis auf der E-Mail vom 16.5.2024: Zugriff auf Abholquittung mit MUC "B.________"). Er reichte trotz gerichtlicher Aufforderung keine Abholquittung ein. Damit gelingt ihm der Nachweis, dass seine elektronische Eingabe vom 16. Mai 2024 von der Vorinstanz empfangen wurde, nicht. Unter diesen Umständen ist die von ihm vorgelegte Abgabequittung – welche zwar die erforderlichen Angaben enthält (vgl. ZR 122/2023 S. 58 E. 4.a) und für den Nachweis der Rechtzeitigkeit der Eingabe massgebend wäre (vgl. Art. 8b Abs. 1 der Verordnung über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie von Schulbetreibungs- und Konkursverfahren [VeÜ-ZSSV; SR 272.1]) – irrelevant. 5.2.3. Unter diesen Umständen hielt die Vorinstanz in ihrem Entscheid zu Recht fest, der Gesuchsgegner habe sich nicht vernehmen lassen und entsprechend keine Einwendungen gegen den aufgelegten provisorischen Rechtsöffnungstitel vorgebracht. 5.3. Nach dem Gesagten sind die vom Gesuchsgegner in seiner Beschwerde behauptete Teilrückzahlung sowie die dazu aufgelegten Beweismittel neue Vorbringen und aufgrund des Novenverbots unbeachtlich, weshalb auf diese nicht einzugehen ist. |