Drucken

Rechtsprechung Luzern


Instanz:Obergericht
Abteilung:Schuldbetreibungs- und Konkurskommission
Rechtsgebiet:Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Entscheiddatum:24.09.1991
Fallnummer:OG 1991 49
LGVE:1991 I Nr. 49
Leitsatz:Art. 82 SchKG. Zur Vollstreckbarkeit aussergerichtlicher Unterhaltsvereinbarungen.

Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Entscheid:In einer aussergerichtlichen Parteivereinbarung über die Aufhebung ihres gemeinsamen Haushaltes verpflichtete sich der Beklagte zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen an die Klägerin und ihr gemeinsames Kind. Da der Beklagte ab April 1990 nur noch einen Teil der vereinbarten Beiträge bezahlte, betrieb ihn die Klägerin für die nicht bezahlten Alimente. Der Amtsgerichtspräsident verweigerte der Klägerin die Rechtsöffnung mit der Begründung, der Vereinbarung der Parteien komme nicht die Qualität eines Rechtsöffnungstitels zu, da sie nicht richterlich genehmigt worden sei. Den gegen diesen Entscheid erhobenen Rekurs wies die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission unter anderem mit folgender Begründung ab:

Mit der Klägerin ist davon auszugehen, dass heute viele Ehepartner, auch mit Kindern, in gegenseitigem Einvernehmen faktisch voneinander getrennt leben und die Unterhaltspflichten vertraglich regeln. Solange die Verträge eingehalten werden, ergeben sich keine Probleme, insbesondere auch keine vollstreckungsrechtlicher Natur. Im Gegensatz zu obligationenrechtlichen Geldleistungen ist indessen bei vertraglich festgelegten Unterhaltsbeiträgen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich diese aufgrund veränderter tatsächlicher Verhältnisse als unangemessen erweisen können. Nach dem Grundsatz "pacta sunt servanda" sind auch aussergerichtliche Unterhaltsverträge nur in gegenseitigem Einvernehmen abänderbar. Dies führt dann zu Problemen, wenn sich ein Ehegatte der Vertragsänderung zu Recht oder zu Unrecht widersetzt. In einem solchen Fall - wie dem vorliegenden - bleibt dem abänderungswilligen Gatten nur die Möglichkeit, die Unterhaltsregelung dem zuständigen Richter zur Entscheidung zu unterbreiten. In der Praxis des Kantons Luzern wählen daher einzelne Anwälte bei der Abfassung aussergerichtlicher Trennungsvereinbarungen die Formulierung, die vereinbarten Unterhaltsbeiträge hätten so lange Gültigkeit, bis einer der Ehegatten die Unterhaltsbeiträge richterlich festgesetzt haben wolle. Dieses Vorgehen ist sinnvoll. Mit der Anrufung des Scheidungsrichters erhält dieser die Möglichkeit, die Unterhaltspflicht im Sinne von Art. 145 ZGB bereits auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung festzulegen, auch wenn das entsprechende Gesuch später eingereicht werden sollte (BGE 115 II 201 ff., insbes. 206). Ruft einer der Ehegatten den Eheschutzrichter an, kann dieser die Unterhaltspflicht sogar ein Jahr rückwirkend festlegen (Art. 173 Abs. 3 ZGB). Damit kann neben einer nach wie vor gültigen aussergerichtlichen Unterhaltsvereinbarung ein richterlicher Entscheid, der die Vereinbarung genehmigt oder abändert, Gültigkeit erlangen. Dass mit zwei, allenfalls sich widersprechenden Rechtsgrundlagen (Vertrag und Gerichtsentscheid) Vollstreckungsprobleme geradezu vorgezeichnet sind, liegt auf der Hand.

Im vorliegenden Fall verlangt die Klägerin gestützt auf die aussergerichtliche Vereinbarung vom 8. November 1989 die provisorische Rechtsöffnung für ausstehende Unterhaltsbeiträge für den Zeitraum von April 1990 bis März 1991. Mit dem Vorderrichter ist davon auszugehen, dass die Vereinbarung der Parteien grundsätzlich Gültigkeit hat bis zu ihrer Ablösung durch Massnahmen im Sinne von Art. 145 ZGB. Mit Entscheid vom 3. Juli 1991 legte der Amtsgerichtspräsident II als Massnahmerichter die Unterhaltspflicht für den Beklagten rückwirkend ab 1. April 1990 neu fest. Dass dieser Entscheid wegen der Ergreifung eines Rechtsmittels noch nicht rechtskräftig geworden ist, ändert nichts an der Tatsache, dass in absehbarer Zeit ein Entscheid in Rechtskraft erwachsen wird, der die Unterhaltspflicht des Beklagten entweder im Sinne der Parteivereinbarung vom 8. November 1989 genehmigen oder dann eine anderslautende Unterhaltsregelung festsetzen wird. Nach dem oben Gesagten führt diese Rechtslage dazu, dass die aussergerichtliche Vereinbarung zumindest für den Zeitraum ab Einleitung des Gerichtsverfahrens, das ebenfalls die Unterhaltspflicht des Beklagten zum Gegenstand hat, nicht für vollstreckbar erklärt werden kann. Andernfalls könnte die Klägerin gleichzeitig für die richterlich festgelegten Unterhaltsbeiträge die definitive und für die vertraglich vereinbarten Alimente die provisorische Rechtsöffnung verlangen, was heikle Verrechnungs- oder Rückerstattungsverfahren zur Folge haben könnte. Es kann daher nicht Sinn der Rechtsordnung und insbesondere des Vollstreckungsrechts sein, neben einer richterlich festgesetzten Unterhaltspflicht auch eine parallel daneben bestehende aussergerichtliche Vereinbarung für vollstreckbar zu erklären. Folglich ist der Rekurs der Klägerin in vollem Umfang abzuweisen.