| Instanz: | Kantonsgericht | 
|---|---|
| Abteilung: | 4. Abteilung | 
| Rechtsgebiet: | Strassenrecht | 
| Entscheiddatum: | 23.04.2025 | 
| Fallnummer: | 7H 25 58 | 
| LGVE: | |
| Gesetzesartikel: | § 33 Abs. 1 VRG, § 33 Abs. 2 VRG. | 
| Leitsatz: | Die Deponierung einer Rechtsmitteleingabe ausserhalb der Haupttüre des Gerichtsgebäudes kann nicht als fristgerechte Übergabe an das Kantonsgericht im Sinn von § 33 Abs. 2 VRG qualifiziert werden. | 
| Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. | 
| Entscheid: | Sachverhalt: A. Die A.________ AG ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. D.________, Grundbuch (GB) B.________, welches an der C.________strasse liegt. Die C.________strasse ist keine als eigenständiges Strassengrundstück ausgeschiedene Gemeindestrasse, vielmehr steht sie abschnittsweise jeweils im Grundeigentum der angrenzenden Grundstücke. Mit Einreihungsentscheid vom 20. Februar 2008 wurde die C.________strasse vom Gemeinderat B.________ als Gemeindestrasse 3. Klasse eingereiht und damit den öffentlichen Strassen, welche der Erschliessung von Quartieren dienen, zugeteilt. Dieser Entscheid wurde mit Hinweis darauf, dass Gemeindestrassen, welche sich nicht im Grundeigentum der Gemeinde befänden, mittels separatem Beschluss für öffentlich zu erklären seien sowie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen im Kantonsblatt Luzern veröffentlicht. Der Einreihungsentscheid erwuchs in Rechtskraft. Am 3. Dezember 2022 publizierte die Gemeinde B.________ im Kantonsblatt Luzern ihre Absicht, gestützt auf den Einreihungsentscheid vom 8. Februar 2008 die C.________strasse für öffentlich zu erklären. Die von der A.________ AG dagegen erhobene Einsprache wies der Gemeinderat B.________ mit Entscheid vom 1. Mai 2024 ab. Zugleich erklärte er die C.________strasse als öffentlich und ersuchte den Regierungsrat des Kantons Luzern um Genehmigung der Öffentlicherklärung sowie um Erteilung des Enteignungsrechts für die Einräumung eines öffentlichen Fuss- und Fahrwegrechts auf der Strassenfläche des Grundstücks Nr. D.________, GB B.________. B. Am 3. Juni 2024 reichte die A.________ AG gegen den Einspracheentscheid des Gemeinderats B.________ vom 1. Mai 2024 Verwaltungsbeschwerde ein. Mit Entscheid vom 18. Februar 2025 (Protokoll Nr. F.________) wies der Regierungsrat die Verwaltungsbeschwerde ab, soweit er darauf eintrat. Gleichzeitig genehmigte er den Entscheid des Gemeinderats B.________ vom 1. Mai 2024 über die Öffentlicherklärung der C.________strasse und erteilte der Gemeinde B.________ das Enteignungsrecht für ein öffentliches Fuss- und Fahrwegrecht zugunsten der Allgemeinheit auf dem Grundstück Nr. D.________, GB B.________. C. Gegen diesen Entscheid erhob die A.________ AG mit Eingabe datiert vom 13. März 2025, welche am 14. März 2025 im Briefkasten der 4. Abteilung des Kantonsgerichts Luzern an der Obergrundstrasse 46 aufgefunden worden ist, Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellte folgende Anträge: "1. Die Entscheide 1., 2. und 3. des Regierungsrats des Kantons Luzern vom 18.02.2025 sind vollumfänglich aufzuheben und für nichtig zu erklären; entsprechend ist der "Entscheid des Gemeinderats B.________ vom 1. Mai 2024 über die Öffentlicherklärung der C.________strasse – Abschnitt G.________strasse bis Grundstück Nr. E.________, Grundbuch B.________, mit Beantragung des Enteignungsrechts an den Regierungsrat" vom 01.05.2024 vollumfänglich aufzuheben und für nichtig zu erklären, auch die Erteilung des Enteignungsrechts ist für nichtig zu erklären. 2. Zudem ist die Einreihung der o.g. C.________strasse als Gemeindestrasse 3. Klasse für ungültig zu erklären, sprich die C.________strasse ist weiterhin als Privatstrasse eingereiht zu belassen, und das fehlerhafte Strassenverzeichnis, welches die C.________strasse als Gemeindestrasse 3. Klasse führt, ist entsprechend zu korrigieren. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) zu Lasten der Beschwerdegegnerin." Am 19. März 2025 forderte das Kantonsgericht die A.________ AG auf, bis 3. April 2025 einen Kostenvorschuss von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. Gleichzeitig gab das Gericht der A.________ AG Gelegenheit, sich innert gleicher Frist zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu äussern. Davon machte die A.________ AG mit Eingabe vom 2. April 2025 (Postaufgabe: 3.4.2025) Gebrauch. Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet. Aus den Erwägungen: 1. 1.1. Anfechtungsgegenstand bildet der Entscheid des Regierungsrats vom 18. Februar 2025 (Protokoll Nr. F.________), mit welchem dieser den Entscheid des Gemeinderats B.________ über die Öffentlicherklärung der C.________strasse genehmigte und der Gemeinde B.________ das Enteignungsrecht für ein öffentliches Fuss- und Fahrwegrecht zugunsten der Allgemeinheit auf dem Grundstück Nr. D.________, GB B.________, erteilte. Der Entscheid über die Öffentlicherklärung bedarf der Zustimmung des Regierungsrats, wenn – wie im vorliegenden Fall – dingliche Rechte enteignet werden müssen. Dieser entscheidet mit der Genehmigung über allfällige zulässige Verwaltungsbeschwerden (vgl. § 14 Abs. 2 des Strassengesetzes [StrG; SRL Nr. 755]). Mit seinem Genehmigungsentscheid erteilt der Regierungsrat der Gemeinde oder der zuständigen Genossenschaft das Enteignungsrecht (§ 14 Abs. 3 StrG). Damit erging der angefochtene Entscheid gestützt auf das Strassengesetz. Gemäss § 98 Abs. 2 StrG i.V.m. § 148 lit. d des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; SRL Nr. 40) unterliegt dieser der Anfechtung durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Folglich ist das Kantonsgericht für die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuständig. 1.2. Gemäss § 137 Abs. 1 VRG kann das Kantonsgericht ohne Schriftenwechsel entscheiden, wenn das Rechtsmittel nach den Akten verspätet oder offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Das Kantonsgericht verzichtete deshalb auf die Durchführung eines Schriftenwechsels und auf das Einholen der vorinstanzlichen Akten. 2. 2.1. Das Kantonsgericht prüft von Amtes wegen, ob die Voraussetzungen für einen Sachentscheid erfüllt sind (§ 107 Abs. 1 VRG). Dieser setzt insbesondere die fristgerechte Rechtsvorkehr voraus (§ 107 Abs. 2 lit. e VRG). Fehlt eine Voraussetzung für den Sachentscheid, so tritt das Kantonsgericht auf die Sache der betreffenden Partei nicht ein (§ 107 Abs. 3 VRG). 2.2. Nach § 28 VRG lässt die Behörde Vorladungen, Entscheide und andere Mitteilungen in der Regel durch die Post zustellen, ausnahmsweise durch die Polizei (Abs. 1). Die Beschwerdefrist beträgt nach § 98 Abs. 2 StrG 20 Tage und wird wie folgt berechnet: Der Tag der Zustellung wird bei der Berechnung nicht mitgezählt (§ 31 Abs. 2 VRG). Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag oder ein öffentlicher Ruhetag, so endet sie am nächsten Werktag. Samstage und öffentliche Ruhetage im Laufe der Frist werden mitgezählt (vgl. § 34 Abs. 1 VRG). Die Frist gilt als eingehalten, wenn die Eingabe spätestens am letzten Tag der Frist an die Behörde selbst oder zu ihren Handen der schweizerischen Post übergeben worden ist (§ 33 Abs. 1 und 2 VRG). Fristen, die durch eine behördliche Mitteilung ausgelöst werden, beginnen mit der massgebenden Eröffnung zu laufen (§ 31 Abs. 1 VRG). Die Eröffnung einer Verfügung ist eine empfangsbedürftige, nicht aber eine annahmebedürftige einseitige Rechtshandlung; sie entfaltet daher ihre Rechtswirkungen vom Zeitpunkt ihrer ordnungsgemässen Zustellung an; ob der Betroffene vom Verfügungsinhalt Kenntnis nimmt oder nicht, hat keinen Einfluss (BGE 119 V 89 E. 4c mit Hinweisen; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, N 577). Der Vollzug der Zustellung gilt als erfolgt, wenn die Verfügung oder der Entscheid dem Adressaten tatsächlich ausgehändigt oder – was einem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz entspricht – in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist, sei es, dass die Verfügung an Postempfangsberechtigte ausgehändigt oder in den Briefkasten des Adressaten eingeworfen wird. 2.3. Gemäss Sendungsverfolgung der Post wurde der Beschwerdeführerin der Entscheid des Regierungsrats am 21. Februar 2025 zugestellt. Die Beschwerdefrist begann demnach am 22. Februar 2025 zu laufen und endete am 13. März 2025 (vgl. betreffend Berechnung E. 2.2 hiervor). Die am 14. März 2025 dem Briefkasten des Kantonsgerichts entnommene Eingabe erweist sich damit als verspätet. 2.4. Die Beschwerdeführerin macht mit Eingabe vom 2. April 2025 (Postaufgabe: 3.4.2025) geltend, sie habe die Verwaltungsgerichtbeschwerde fristgerecht am Donnerstag, 13. März 2025, um ca. 23.40 Uhr eigenhändig und fristgerecht in den Briefkasten des Kantonsgerichts zustellen wollen. Sie hätte indes den Briefkasten weder im "Aussen-Eingangsbereich" "noch anderswo rund um den Gebäudekomplex" finden können. Die Eingangstüre hätte sie am 13. März 2025 vor Mitternacht, d.h. vor Ablauf der Frist, verschlossen vorgefunden, was ihr den Zugang zum Briefkasten verunmöglicht habe. "Wäre der Briefkasten zugänglich gewesen", hätte sie "das Schreiben am 13. März 2025 vor Mitternacht in den Briefkasten eingeworfen und ein Video vom Einwurf gemacht". Diesbezüglich ist Folgendes anzumerken: 3. 3.1. Gemäss § 33 Abs. 2 VRG sind Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist der zuständigen Behörde selbst oder zu ihren Handen der schweizerischen Post zu übergeben. Das Gesetz sieht damit zwei Möglichkeiten für fristwahrendes Handeln vor. Einerseits können schriftliche Eingaben bis spätestens am letzten Tag der Frist direkt beim Kantonsgericht eingereicht werden. Da die von der Fristansetzung betroffene Person die Beweislast für die rechtzeitige Einreichung trägt, empfiehlt sich aus beweistechnischen Gründen jedoch eine Einreichung während der Geschäftszeiten. Ausserhalb der Geschäftszeiten ist ein fristwahrender Einwurf in den Briefkasten des Kantonsgerichts möglich (vgl. Egli, in: Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021] – Praxiskomm. Verwaltungsverfahrensgesetz [Hrsg. Waldmann/Krauskopf], 3. Aufl. 2023, Art. 21 VwVG N 6; Cavelti, in: Komm. zum VwVG [Hrsg. Auer/Müller/Schindler], 2. Aufl. 2019, Art. 21 VwVG N 11). Das Gericht ist indes nicht verpflichtet, Eingaben auch ausserhalb der Geschäftszeiten entgegenzunehmen (BGE 121 II 252 [Pra 1996 Nr. 147] E. 4c). Mit anderen Worten besteht kein absolutes Recht, während der ganzen Frist die Eingabe persönlich dem Gericht abgeben zu können. Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht über einen eigenen Briefkasten verfügt, dessen Zugang aber nach Ablauf der Geschäftszeiten durch geschlossene Türen versperrt ist (vgl. Benn, Basler Komm., 4. Aufl. 2024, Art. 143 ZPO N 6). 3.2. Anstelle der direkten Einreichung beim Gericht kann eine Eingabe am letzten Tag fristwahrend der schweizerischen Post zur Beförderung zu Handen des Gerichts übergeben werden. Der Aufgabe am Postschalter gleichgestellt ist der Einwurf einer Eingabe in einen Postbriefkasten bis 24.00 Uhr am letzten Tag der Frist (BGE 142 V 389 E. 2.2), unabhängig davon, ob der Einwurf nach der letzten Leerung des Briefkastens erfolgt (BGer-Urteil 8C_696/2018 vom 7.11.2018 E. 3.3; Egli, a.a.O., Art. 21 VwVG N 8; Plüss, in: Komm. zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [Hrsg. Griffel], 3. Aufl. 2014, § 11 N 46). Der fristgebundenen Person obliegt jedoch der Nachweis, dass sie ihre Eingabe bis 24.00 Uhr des letzten Tages der laufenden Frist der Post übergeben hat. Sowohl bei der Aufgabe beim Postschalter als auch beim Einwurf in einen Postbriefkasten wird vermutet, dass das Datum des Poststempels mit demjenigen der Übergabe an die Post übereinstimmt. Wer behauptet, er habe einen Brief schon am Vortag seiner Abstempelung in einen Postbriefkasten eingeworfen, hat das Recht, die sich aus dem Poststempel ergebende Vermutung verspäteter Postaufgabe mit allen tauglichen Beweismitteln zu widerlegen (vgl. zum Ganzen BGE 142 V 389 E. 2.2 mit zahlreichen Hinweisen). 3.3. Die Beschwerdeführerin wollte gemäss eigenen Angaben am letzten Tag der Frist, ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausserhalb der Geschäftszeiten in den Briefkasten der 4. Abteilung des Kantonsgerichts Luzern einwerfen. Der Briefkasten befindet sich innerhalb der Haupttüre und ist nicht 24 Stunden zugänglich. Dies schadet indes nicht. Wie dargelegt (vgl. vorne E. 3.1), ist das Kantonsgericht nicht verpflichtet, Eingaben auch ausserhalb der Geschäftszeiten entgegenzunehmen oder den Zugang zum Briefkasten zu gewährleisten. Nebst dem Einwurf in den Briefkasten des Kantonsgerichts, wäre auch der Einwurf vor 24.00 Uhr in einen Postbriefkasten, unter Vorlage der entsprechenden Beweismittel, als fristwahrend zu betrachten (vgl. E. 3.2 hiervor). 3.4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, "die Zustellung ihrer Eingabe mittels Deponierung bei der Beschriftungstafel unmittelbar vor der Eingangstüre an der Obergrundstrasse 46 sei fristgerecht". Am 13. März 2025 (letzter Tag der Rechtsmittelfrist) klemmte die Beschwerdeführerin ihre Eingabe ausserhalb der Haupttüre an der Obergrundstrasse 46 auf der rechten Seite zwischen die Beschriftungsschilder und das kleine Vordach der Eingangstüre. Dieser Ort der Deponierung ist nicht durch besondere Vorkehren gesichert, sondern frei zugänglich, d.h. ein Verlust, z.B. aufgrund eines starken Sturms oder der Entwendung durch eine vorbeigehende Drittperson, wäre jederzeit möglich gewesen. Es ist daher dem blossen Zufall zu verdanken, dass die Eingabe am Folgetag in den Briefkasten des Kantonsgerichts gelegt worden ist. Mit anderen Worten ist die Eingabe der Beschwerdeführerin durch das Einklemmen ausserhalb der Haupttüre des Gebäudes nicht in den Machtbereich des Kantonsgerichts gelangt. Folglich kann die Deponierung durch die Beschwerdeführerin nicht als fristgerechte Übergabe an das Kantonsgericht i.S.v. § 33 Abs. 2 VRG qualifiziert werden. Die am 14. März 2025 dem Briefkasten des Kantonsgerichts entnommene Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich damit als verspätet. 3.5. Mit ihrer Stellungnahme vom 2. April 2025 (Postaufgabe: 3.4.2025) hat die Beschwerdeführerin keine Gründe vorgebracht und solche sind auch nicht ersichtlich, die eine ausnahmsweise Wiederherstellung der Frist im Sinn von § 36 Abs. 1 VRG rechtfertigen würden. Nach dem Gesagten ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten. 4. (Kosten- und Entschädigungsfolgen) 5. (Zuständigkeit Einzelrichter) |