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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Obergericht
Abteilung:I. Kammer
Rechtsgebiet:Erbrecht
Entscheiddatum:14.09.2009
Fallnummer:11 09 113
LGVE:2010 I Nr. 7
Leitsatz:Art. 554 ZGB. Kompetenzen eines Erbschaftsverwalters (Ausweisung).
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Entscheid:Art. 554 ZGB. Kompetenzen eines Erbschaftsverwalters (Ausweisung).



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Die Beklagte lebt in einer Wohnung, die im Alleineigentum des Erblassers stand. Zwischen dessen Ehegattin, dem eingesetzten Alleinerben und der Beklagten ist ein Erbteilungsprozess hängig. Der vom Teilungsamt als Erbschaftsverwalter eingesetzte Kläger verlangte die Ausweisung der Beklagten aus der von ihr bisher unentgeltlich benutzen Wohnung. Das Obergericht wies das Gesuch ab.



Aus den Erwägungen:



5.1.- Das Gesetz äussert sich weder konkret noch generell zu den Aufgaben und Kompetenzen des amtlichen Erbschaftsverwalters. Hingegen verleihen dem Institut sowohl die Gesetzessystematik (Einordnung unter dem Titel "Die Sicherungsmassregeln"; vgl. Art. 551 Abs. 2 ZGB) als auch die in Art. 554 Abs. 1 ZGB aufgezählten Anwendungsfälle Konturen: Zweck einer Erbschaftsverwaltung ist die Erhaltung und Sicherung des Nachlasses in Bestand und Wert sowie die Vornahme von unaufschiebbaren Verwaltungs- und gegebenenfalls Verfügungshandlungen. Die Kompetenzen des Erbschaftsverwalters sind konservatorischer Natur. Der Nachlass ist wert- und bestandsmässig zu erhalten und vor dem unberechtigten Zugriff Dritter oder der Verminderung durch schon vorhandene Erben zu sichern. Er soll den Erben in möglichst ursprünglicher Form übergeben werden. Der Erbschaftsverwalter hat für die "optimale Überbrückung des Interregnums" zu sorgen. Weiter gehen seine Befugnisse aber nicht (Jean Nicolas Druey, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl., 14 N 56; Karrer, Basler Komm., 3. Aufl., Art. 554 ZGB N 2 und 39; Escher, Zürcher Komm., Art. 554 ZGB N 15; Dieter Zobl, Grundbuchrecht, 2. Aufl., N 483 f.; Jennifer Picenoni, Der Erbenvertreter nach Art. 602 Abs. 3 ZGB, Diss. Zürich 2004, S. 10 f.; BGE 95 I 392 in: Pra 1970 Nr. 50 S. 171; vgl. auch LGVE 2004 I Nr. 16 E. 7.1; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23.11.1981 in: SJZ 79 [1983] Nr. 17 S. 111 E. 1).



Bezüglich Willensvollstrecker und Erbenvertreter findet sich in Lehre und Rechtsprechung sodann die Ansicht, jene könnten einem Erben eine Wohnung, die er bereits vor dem Erbgang und mit Wissen und Willen des Erblassers benutzt und an welcher er somit selbstständigen Besitz hat, nicht ohne weiteres entziehen. Ein Entzug sei aber möglich, wenn mit der weiteren Nutzung eine Gefährdung von Interessen des Nachlasses durch Entwertung oder Verlust verbunden sei (Tuor, Berner Komm., Bern 1952, Art. 518 ZGB N 13; BGE 125 III 219 E. 1 lit. d S. 221 f.; unveröffentlichter Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28.02.1994, in: Druey/Breitschmid [Hrsg.], Praktische Probleme der Erbteilung, St. Gallen 1996, S. 174 f.). Was für den Willensvollstrecker (und den Erbenvertreter) gilt, muss umso mehr für den mit weniger Befugnissen ausgestatten Erbschaftsverwalter gelten (vgl. Druey, a.a.O., 14 N 39). Immerhin wählt der Erblasser den Willensvollstrecker selber aus und die Erbenvertretung kommt zwingend nur auf Wunsch eines oder mehrerer Erben zustande, da die Behörde Letztere nicht von Amtes wegen bestellen kann (Art. 602 Abs. 3 ZGB; Abt/Weibel [Hrsg.], Praxiskomm. Erbrecht, Basel 2007, Art. 602 ZGB N 61). Die Erbschaftsverwaltung hingegen wird ohne Mitwirkung von Erblasser oder Erben durch die zuständige Behörde angeordnet. Dieser Umstand rechtfertigt eine gewisse Zurückhaltung bezüglich der Kompetenzen eines Erbschaftsverwalters, vor allem wenn erkennbar ist, dass Erben einer beabsichtigten Massnahme opponieren (vgl. Druey, a.a.O., 14 N 57; Max Walter, Willensvollstreckung [Hrsg. Druey/Breitschmid], St. Gallen 2000, S. 206).



5.2.- Der Kläger behauptet keine Gefährdung des Nachlasses durch Entwertung oder Verlust, sondern bringt dazu nur allgemeine Ausführungen vor. Die Ausweisung würde auch nicht der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands dienen, da sich die Beklagte den Besitz an der Wohnung gerade nicht eigenmächtig oder gegen den Willen des Erblassers verschafft hat. Deshalb kann die Ausweisung unter den gegebenen Umständen - selbst wenn sie im Interesse des Nachlasses liegen würde - nicht als eine im Rahmen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse eines Erbschaftsverwalters liegende Handlung qualifiziert werden.



5.3.- Nach dem Gesagten konnte der Kläger den Gebrauchsleihevertrag nicht auflösen. Der Rekurs ist deshalb gutzuheissen und das Ausweisungsgesuch abzuweisen.



I. Kammer, 14. September 2009 (11 09 113).



(Das Bundesgericht ist auf die dagegen erhobene Beschwerde am 2. Februar 2010 nicht eingetreten [5A_717/2009].)