Instanz: | Regierungsrat |
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Abteilung: | - |
Rechtsgebiet: | Volksrechte |
Entscheiddatum: | 26.05.1998 |
Fallnummer: | RRE Nr. 780 |
LGVE: | 1998 III Nr. 1 |
Leitsatz: | Unzulässiger Inhalt der Abstimmungserläuterungen. §§ 38 Absatz 2c und 165 StRG. Der Slogan "Nein zur Initiative - Ja zur Gemeinde X" im erläuternden Bericht der Gemeindebehörde zu einer kommunalen Abstimmung über eine Initiative verletzt das Gebot zur objektiven Information. Der Mangel wiegt jedoch nicht so schwer, dass er eine Verschiebung der Abstimmung rechtfertigen würde. |
Rechtskraft: | Diese Entscheidung ist rechtskräftig. |
Entscheid: | 3. a. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete politische Stimmrecht gibt den Bürgerinnen und Bürgern einen Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE 121 I 12 E. 5b/aa, 115 I a 206 E. 4, 114 I a 432 E. 4a). Daraus folgt, dass die Stimmberechtigten ihren Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung sollen treffen können (BGE 114 I a 432 E. 4a, 113 I a 294 E. 3a). Die Freiheit der Meinungsbildung schliesst grundsätzlich jede direkte Einflussnahme der Behörden aus, welche geeignet wäre, die freie Willensbildung der Stimmberechtigten im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen zu verfälschen. Eine solche unerlaubte Beeinflussung liegt etwa dann vor, wenn die Behörde, die zu einer Sachabstimmung amtliche Erläuterungen verfasst, ihre Pflicht zu objektiver Information verletzt und über den Zweck und die Tragweite der Vorlage falsch orientiert. Eine unerlaubte Beeinflussung der Stimmberechtigten kann ferner vorliegen, wenn die Behörde in unzulässiger Weise in den Abstimmungskampf eingreift und entweder positive, zur Sicherung der Freiheit der Stimmbürger aufgestellte Vorschriften missachtet oder sich sonstwie verwerflicher Mittel bedient. Hingegen ist es zulässig, dass eine Behörde den Stimmberechtigten eine Vorlage zur Annahme oder Ablehnung empfiehlt und Erläuterungen oder Berichte dazu beilegt, sofern sie dabei ihre Pflicht zu objektiver Information nicht verletzt und über den Zweck und die Tragweite der Vorlage nicht falsch orientiert. Diese Verpflichtung zur Objektivität, welche von derjenigen zur Neutralität zu unterscheiden ist, ergibt sich namentlich aus der hervorragenden Stellung, die den Behördemitgliedern zukommt, aus den Mitteln, über die sie verfügen, und aus dem Vertrauen, das sie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu bewahren haben, damit das gute Funktionieren der demokratischen Institutionen gewährleistet ist (BGE 117 I a 46 E. 5a mit Hinweisen). Die erwähnten Grundsätze gelten auch für behördliche Verlautbarungen zu Volksinitiativen. Es ist der Behörde nicht verwehrt, in ihren Abstimmungserläuterungen auf allfällige Mängel der Initiative hinzuweisen und den Stimmberechtigten deren Annahme oder Verwerfung zu empfehlen. Sie kann dabei auch zu den durch das Volksbegehren aufgeworfenen Ermessens- und Wertungsfragen Stellung nehmen und sich in ihrer Abstimmungsempfehlung auf Argumente berufen, die sich nicht oder nicht ohne weiteres auf Tatsachen stützen lassen, sofern dies in korrekter Weise geschieht (BGE 105 I a 153 E. 3a; ZBl 92/1991 S. 349). b. "Nein zur Initiative - Ja zur Gemeinde X" ist ein Schlagwort, dessen Umkehrschluss naheliegt. Dies würde bedeuten, dass, wer der Initiative zustimmt, sich gegen die Gemeinde X ausspricht. Die Behörde kann Stimmberechtigten damit ein falsches Bild von Zweck und Tragweite ihres Entscheids vermitteln. Ob jemand für oder gegen die Gemeinde ist, steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit der bevorstehenden Abstimmung. Auch die Begründung der Vorinstanz, der Slogan gebe die Meinung des Einwohnerrates und des Gemeinderates wieder, rechtfertigt die plakative Darstellung auf Front- und Schlussseite sowie in der Botschaft nicht. Diese Darstellung entspricht nicht der hinsichtlich einer Abstimmungsbotschaft geforderten Objektivität. Das Argument der Vorinstanz, "Nein zur Initiative - Ja zur Gemeinde X" stehe nicht für sich allein, sondern im Zusammenhang mit einer umfassenden Orientierung über die Abstimmungsvorlage, vermag angesichts der konkreten Darstellung nicht zu überzeugen; zu deutlich ist das Schlagwort einzeln hervorgehoben. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die Verwendung des Schlagwortes "Nein zur Initiative - Ja zur Gemeinde X" gegen das Objektivitätsgebot verstösst. 7. In Erwägung 3b wurde festgehalten, dass die Verwendung des Schlagwortes "Nein zur Initiative - Ja zur Gemeinde X" gegen das Objektivitätsgebot verstösst. Mit ihren weiteren Beanstandungen sind die Beschwerdeführer nicht durchgedrungen. Stellt das Bundesgericht im Rahmen seiner Prüfung des Abstimmungsverfahrens Mängel fest und lassen sich deren Folgen nicht ziffernmässig ermitteln, so bedeutet dies nicht, dass die Mängel schon deswegen als erheblich zu erachten wären und die Abstimmung neu durchgeführt werden müsste. Vielmehr ist nach den gesamten Umständen zu beurteilen, ob eine Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses möglich gewesen wäre (BGE 117 I a 48 E. 5b). Die Kassation einer Abstimmung ist die Ultima Ratio (Christoph Hiller, Die Stimmrechtsbeschwerde, Zürich 1990, S. 413). Analog ist im vorliegenden Fall zwischen dem möglichen Einfluss des Mangels auf das Abstimmungsergebnis und dem Aufwand einer Neuansetzung der Abstimmung und der damit zusammenhängenden Strapazierung der Stimmberechtigten abzuwägen. Zwar ist der Gemeinderat dafür zu rügen, dass er sich in den Abstimmungserläuterungen in unzulässiger Weise eines Schlagworts bediente. Andererseits ist zu beachten, dass sich die Abstimmungsbotschaft auf zwölf Seiten erstreckte und der Rest der Botschaft den Stimmberechtigten in genügender Weise eine Meinungsbildung ermöglichte. Die Abstimmungsbroschüre stellt überdies erfahrungsgemäss nicht die einzige Entscheidungsgrundlage der Stimmberechtigten dar. Die Vorinstanz macht denn auch geltend, den Initianten sei vor und nach dem Versand des Stimmmaterials sowohl in der Tageszeitung als auch im Gemeindeblatt Platz für ihr Anliegen eingeräumt worden. Ausserdem darf den Stimmberechtigten zugetraut werden, dass sie sich bis zu einem gewissen Mass in Wertungsfragen eine eigene Meinung bilden und zwischen emotionaler und sachlicher Ebene der Argumentation unterscheiden können. Der Mangel wiegt daher nicht so schwer, dass er eine Verschiebung der Abstimmung rechtfertigen würde. Die Beschwerden werden deshalb abgewiesen, soweit damit weitergehende Massnahmen verlangt werden als die Feststellung, dass die Verwendung des Schlagwortes "Nein zur Initiative - Ja zur Gemeinde X" unzulässig sei. |