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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:08.07.2025
Fallnummer:7H 23 232
LGVE:2025 IV Nr. 12
Gesetzesartikel:Art. 2 Abs. 1 IVHB; § 25 PBG, § 29 PBG, § 112a PBG; § 13 lit. a PBV.
Leitsatz:Das kantonale Recht legt in § 13 PBV den maximal zulässigen Rahmen der Überbauungsziffer-Privilegierungsmöglichkeiten fest, welcher von den Gemeinden nicht ausgeweitet werden darf. Die Gemeinden können jedoch gänzlich auf die Privilegierungsmöglichkeit verzichten oder die von der Privilegierungsmöglichkeit profitierenden Bauten auch enger fassen.



Die für die Überbauungsziffer relevante anrechenbare Gebäudefläche wird über die projizierte Fassadenlinie definiert. Überschreitet eine zu beurteilende Fläche die festgesetzten Dimensionen für vorspringende Gebäudeteile und handelt es sich dabei auch nicht um eine Anbaute, hat dies nach der IVHB zur Folge, dass die projizierte Fassadenlinie des entsprechenden (Haupt-)Gebäudes aussen um den entsprechenden Gebäudeteil herum verläuft. Folglich zählt sie zur anrechenbaren Gebäudefläche der Hauptbaute und ist entsprechend auch zur Überbauungsziffer für Hauptbauten zu zählen.

Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Sachverhalt (gekürzt):

Die G.________ GmbH ist Alleineigentümerin des bisher unbebauten Grundstücks Nr. L.________, Grundbuch (GB) H.________. Im November 2022 ersuchte sie um Bewilligung des Baus eines Mehrfamilienhauses mit Einstellhalle. Während der öffentlichen Auflage des Baugesuchs sind fünf Einsprachen eingegangen.

Der Gemeinderat H.________ erteilte mit Entscheid vom 21. September 2023 die Baubewilligung für den Bau des Mehrfamilienhauses mit Einstellhalle im Sinn der Erwägungen unter den dazu aufgeführten Bedingungen und Auflagen. Zusammen mit dem kommunalen Baubewilligungsentscheid wurden zugleich die weiteren in der Sache erforderlichen Bewilligungen erteilt und eröffnet. Zwei der fünf Einsprachen wurden infolge Rückzugs als erledigt erklärt. Die übrigen drei Einsprachen wurden im Sinn der Erwägungen abgewiesen.

Gegen den Baubewilligungsentscheid des Gemeinderats H.________ vom 21. September 2023 liessen die Mitglieder der Erbengemeinschaft A.________, bestehend aus B.________, C.________, D.________, E.________ und F.________, am 13. Oktober 2023 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und verlangten im Wesentlichen die Aufhebung des Baubewilligungsentscheids.


Aus den Erwägungen:

4.
4.1.
In materieller Hinsicht machen die Beschwerdeführer eine unrichtige Ermittlung der Überbauungsziffer (ÜZ) geltend.

Die Vorinstanz verweist im angefochtenen Entscheid auf die Überbauungszifferberechnung im Dokument Beilage zur Baueingabe von I.________. Diese Berechnung ergebe eine anrechenbare Gebäudefläche für Hauptbauten von 279,55 m2 und für Nebenbauten von 77,27 m2. Damit seien die zulässigen anrechenbaren Gebäudeflächen, die für Hauptbauten 279,81 m2 (inkl. Energiebonus 5 %) und für Nebenbauten 79,95 m2 betragen, eingehalten (angefochtener Entscheid S. 17).

Die Beschwerdeführer zeigen sich mit diesen Ausführungen aus mehreren Gründen, auf die nachfolgend einzeln einzugehen ist, nicht einverstanden.

4.2.
4.2.1.
Die Beschwerdeführer monieren zunächst das Fehlen einer Rechtsgrundlage für Art. 7 des Bau- und Zonenreglements (BZR). Das kantonale Recht lasse in § 13 der Planungs- und Bauverordnung (PBV; SRL Nr. 736) lediglich für drei abschliessend bestimmte Arten von Bauten zusätzliche Überbauungsziffern zu: für Bauten mit einer geringeren als der zulässigen Gesamthöhe (lit. a), für Kleinbauten und Anbauten (lit. b) und für Unterniveaubauten (lit. c). Die Bauten, welche von einer speziellen ÜZ gemäss § 13 PBV profitieren können, seien damit vom kantonalen Gesetzgeber abschliessend aufgeführt und definiert. Es sei mithin den Gemeinden nicht erlaubt, die Bauten, welche von lit. a profitieren, anhand ihrer Höhe zusätzlich einzuschränken, indem beispielsweise nur Bauten bis zu einer Höhe von 4,50 m unter diese Bestimmung subsumiert werden. Von der Regelung nach § 13 Abs. 1 lit. a PBV dürften jegliche Bauten profitieren, welche eine geringere als die zulässige Gesamthöhe aufweisen. § 13 Abs. 1 lit. a PBV sei bewusst offen formuliert worden, dies im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 lit. b PBV, welcher explizit nur die bereits definierten Kleinbauten und Anbauten aufzähle. Der gewählte Begriff sei offen in Bezug auf die Höhe sowie auf die Frage, ob es sich um Erweiterungen eines Gebäudes im Sinn einer "Anbaute" oder im Sinn einer freistehenden, zweiten Baute handle. Es liege nicht in der Kompetenz der Gemeinde, diesen Begriff der Baute einzuschränken. Die aktuelle Umsetzung in Art. 7 BZR verstosse gegen § 13 PBV, da sich die Gemeinde eine übermässige Rechtssetzungsbefugnis anmasse, die ihr nicht zustehe. Überdies verstosse Art. 7 BZR auch gegen interkantonales Recht. In Art. 7 BZR werde eine separate ÜZ für "Nebenbauten" vorgesehen. Damit habe die Gemeinde H.________ eine weitere Kategorie von Bauten aufgestellt. Der Kanton Luzern sei der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB; SRL Nr. 737) beigetreten. Mit der Regelung zur Anwendbarkeit der Baubegriffe und Messweisen der IVHB in § 112a Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes (PBG; SRL Nr. 735) werde sichergestellt, dass auch auf kommunaler Ebene ausschliesslich die vom kantonalen Recht eingeführten Begriffe und Messweisen verwendet werden. Die kommunale Gesetzgebung dürfe nicht durch Baubegriffe und Messweisen ergänzt werden, welche den vereinheitlichten Regelungsgegenständen widerspreche. Der Begriff Nebenbaute komme nirgends in der IVHB vor. Damit stehe Art. 7 BZR im Widerspruch zur IVHB. In Art. 7 BZR finde eine Vermischung abschliessend definierter Begriffe statt. Mit dem Begriff der "Nebenbaute" in Art. 7 BZR werde im Prinzip eine Kleinbaute mit Hauptnutzfläche geschaffen. Diese weitere Kategorie verstosse gegen § 112a PBG sowie gegen die IVHB. Art. 7 BZR halte demnach einer konkreten Normenkontrolle nicht stand. Wegen des Verstosses gegen kantonales sowie interkantonales Recht könne Art. 7 BZR vorliegend nicht angewendet werden und die Bauherrschaft könne nicht gestützt auf diese Bestimmung eine zusätzliche ÜZ beanspruchen.

Die Vorinstanz hält fest, dass die Gemeinde H.________ in Art. 7 BZR eine ÜZ für Nebenbauten definiert habe. Diese umfasse Bauten mit einer Gesamthöhe bis 4,50 m, unabhängig davon, ob sie Haupt- oder Nebennutzflächen aufweisen. Die kommunale Bestimmung stütze sich auf § 13 Abs. 1 lit. a PBV. Wie die Beschwerdeführer korrekt festhalten, habe der kantonale Gesetzgeber in § 13 PBV bewusst auf eine Höhenbeschränkung verzichtet. Die Gemeinde habe damit die Möglichkeit erhalten, diese individuell im BZR festzulegen. Art. 7 BZR entspreche § 13 Abs. 1 lit. a PBV. Eine Abweichung davon bzw. eine Überschreitung der Rechtsetzungsbefugnis sei nicht erkennbar. Mit der "ÜZ für Nebenbauten" sei überdies keine weitere Kategorie von Bauten erstellt, sondern lediglich die in § 13 Abs. 1 lit. a PBV enthaltene Definition auf kommunaler Ebene umgesetzt worden. Wenn die Gemeinde für unterschiedliche Gesamthöhen ÜZ definiert, so seien diese, im Sinn der guten Lesbarkeit, eindeutig zu bezeichnen, weshalb im BZR von Haupt- und Nebenbauten die Rede sei. Es werde somit weder die kantonale, noch die interkantonale Grundordnung der Baubegriffe und Messweisen geändert oder ergänzt.

Aus Sicht der Beschwerdegegnerin verlangen die Beschwerdeführer im Wesentlichen eine akzessorische Überprüfung von Art. 7 BZR, auf welche sich die Vorinstanz stütze. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung seien Nutzungspläne im Anschluss an ihren Erlass anzufechten; eine akzessorische Überprüfung sei im Allgemeinen und entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen, weshalb grundsätzlich nicht auf die Beschwerde einzutreten sei. In der weiteren Begründung hielt die Beschwerdegegnerin fest, die Argumentation der Beschwerdeführer, wonach es der Gemeinde nicht erlaubt sei, die Bauten, welche von § 13 Abs. 1 lit. a PBV profitieren könnten, in der Höhe zusätzlich einzuschränken, treffe nicht zu. Es stehe den Gemeinden frei, von den zur Verfügung stehenden Privilegierungen überhaupt Gebrauch zu machen. Die Gemeinde habe in Art. 7 BZR zudem weder einen neuen Baubegriff noch eine neue Messweise eingeführt, die im Widerspruch zum übergeordneten Recht stehe. Sie verwende "Nebenbauten" lediglich stellvertretend für den Tatbestand in § 13 Abs. 1 lit. a PBV, nämlich bei Sonderregelungen für Bauten mit einer geringeren als der zulässigen Höhe, vorliegend maximal 4,5 m, und sowohl mit Haupt- oder Nebennutzfläche.

4.2.2.
Es handelt sich vorliegend um eine direkte Anwendung einer im BZR enthaltenen Bauvorschrift. Derartige Bauvorschriften müssen dem übergeordneten Recht stets entsprechen, andernfalls sie keine Anwendung finden. Die Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht ist demnach von entscheidender Bedeutung und nachfolgend zu prüfen.

Nach § 25 Abs. 1 PBG ist die Überbauungsziffer das Verhältnis der anrechenbaren Gebäudefläche zur anrechenbaren Grundstücksfläche. Sie kann für Zonen, Nutzungen und Gebäude sowie innerhalb einer Zone differenziert nach Gesamthöhe festgelegt werden (Abs. 2).

Die Gemeinden können gemäss § 13 Abs. 1 PBV i.V.m. § 29 PBG im Bau- und Zonenreglement oder im Bebauungsplan für folgende Bauten eine zusätzliche, nur für diese Bauten verwendbare Überbauungsziffer festlegen: Bauten mit einer geringeren als der zulässigen Gesamthöhe (lit. a), Kleinbauten und Anbauten (lit. b) und Unterniveaubauten (lit. c).

Die Gemeinde H.________ hat von der Kompetenz nach § 13 Abs. 1 PBV Gebrauch gemacht. Im BZR der Gemeinde H.________ wurde die Überbauungsziffer für Hauptbauten und Nebenbauten separat festgelegt (vgl. Art. 5 Abs. 1 BZR H.________). Nach Art. 7 Abs. 1 BZR H.________ werden unter dem Begriff der Nebenbauten Bauten mit einer Gesamthöhe von 4,5 m zusammengefasst, unabhängig davon, ob sie Haupt- oder Nebennutzfläche aufweisen. Gemäss Anhang 1 beträgt die Überbauungsziffer in der vorliegend relevanten Wohnzone 3a (Typ A) für Hauptbauten 0,21 und für Nebenbauten 0,06.

4.2.3.
Nicht bestritten wird vorliegend, dass es sich bei Art. 7 BZR um einen Anwendungsfall von § 13 Abs. 1 lit. a PBV handelt. Danach kann eine Gemeinde im Bau- und Zonenreglement oder im Bebauungsplan für Bauten mit einer geringeren als der zulässigen Gesamthöhe eine separate ÜZ vorsehen. § 13 Abs. 1 lit. a PBV bildet eine Art Auffangtatbestand. Gemäss den Materialien handelt es sich um Bauten, welche die Voraussetzungen von § 112a Abs. 2 lit. c und d PBG nicht einhalten, deren Gesamthöhe also auch mehr als 4,5 m betragen kann und die (auch) Hauptnutzflächen beinhalten können (so Erläuterungen zur Änderung der Planungs- und Bauverordnung vom 28.6.2016, S. 2 f., in: https://baurecht.lu.ch/-/media/Baurecht/Dokumente/PBG_Formelles/Materialien/erlaeuterungen_Anpassung_ PBV_vom_28_Juni_2016.pdf ?la=de-CH).

Aus Sicht der Beschwerdeführer dürfen Gemeinden diese Regelung nicht weiter einschränken und insbesondere keine Höhenbeschränkungen auf kommunaler Ebene einführen. Dieser Auffassung ist zu widersprechen. Gemäss den Materialien bezweckt § 13 PBV, den Gemeinden die Möglichkeit einzuräumen, bestimmte Bauten bei der Anrechenbarkeit zur ÜZ in dem Sinn zu privilegieren, als sie nicht zur anrechenbaren Gebäudefläche der zonengemässen Grund-ÜZ zählen (Erläuterungen zur Änderung der Planungs- und Bauverordnung, a.a.O., S. 2). Den Gemeinden steht es frei, ob sie von dieser Privilegierungsmöglichkeit Gebrauch machen möchten oder nicht. Wenn die Gemeinden gänzlich auf die Privilegierungsmöglichkeit verzichten können, so muss ihnen auch freistehen, die von der Privilegierungsmöglichkeit profitierenden Bauten enger zu fassen als das kantonale Recht. Im kantonalen Recht wird der maximal zulässige Rahmen der Privilegierungsmöglichkeit abgesteckt, den die Gemeinden nicht ausweiten dürfen. Gemäss Art. 7 Abs. 1 BZR sollen Bauten − unabhängig davon ob sie Haupt- oder Nebennutzfläche aufweisen − mit einer Gesamthöhe bis 4,5 m bei der ÜZ-Berechnung privilegiert werden. Mit dieser Vorschrift wird der im kantonalen Recht vorgesehene maximal zulässige Rahmen nicht überschritten, womit Art. 7 Abs. 1 BZR nicht im Widerspruch zum kantonalen Recht steht.

4.2.4.
Überdies ist nicht zu beanstanden, dass die Gemeinde H.________ den Begriff der Nebenbauten in seinem Bau- und Zonenreglement eingeführt hat. Auf kommunaler Ebene wird damit kein neuer Baurechtsbegriff mit materiellem Gehalt begründet, sondern es werden lediglich die in § 13 PBV umschriebenen Bauten unter einem kommunalen Baubegriff, den Nebenbauten, zusammengefasst.

4.3.
4.3.1.
Die Beschwerdeführer sind weiter der Ansicht, selbst wenn Art. 7 BZR mit dem übergeordneten Recht vereinbar wäre, sei der Entscheid der Vorinstanz aufzuheben. Das geplante Gebäude der Beschwerdegegnerin stelle ein Gebäude dar und sei als Ganzes als Hauptbaute zu qualifizieren.

Das beschwerdegegnerische Bauprojekt sehe die Begrenzung der "Hauptbaute" und damit die
("Haupt-") Gebäudefassade auf Höhe von 17,15 m ab der Nordfassade des Gebäudes vor. Die darüber hinausragenden Flächen im Erdgeschoss seien als sogenannte "Nebenbauten" qualifiziert worden, wofür die nach Art. 7 BZR zusätzliche Überbauungsziffer für "Nebenbauten" angerechnet werden solle. Die beiden als Nebenbauten bezeichneten in südlicher Richtung versetzten Gebäudeteile beherbergen im Innern die Küche sowie das Ess- und Wohnzimmer der Gartenwohnungen. Die offene Wohnküche befinde sich jedoch zu einem nicht unerheblichen Teil auf der Fläche des als Hauptbaute bezeichneten Gebäudes. Demnach seien die beiden Wohnungen im EG in ihrer Vollständigkeit mit den beiden Zusatzflächen der sogenannten Nebenbauten projektiert. Bei der Betrachtung des Wohnungsinnern sei deutlich erkennbar, dass sich im beschriebenen Bereich der Wohnküche keinerlei bauliche Massnahmen manifestieren, die auf eine Auftrennung in eine Haupt- und eine Nebenbaute schliessen liessen. Auch äusserlich erscheine das Mehrfamilienhaus offensichtlich als eine bauliche Einheit. Eine bauliche oder anderweitige Auftrennung in Haupt- und Nebenbaute sei nicht erkennbar. Es könne nicht von einer Haupt- und Nebenbaute die Rede sein. Vielmehr handle es sich bei den strittigen Flächen der beiden Wohneinheiten im EG um anrechenbare Gebäudefläche, welche innerhalb der projizierten Fassadenlinie des Hauptgebäudes liegen. Die zusätzliche ÜZ für Nebenbauten komme für das vorliegende Bauprojekt demnach nicht zur Anwendung. Die maximal zulässige ÜZ für Hauptbauten werde in offensichtlicher Weise überschritten.

Gemäss Ansicht der Beschwerdegegnerin ist eine Auftrennung zwischen der Hauptbaute und der in der Ausnutzung privilegierten höhenreduzierten Baute nach § 13 Abs. 1 lit. a PBV nicht vorausgesetzt. Die Privilegierung sei explizit auch für "Anbauten" mit Hauptnutzfläche vorgesehen. Wie das Bauvorhaben in Erscheinung trete, tangiere den Privilegierungstatbestand nicht.

Auch die Vorinstanz ist der Ansicht, dass die projektierten Wohnflächen im Erdgeschoss, welche der Hauptbaute vorgesetzt seien, die Vorgaben gemäss Art. 7 BZR einhalten. Eine als Nebenbaute klassierte Fläche habe nicht zwingend eine unabhängige Fassade zum Hauptgebäude aufzuweisen. Einzig die in Art. 7 BZR geforderten Vorgaben betreffend Nutzung und Höhen seien zu erfüllen. Gemäss Erläuterungen zur Änderung der Planungs- und Bauverordnung werde bei den Bauten mit einer geringeren als der zulässigen Gesamthöhe explizit auch Hauptnutzfläche zugelassen. Es ergebe in der Folge keinen Sinn, eine Nebenbaute gemäss Art. 7 BZR, welche dementsprechend Wohnfläche enthalten dürfe, zwingend baulich zur Hauptbaute abzugrenzen. Die Abgrenzung durch die unterschiedliche Gesamthöhe sei im vorliegenden Fall optisch deutlich wahrnehmbar.

4.3.2.
Mit Blick auf die kommunale Praxis ist zu prüfen, ob Art. 7 Abs. 1 BZR H.________ bzw. § 13 PBV Auslegungsspielräume dafür lassen, dass die Gemeinde die vorliegend streitgegenständlichen Flächen im Erdgeschoss als Nebenbauten qualifizieren kann, genauer als "Bauten mit einer geringeren als der zulässigen Gesamthöhe".

4.3.3.
Am 1. Januar 2014 wurden die am 17. Juni 2013 vom Kantonsrat beschlossenen Änderungen des PBG sowie die totalrevidierte PBV vom 29. Oktober 2013 in Kraft gesetzt. Gleichzeitig erlangte die IVHB für den Kanton Luzern Gültigkeit (vgl. Dekret über die Genehmigung des Konkordats vom 22.9.2005; Beschluss des Kantonsrats vom 17.6.2013 [KR 2013 1876]). Der Kanton Luzern hat das Konkordat nicht in allen Teilen umgesetzt. So hat er beispielsweise auf die Übernahme der Geschossdefinitionen und der Definitionen zur Geschossfläche- und zur Baumassenziffer verzichtet (Botschaft B 62 des Regierungsrats zum Beitritt zur IVHB und zur Teilrevision des PBG vom 25.1.2013 S. 2 und 42). Wo aber Begriffe und Messweisen übernommen wurden, sind sie Bestandteil des kantonalen Rechts und zwingend zu beachten. Denn die Kantone übernehmen mit ihrem Beitritt vereinbarte Baubegriffe und Messweisen im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeit (Art. 2 Abs. 1 IVHB). Mit der Regelung zur Anwendbarkeit der Baubegriffe und Messweisen der IVHB in § 112a Abs. 1 PBG wird sichergestellt, dass auch auf kommunaler Ebene ausschliesslich die vom kantonalen Recht eingeführten Begriffe und Messweisen verwendet werden (Botschaft B 62, a.a.O., S. 42).

4.3.4.
Wie in E. 4.2.2 ausgeführt, ist die Überbauungsziffer das Verhältnis der anrechenbaren Gebäudefläche zur anrechenbaren Grundstücksfläche (§ 25 Abs. 1 PBG). Dabei wird die anrechenbare Gebäudefläche über die projizierte Fassadenlinie definiert. Unbedeutende rückspringende Gebäudeteile und bis zum zulässigen Mass vorspringende Gebäudeteile werden dabei nicht berücksichtigt (vgl. Ziff. 8.4 Abs. 3 der Erläuterungen zur IVHB Stand 3.9.2013).

4.3.5.
Das geplante Bauvorhaben zeigt sich ab dem Erdgeschoss erscheinungs- und nutzungsmässig wie folgt: Das Erdgeschoss weist auf der westlichen Gebäudehälfte eine 5 1/2 Zimmer-Wohnung auf, welche eine Gebäudetiefe von 22,15 m beansprucht. Auf der östlichen Gebäudehälfte spannt sich eine schmalere 4 1/2 Zimmer-Wohnung auf, welche eine Gebäudetiefe von 23,80 m (22,15 m + 1,65 m) erreicht. Mittig zwischen diesen beiden Wohnungen ist der Zugangsbereich mit Lift und Treppenhauskern angeordnet. Die darüberliegenden Obergeschosse weisen je eine west- und ostseitig orientierte Wohnung aus, welche vom Treppenhauskern erschlossen werden. Die Gebäudetiefe von Süden nach Norden dieser aufgehenden Obergeschosse sowie des Dachgeschosses beträgt − im Gegensatz zum darunterliegenden Erdgeschoss − 17,15 m. Ein Teil der Erdgeschosswohnungen steht somit jeweils gegen Süden volumetrisch hervor, während die Obergeschosse um 5 m (westliche Gebäudehälfte) bzw. 6,65 m (östliche Gebäudehälfte) zurückversetzt sind. Nutzungsmässig lassen sich die betreffenden Flächen als Wohn- und Essbereiche und dabei als mit den übrigen Nutzungen als Einheit betrachten. Vorspringende Gebäudeteile dürfen zwar sowohl Haupt- als auch Nebennutzung enthalten. Die vorstehenden Teile der Erdgeschosswohnungen können jedoch aufgrund ihrer Dimension nicht als vorspringende Gebäudeteile nach § 112a Abs. 2 lit. h PBG qualifiziert werden. Wenn die Gebäudeteile die geforderten Masse nicht einhalten, handelt es sich begrifflich um einen Gebäudeteil, der die festgesetzten Dimensionen für vorspringende Gebäudeteile sprengt.

Rechtsprechungsgemäss haben vorspringende Gebäudeteile, welche das Mass von § 112a Abs. 2 lit. h PBG überragen (Fassadenflucht) oder überschreiten (Fassadenabschnitt), als Teil des Gebäudes (z.B. vorspringendes geschlossenes Treppenhaus, Wintergarten, grössere Erker) oder als Anbauten (z.B. Geräteschopf) zu gelten (vgl. Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 20 174 vom 23.8.2021 E. 4.4). Bei den im Erdgeschoss vorstehenden Gebäudeteilen handelt es sich jedoch nicht um Anbauten nach § 112a Abs. 2 lit. d PBG. Zum einen wird die Fläche als Hauptnutzfläche verwendet und zum andern fehlt es im Innern gänzlich an einer Abtrennung zum Hauptgebäude, womit das Erfordernis der Selbständigkeit fehlt.

Nach dem Gesagten sprengen die vorliegend streitgegenständlichen Flächen die festgesetzten Dimensionen für vorspringende Gebäudeteile und es handelt sich auch nicht um Anbauten. Dies bewirkt nach IVHB, dass die projizierte Fassadenlinie des entsprechenden (Haupt-)Gebäudes aussen um den bewohnten Gebäudeteil herum verläuft (vgl. Ziff. 3.4 Abs. 6 lit. b der Erläuterungen zur IVHB stand 3.9.2013; IVHB-Skizzen, Figur 3.4; Botschaft B 62, a.a.O., S. 76 Figur 3.4). Da sich die anrechenbare Gebäudefläche über die projizierte Fassadenlinie definiert, ist die ganze im Erdgeschoss befindliche Fläche Teil der anrechenbaren Gebäudefläche der Hauptbaute und demnach auch zur ÜZ für Hauptbauten zu zählen. Für dieses Verständnis spricht auch, dass § 13 PBV sowie auch Art. 7 BZR zusätzliche Überbauungsziffern jeweils für bestimmte Arten von Bauten, nicht jedoch für blosse Gebäudeteile zulassen. Die vorstehende Fläche im Erdgeschoss wurde im vorinstanzlichen Verfahren demnach zu Unrecht zur ÜZ für Nebenbauten gezählt, weshalb die vorgenommene ÜZ-Berechnung fehlerhaft ist.

4.4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten aufgrund der fehlerhaften ÜZ-Berechnung gutzuheissen und der angefochtene Entscheid vom 21. September 2024 des Gemeinderats H.________ aufzuheben. Das Bauprojekt ist in dieser Form nicht bewilligungsfähig.