Drucken

Rechtsprechung Luzern


Instanz:Obergericht
Abteilung:II. Kammer
Rechtsgebiet:Familienrecht
Entscheiddatum:07.11.2001
Fallnummer:22 01 57
LGVE:2001 I Nr. 7
Leitsatz:Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB. Ist davon auszugehen, dass das Eheschutzverfahren der Scheidungsvorbereitung dient, so kann dies die Anordnung der Gütertrennung gegen den Willen eines Ehegatten rechtfertigen.
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Entscheid: Im Verfahren nach Art. 175 ZGB lehnte der Amtsgerichtspräsident das Begehren des Gesuchsgegners um Anordnung der Gütertrennung ab. In seinem Rekurs verlangte der Ge-suchsgegner erneut die Anordnung der Gütertrennung. Das Obergericht heisst den Rekurs gut.



Aus den Erwägungen:

5.1. Der Gesuchsgegner verlangt mit seinem Rekurs die Anordnung der Gütertrennung zwischen den Parteien. Die Vorinstanz hat die Gütertrennung abgelehnt, weil der Gesuchs-gegner erstens eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Interessen nicht glaubhaft gemacht habe und zweitens keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass für die Gesuch-stellerin die Profitsucht das einzige Motiv zum Eheschluss mit dem Gesuchsgegner gewesen sei; drittens rechtfertige einzig das wirtschaftliche Gefälle zwischen der Schweiz und Rumä-nien die anbegehrte Massnahme nicht, zumal dieses bei der Festsetzung der Unterhaltsbei-träge berücksichtigt und ausserdem bei der Heirat bereits bekannt gewesen sei.



Der Gesuchsgegner bringt in seinem Rekurs dagegen vor, die Vorinstanz habe bei der Anwendung von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB einzig die Frage nach der Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen des Gesuchsgegners gestellt. Die weiteren Umstände, welche allen-falls eine Gütertrennung rechtfertigten, seien nur ungenügend in die Interessenabwägung einbezogen worden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe der Gesuchsgegner genügend glaubhaft gemacht, dass die Gesuchstellerin ihn aus rein finanziellen Interessen gehei-ratet habe. Dies zeige sich in der offensiven Art ihrer Kontaktnahme, ferner darin, dass die Gesuchsgegnerin immer wieder aus geschäftlichen und familiären Gründen nach Rumänien zurückgekehrt und an einer eigentlichen ehelichen Beziehung gar nicht interessiert gewesen sei. Neben dem Verhalten der Gesuchstellerin und der kurzen Dauer des Zusammenlebens sei insbesondere das wirtschaftliche Gefälle zwischen der Schweiz und Rumänien von der Vorinstanz in ihre Überlegungen nicht einbezogen worden. Die Möglichkeit liege nahe, dass der Gesuchsgegner während der vierjährigen Trennungsfrist gemäss Art. 114 ZGB Errungen-schaft bilden könne. Deren Teilung im Scheidungszeitpunkt würde wegen den weit niedrige-ren Lebensunterhaltskosten in Rumänien zu einer wirtschaftlichen Bevorzugung der Gesuch-stellerin führen, welche angesichts der kurzen Dauer des ehelichen Zusammenlebens und der Tatsache, dass die Gesuchstellerin kaum einen Beitrag an die eheliche Gemeinschaft geleistet habe, krass stossend wäre. In casu bestünden keine Anhaltspunkte für eine Wiedervereinigung der Parteien. Nachdem der Gesuchsgegner die wahren Absichten der Gesuchstellerin erkannt habe, komme für ihn eine Versöhnung unter keinen Umständen mehr in Frage. Er werde nach Ablauf der Vierjahresfrist gemäss Art. 114 ZGB die Scheidungsklage einreichen. Die Beteuerung der Gesuchstellerin, sie wünschte eine Wiedervereinigung, sei "ausländerrechtlich" motiviert und gleichzeitig angesichts der massiven Vorwürfe betreffend Gewaltanwendung und sexuellem Missbrauch unglaubwürdig. Sie sei denn auch seit ihrem Auszug am 17. November 2000 mit dem Gesuchsteller nie mehr in Kontakt getreten. Schliesslich sei nach der fremdenpolizeilichen Wegweisung der Gesuchstellerin aus der Schweiz eine Sanierung der Ehe der Parteien, welche sich nie richtig gekannt hätten, wegen der grossen geographischen Distanz auch aus objektiven Gründen ausgeschlossen. Unter diesen Umständen könne nicht mehr von einer Schicksalsgemeinschaft der Parteien gesprochen werden, welche das weitere Aufrechterhalten der Errungenschaftsbeteiligung rechtfertige. Dies wird von der Gesuchstellerin bestritten.



5.2. Gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB muss das Gericht bei begründeter Aufhebung des gemeinsamen Haushalts auf Begehren eines Ehegatten die Gütertrennung anordnen, wenn es die Umstände rechtfertigen. Gemäss BGE 116 II 21, 28 f. steht im Rahmen der Prü-fung der Umstände die Gefährdung wirtschaftlicher Interessen im Vordergrund, doch sind auch Erwägungen im Hinblick auf die Persönlichkeit der Ehegatten nicht ausgeschlossen. Nach Auffassung der unten zitierten Lehrmeinung erscheint die Anordnung der Gütertren-nung gegen den Willen eines Ehegatten immer dann gerechtfertigt, wenn die Errungen-schaftsbeteiligung ihre innere Berechtigung verloren hat. Die unter der Errungenschaftsbeteiligung bestehende enge Bindung in vermögensrechtlicher Hinsicht rechtfertige sich durch die Schicksalsgemeinschaft, welche die Ehe darstellt. Der Verlust der inneren Berechtigung trete häufig dann ein, wenn die Ehegatten die Wohngemeinschaft aufgäben (Hausheer/Reusser/ Geiser, Berner Komm., N 19 zu Art. 185 ZGB). Vor dem Hintergrund des neuen Schei-dungsrechts fragt sich, ob der Aspekt der Beeinträchtigung der Persönlichkeit eines Ehegatten in dieser Frage stärkere Bedeutung gewinnen soll. Hält man sich vor Augen, dass nach dem neuen Scheidungsrecht der scheidungswillige Ehegatte bei Widerstand des anderen in der Regel die vierjährige Trennungszeit nach Art. 114 ZGB abzuwarten hat, so kommt man zum Schluss, dass der Eheschutz nach dem neuen Recht eine andere Bedeutung erhalten hat als unter altem Recht. Während früher ein Ehegatte nach Einreichung einer Scheidungs-klage mittels vorsorglicher Massnahmen während des Scheidungsprozesses die Regelung des Getrenntlebens erlangen konnte, muss er heute dafür das Eheschutzverfahren in An-spruch nehmen, denn eine Klage nach Art. 115 ZGB (Unzumutbarkeit) hat im Vergleich zur altrechtlichen Bestimmung von Art. 142 aZGB (unheilbare Zerrüttung) massiv höhere Hürden zu überwinden. Das Eheschutzverfahren dient heute demnach regelmässig der Vorbereitung der Scheidung, während unter altem Recht die Eheschutzmassnahmen die Sanierung einer in Schwierigkeiten geratenen Ehe bezwecken sollten (BGE 116 II 21, 28). Existiert zwischen den Ehegatten keine Schicksalsgemeinschaft mehr und dient das Eheschutzverfahren im ge-schilderten Sinn der Scheidungsvorbereitung, liegt kein hinreichender Grund mehr vor, die engen wirtschaftlichen Verflechtungen, welche die Errungenschaftsbeteiligung mit sich bringt, gegen den Willen eines Ehegatten aufrecht zu erhalten. Steht somit aufgrund der Akten und nach Würdigung der gesamten Umstände fest, dass keine oder nur eine geringe Aussicht auf eine Wiedervereinigung der Ehegatten vorhanden ist, und nach Ablauf der vierjährigen Tren-nungszeit mit grosser Wahrscheinlichkeit die Scheidungsklage gestützt auf Art. 114 ZBG ein-gereicht werden wird, hat der Eheschutzrichter auf entsprechendes Begehren die Gütertrennung anzuordnen (ZR 100 [2001] Nr. 24). Im Sinne dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Vorinstanz die Anordnung der Gütertrennung zu Recht verweigert hat.



5.3. Der Gesuchsgegner wirft der Gesuchstellerin nicht konkret vor, sie gefährde durch ihr Verhalten seine wirtschaftlichen Interessen, ebensowenig, er sei aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen auf die Vermögenswerte angewiesen, die ihm aufgrund der güter-rechtlichen Auseinandersetzung zustehen würden. Zu prüfen ist indessen, ob die innere Ver-bundenheit der Parteien und mithin der sittliche Gehalt ihrer Ehe verloren gegangen ist, so-dass die innere Berechtigung der Errungenschaftsbeteiligung entfällt. Beide Parteien richten an die Adresse der anderen massive Vorwürfe: Der Gesuchsgegner wirft der Gesuchstellerin ausschliessliches Profitdenken vor, während diese ihn der Gewaltanwendung, krankhaften Eifersucht und der sexuellen Ausbeutung bezichtigt. Ihre Beteuerung, sie schliesse trotzdem eine Aussöhnung nicht gänzlich aus, erscheint daher wenig glaubwürdig. Der Gesuchsgegner ist seinerseits entschlossen, nach Ablauf der Wartefrist gemäss Art. 114 ZGB die Scheidung einzureichen. Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass zwischen Eheschluss und Aufhebung des gemeinsamen Haushalts nur neun Monate verstrichen sind und das eheliche Zusammenleben immer wieder durch Aufenthalte der Gesuchstellerin in Rumänien unterbrochen wurde. Nachdem die Gesuchstellerin von der Ausländerbehörde rechtskräftig aus der Schweiz weg-gewiesen ist, erscheint eine Wiedervereinigung auch objektiv nicht mehr möglich. Unter die-sen Umständen kann nicht mehr von einer Schicksalsgemeinschaft gesprochen werden, wel-che die Teilhabe der Gesuchstellerin am wirtschaftlichen Wohlergehen des Gesuchsgegners rechtfertigen würde. Daran ändert nichts, dass nach der gesetzlichen Regelung eine Auftei-lung der - oft wirtschaftlich bedeutsamen - Vorsorgeguthaben erst im Scheidungsverfahren erfolgen kann, besteht doch für die Vorverlegung der güterrechtlichen Auseinandersetzung in Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Aus all diesen Gründen ist der Antrag des Gesuchsgegners, es sei die Gütertrennung anzuordnen, gutzuheissen.



II. Kammer, 7. November 2001 (22 01 57)