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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Rechtsgebiet:Verfahren
Entscheiddatum:13.01.1998
Fallnummer:RRE Nr. 43
LGVE:1998 III Nr. 3
Leitsatz:Anfechtung eines Parlamentsbeschlusses. §§ 6 und 142 Absatz 1b VRG, §§ 158 ff. StRG; § 91 GG. Der Akt der blossen Kenntnisnahme im zustimmenden oder ablehnenden Sinn ist weder mit Verwaltungsbeschwerde noch mit Stimmrechtsbeschwerde oder Gemeindebeschwerde anfechtbar.
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Entscheid:Der Grosse Stadtrat von Luzern hat am 27. Februar 1997 gestützt auf den Bericht und Antrag des Stadtrates von der Betriebsführung der Buslinien 18 und 19 gemäss Konzept mit den Firmen A und B Kenntnis genommen.

a. Gemäss § 142 Absatz 1b des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 (VRG) können beim sachlich zuständigen Departement Entscheide der obersten Verwaltungsinstanz von Gemeinden und andern dem Kanton nachgeordneten Gemeinwesen sowie von unteren Instanzen der kantonalen Verwaltung mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden. Der Grosse Stadtrat von Luzern als Gemeindeparlament ist keine Verwaltungsinstanz. Er ist deshalb gemäss § 6 VRG diesem Gesetz nicht unterstellt (vgl. auch Botschaft des Regierungsrates des Kantons Luzern an den Grossen Rat zu den Gesetzesentwürfen über die Organisation des Verwaltungsgerichts und die Verwaltungsrechtspflege vom 15. März 1971, abgedruckt in: Verhandlungen des Grossen Rates 1972, S. 235, Rz 135). Demzufolge kann der Beschluss des grossen Stadtrates von Luzern über die Kenntnisnahme des Betriebs der Buslinien 18 und 19 nicht mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden. Zu prüfen ist, ob ein anderes Rechtsmittel gegeben ist.

b. Die Stimmrechtsbeschwerde gemäss den §§ 158 ff. des Stimmrechtsgesetzes vom 25. Oktober 1988 (StRG) ermöglicht die Anfechtung von Stimmregisterentscheiden und von Verfahrensmängeln bei der Vorbereitung und der Durchführung von Abstimmungen. Sie richtet sich gegen Mängel im formellen Abstimmungsverfahren. Von der Stimmrechtsbeschwerde werden aber nur die Abstimmungen der Stimmberechtigten erfasst. Nicht erfasst werden die Abstimmungen im Kreise anderer kommunaler Organe wie beispielsweise Gemeindeparlamente (vgl. Thomas Willi, Funktion und Aufgaben der Gemeindebeschwerde im System der Verwaltungsrechtspflege des Kantons Luzern, Emmenbrücke 1989, S. 43). Die Beschwerde gegen den Entscheid des Grossen Stadtrates kann somit nicht als Stimmrechtsbeschwerde entgegengenommen werden (vgl. LGVE 1992 III Nr. 2).

c. Ist weder eine Verwaltungsbeschwerde noch eine Stimmrechtsbeschwerde zulässig, bleibt einzig das subsidiäre Rechtsmittel der Gemeindebeschwerde gemäss § 91 des Gemeindegesetzes vom 9. Oktober 1962 (GG). Als Gemeindebehörden sind auch die Gemeindeparlamente zu betrachten (vgl. LGVE 1992 III Nr. 2; 1976 III Nr. 27). Das Rechtsmittel der Gemeindebeschwerde ist damit im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben. Der Regierungsrat ist zur Behandlung der Beschwerde zuständig (§ 91 Abs. 1 GG). Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Beschluss des Grossen Stadtrates vom 27. Februar 1997 überhaupt Anfechtungsobjekt einer Gemeindebeschwerde sein kann.

d. Gemäss § 91 des Gemeindegesetzes können Beschlüsse der Stimmberechtigten und Behörden der Gemeinden und Gemeindeverbände beim Regierungsrat durch die Gemeindebeschwerde angefochten werden, sofern kein anderes Rechtsmittel gegeben ist. Vorausgesetzt ist in jedem Fall, dass sich die Beschwerde gegen einen Beschluss der Stimmberechtigten oder der Gemeindebehörde richtet. Als Beschluss im weitesten Sinne lässt sich alles bezeichnen, was eine Behörde durch Abstimmung annimmt oder ablehnt. Nach dieser umfassenden Begriffsbestimmung ergeht ein Beschluss beispielsweise auch dann, wenn die Behörde ein Mitglied mit der Durchführung von Vertragsverhandlungen beauftragt und gleichzeitig den dabei einzunehmenden Standpunkt festlegt oder wenn sie eine Vernehmlassung genehmigt. Direkte Rechtswirkungen nach aussen erzeugen derartige Beschlüsse allerdings nicht. Die mit Gemeindebeschwerde anfechtbaren Beschlüsse müssen enger abgegrenzt werden. Nach der Rechtsprechung des Regierungsrates setzt die Anfechtung mit förmlicher Gemeindebeschwerde einen Beschluss voraus, welcher Rechtswirkungen nach aussen zur Folge hat und deshalb den nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz anfechtbaren Entscheiden gleichzustellen ist. Wenn daher eine Behörde mit einem Beschluss ohne Rechtswirkung nach aussen eine Absicht bekundet oder ihr Vorgehen festlegt, eine Vernehmlassung genehmigt, eine rechtlich unverbindliche Meinungsäusserung oder eine Stellungnahme abgibt, so liegt kein Beschluss vor, der Gegenstand einer förmlichen Beschwerde sein kann (LGVE 1993 III Nr. 11, 1988 III Nr. 10, 1984 III Nr. 18; Alex Stöckli, Die politischen Rechte des Aktivbürgers in der ordentlichen Gemeindeorganisation des Kantons Luzern, Willisau 1989, S. 238; Willi, a.a.O., S. 54 ff., 125 ff.). Die Beschwerdeführer sprechen sich gegen die teilweise Vergabe des Busbetriebes an Private aus. Dies geht sowohl aus den Anträgen als auch aus der Begründung ihrer Eingabe hervor. Die Beschwerde beschränkt sich somit auf Teil II des Beschlusses des Grossen Stadtrates von Luzern vom 27. Februar 1997. Dieser Beschluss beinhaltet jedoch lediglich die Kenntnisnahme des Grossen Stadtrates vom Bericht und Antrag des Stadtrates. Der Akt der blossen Kenntnisnahme eines kommunalen Organs im zustimmenden oder ablehnenden Sinn ist nicht anfechtbar (vgl. Willi, a.a.O., S. 126). Der Kenntnisnahme des Grossen Stadtrates vom Bericht und Antrag des Stadtrates kommt keine Beschlussqualität gemäss § 91 GG zu. Damit fehlt es am Anfechtungsobjekt für eine Gemeindebeschwerde. Auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Grossen Stadtrates von Luzern vom 27. Februar 1997 kann deshalb nicht eingetreten werden. Damit erübrigt sich eine nähere Prüfung der Beschwerdelegitimation und der Einhaltung der Beschwerdefrist.