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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Obergericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:28.09.2011
Fallnummer:1C 11 26
LGVE:2011 I Nr. 25
Leitsatz:Art. 88 i.V.m. 59 Abs. 2 lit. a ZPO; Art. 571 Abs. 2 ZGB. Folgen unwirksamer Ausschlagungserklärungen. Feststellungsinteresse.
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Entscheid:Art. 88 i.V.m. 59 Abs. 2 lit. a ZPO; Art. 571 Abs. 2 ZGB. Folgen unwirksamer Ausschlagungserklärungen. Feststellungsinteresse.



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Am 20. Januar 2011 wurde die konkursamtliche Liquidation der von den Gesuchstellern ausgeschlagenen Erbschaft des X. angeordnet. Am 18. März 2011 beantragten die Gesuchsteller beim Bezirksgericht einerseits die Feststellung, dass ihre Ausschlagungserklärungen aufgrund von Art. 571 Abs. 2 ZGB nichtig, eventualiter ungültig seien, und andererseits die Aufhebung der konkursamtlichen Liquidation der Erbschaft. Die Einzelrichterin wies das Gesuch ab, soweit sie darauf eintrat. Das Obergericht trat auf eine dagegen erhobene Beschwerde nicht ein.



Aus den Erwägungen:

6.- Die Gesuchsteller wollen den Entscheid über die Anordnung der konkursamtlichen Liquidation der ausgeschlagenen Erbschaft ihres verstorbenen Vaters rückgängig machen. Zu diesem Zweck wollen sie ihre eigenen Ausschlagungserklärungen nichtig bzw. ungültig erklären lassen. Sie gingen jedenfalls vor erster Instanz davon aus, dass bei Nichtigkeit oder Ungültigkeit der Ausschlagungserklärungen auch der darauf abgestützte Entscheid des Konkursrichters aufgehoben werden müsse.

(¿)



7.3.3. Ein Konkurserkanntnis, das aufgrund einer "verwirkten" Ausschlagungserklärung erging, ist zulässig und gültig, nach Meinung von Häuptli sogar sinnvoll. Die Ausschlagungserklärung ist zwar zivilrechtlich unwirksam und die erbrechtliche Gestaltungswirkung tritt nicht ein. Diese zivilrechtliche Unwirksamkeit hat aber nicht zur Folge, dass auch ein darauf abgestütztes Konkursdekret ungültig oder nichtig wird (vgl. dazu Häuptli, Praxiskomm. Erbrecht, 2. Aufl., Art. 573 ZGB N 5 mit weiteren Hinweisen; Tuor/Picenoni, Berner Komm., 2. Aufl., Art. 571 ZGB N 8a; Escher, Zürcher Komm., 3. Aufl., Art. 571 ZGB N 19). Insofern kann eine unzulässige Ausschlagungserklärung mindestens im Betreibungsrecht gewisse Wirkungen entfalten. Ob die Ausschlagungserklärung im Zivilrecht als nichtig oder ungültig erachtet wird, spielt diesbezüglich keine Rolle.



7.3.4. Das Gericht tritt auf eine Klage oder auf ein Gesuch ein, sofern die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 59 Abs. 1 ZPO). Das Gericht prüft diese von Amtes wegen (Art. 60 ZPO). Prozessvoraussetzung ist insbesondere ein schutzwürdiges Interesse der klagenden oder gesuchstellenden Partei (Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO). Mit der Feststellungsklage verlangt die klagende Partei die gerichtliche Feststellung, dass ein Recht oder ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht (Art. 88 ZPO). Der Feststellungskläger muss ein erhebliches schutzwürdiges Interesse haben, das nicht zwingend ein rechtliches zu sein braucht, sondern auch tatsächlicher Natur sein kann. Ein schutzwürdiges Interesse besteht nur, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ungewiss (oder gefährdet) sind, die Fortdauer dieser Rechtsungewissheit der klagenden Partei nicht zugemutet werden kann und diese Ungewissheit auf keinem anderen Weg als durch die gerichtliche Feststellung beseitigt werden kann (Zürcher, in: Komm. zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [Hrsg. Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger], Zürich 2010, Art. 59 ZPO N 13 mit Hinweisen).



Weil mit den verlangten Feststellungen die Aufhebung des Konkursdekrets nicht erwirkt werden kann und die Gesuchsteller den entsprechenden Antrag in zweiter Instanz auch nicht mehr stellen, fehlt es an einem Feststellungsinteresse. Ein anderes Feststellungsinteresse haben die Gesuchsteller nicht vorgetragen. Ihre Argumentation ist erst- und zweitinstanzlich genau gleich.



1. Abteilung, 28. September 2011 (1C 11 26)