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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Obergericht
Abteilung:II. Kammer
Rechtsgebiet:Familienrecht
Entscheiddatum:11.04.2007
Fallnummer:22 06 111
LGVE:2007 I Nr. 14
Leitsatz:Art. 215 ZGB; Art. 4 Abs. 3 BVV 3. Der güterrechtliche Anspruch eines Ehegatten aus der Säule 3a kann diesem, obwohl es sich um eine Geldforderung handelt, nur mit dem Einverständnis des Verpflichteten aus seinem übrigen Vermögen in bar ausbezahlt werden. Grundsätzlich ist der Vorsorgeschutz zu erhalten, und der berechtigte Ehegatte hat bloss Anspruch darauf, dass ihm der Anteil aus der Säule 3a des andern Ehegatten auf eine von ihm bezeichnete Vorsorgeeinrichtung (Pensionskasse) oder eine Einrichtung nach Art. 1 Abs. 1 BVV 3 (gebundene Vorsorgeversicherung oder gebundene Vorsorgevereinbarung der Säule 3a) überwiesen wird. Das Gericht hat eine Durchführbarkeitserklärung einzuholen.
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Entscheid:Art. 215 ZGB; Art. 4 Abs. 3 BVV 3. Der güterrechtliche Anspruch eines Ehegatten aus der Säule 3a kann diesem, obwohl es sich um eine Geldforderung handelt, nur mit dem Einverständnis des Verpflichteten aus seinem übrigen Vermögen in bar ausbezahlt werden. Grundsätzlich ist der Vorsorgeschutz zu erhalten, und der berechtigte Ehegatte hat bloss Anspruch darauf, dass ihm der Anteil aus der Säule 3a des andern Ehegatten auf eine von ihm bezeichnete Vorsorgeeinrichtung (Pensionskasse) oder eine Einrichtung nach Art. 1 Abs. 1 BVV 3 (gebundene Vorsorgeversicherung oder gebundene Vorsorgevereinbarung der Säule 3a) überwiesen wird. Das Gericht hat eine Durchführbarkeitserklärung einzuholen.



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Im Rahmen eines Appellationsverfahrens betreffend ein Scheidungsurteil stellte sich dem Obergericht die Frage, wie eine zur Errungenschaft des Gesuchstellers gehörende Lebensversicherung 3a zwischen den Parteien aufzuteilen ist.



Aus den Erwägungen:

Die 3. Säule, die alle Massnahmen des individuellen Sparens - unter anderem die freie Vorsorge mit einer Lebensversicherung und die steuerbegünstigte gebundene Selbstvorsorge -umfasst, fällt nicht unter den Geltungsbereich von Art. 122-124 ZGB. Im Scheidungsfall erfolgt ein Ausgleich nach den Regeln des Güterrechts. Dies gilt nicht nur für die freie Vorsorge, sondern auch für die gebundene, steuerlich privilegierte Vorsorge mittels der in Art. 82 BVG vorgesehenen besonderen Vorsorgeformen der Säule 3a. Bei dieser ist eine Aufteilung unter den Ehegatten möglich. Bei der Scheidung können Ansprüche auf Altersleistungen der Säule 3a dem andern Ehegatten ganz oder teilweise vom Vorsorgenehmer abgetreten oder vom Gericht zugesprochen werden. Die Einrichtung des Vorsorgenehmers hat den zu übertragenden Betrag an eine vom Ehegatten bezeichnete Einrichtung zu überweisen und kann nicht von der Vorsorgeeinrichtung des Gesuchstellers zur freien Verfügung der Gesuchstellerin ausbezahlt werden (Baumann/Lauterburg, FamKomm. Scheidung, Bern 2005, N 99 zu Vorbem. zu Art. 122-124 ZGB). Vorbehalten bleiben die in Art. 3 BVV 3 genannten Gründe einer vorzeitigen Ausrichtung der Leistungen (Art. 4 Abs. 3 BVV 3; Hermann Walser, Basler Komm., N 4 zu Art. 122 ZGB). Es liegt nach der Aktenlage jedoch kein Grund für eine vorzeitige Ausrichtung der Altersleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 3 BVV 3 i.V.m. Art. 5 FZG vor, wobei diese Frage ohnehin mit Vorteil von der zuständigen Vorsorgeeinrichtung zu klären wäre. Es fragt sich nun, ob die Gesuchstellerin vom Gesuchsteller dennoch die Barauszahlung ihres güterrechtlichen Anspruchs - der Hälfte des Rückkaufwerts seiner Lebensversicherung 3a - aus dem freien Vermögen des Gesuchstellers verlangen kann, da es um eine Geld- und nicht um eine Sachforderung geht. Bei der Prüfung dieser Frage ist zu beachten, dass der Gesuchsteller, müsste er der Gesuchstellerin deren Guthaben per sofort in bar überweisen, mangels genügend liquider Mittel dafür Geld bei einer Bank aufnehmen und dieses bis zum Eintritt des Vorsorgefalls verzinsen müsste. Zudem hätte er die bei Eintritt des Vorsorgefalls anfallenden Steuern - wenn auch zu einem reduzierten Ansatz (§ 58 StG LU, Art. 38 DBG) - allein zu tragen, während die Gesuchstellerin eine Barauszahlung unter dem Titel Güterrecht nicht als Einkommen zu versteuern hätte (§ 31 lit. a StG LU, Art. 24 lit. a DBG). Diese Umstände hätten eine deutliche Minderung des Werts des gebundenen Vorsorgeguthabens 3a und damit auch des hälftigen Anspruchs der Gesuchstellerin im Falle einer sofortigen Barauszahlung zur Folge.



Entscheidend fällt nun ins Gewicht, dass die Parteien die strittigen Gelder während ihrer Ehe einvernehmlich der gebundenen Vorsorge zuführten, d.h. auf die Möglichkeit der freien Verfügung über diese Gelder bewusst verzichteten, und dass die einbezahlten Beträge für beide Ehegatten bis zum Eintritt eines Vorsorgefalls gebunden geblieben wären. Hinzu kommt, dass beide Ehegatten vom Steuerabzug für die während der Ehe getätigten Einlagen in die Säule 3a profitierten, indem sie mehr Errungenschaft bilden konnten. Unter diesen Umständen erschiene es stossend, wenn nun die Gesuchstellerin nach der Scheidung über ihren ganzen Anteil an der gebundenen Vorsorge frei verfügen könnte, während der Anteil des Gesuchstellers (in doppelter Höhe) bis zum Eintritt eines Vorsorgefalls gebunden und damit der freien Disposition des Gesuchstellers entzogen bleiben würde.



In Würdigung all dieser Umstände kann der Gesuchsteller nicht verpflichtet werden, der Gesuchstellerin die Hälfte des Rückkaufwerts seiner Lebensversicherung 3a, welcher nicht in liquiden Mitteln vorhanden ist, in bar auszuzahlen. Die Lebens-Versicherungs-Gesellschaft ist daher anzuweisen, den Betrag von Fr. 23'771.-- (Hälfte des Rückkaufwerts der gebundenen Vorsorgeversicherung) an eine von der Gesuchstellerin noch zu bezeichnende Vorsorgeeinrichtung (Pensionskasse) oder eine Einrichtung nach Art. 1 Abs. 1 BVV 3 (gebundene Vorsorgeversicherung oder gebundene Vorsorgevereinbarung der Säule 3a) zu überweisen. Damit wird auch der Grundsatz der Erhaltung des Vorsorgeschutzes gewahrt (vgl. Walser, a.a.O., N 30 zu Art. 122).



II. Kammer, 11. April 2007 (22 06 111)